Wenn Häuser eine Stadt schützen
Nahe der Grenze zwischen dem kanadischen Quebec und Labrador, liegt die Bergbaustadt Fermont. Beim Bau der Stadt vor fast 60 Jahren erkannten die Architekten, dass der Ort einen umfassenden Windschutz benötigt. Daraus resultierte ein einzigartiges Gebäude, das über einen Kilometer lang ist.
Ursprünglich wurde die kanadische Bergbaustadt von der Bergbaugesellschaft Québec Cartier gegründet, um die riesigen Eisenerzlagerstätten am Mont Wright, 25 Kilometer westlich der Stadt, zu erschliessen. Fermont liegt aber über dem 52. Breitengrad, also auf dem gleichen wie Alaska und Sibirien. Daher besitzt die Stadt auch ein hartes, subarktisches Klima mit langen, strengen Wintern und kurzen, milden Sommern. Im Winter wird Fermont zudem von starken Nordwinden dominiert.
Bei der Planung des Baus der Stadt in den späten 1960ern erkannten die beauftragten Architekten aus Montréal – Maurice Desnoyers und Norbert Schoenauer – dass die Stadt einen grossen Windschutz braucht, um die Bewohner von den Nordwinden zu schützen. Anstatt daraufhin eine normale Windbarriere zu bauen, entschieden sich die Architekten aber zu einer besonderen Lösung: Sie kombinierten die Funktionalität einer Wand mit der eines Wohnkomplexes. Das Ergebnis zeigtein architektonisch einzigartiges Gebäude, das 1,3 Kilometer lang den Rand der Stadt umgibt und fünf Stockwerke hoch ist. Ganze 750 Häuser, die sich hinter der «Häuserwand» befinden, werden durch die Struktur vom Wind geschützt.
Die Inspiration für den passenden Namen des Komplexes «The Wall» hatten die beiden vom schwedischen Architekten Ralph Erskine, der 1962 ein ähnliches Gebäude entworfen hatte, um eine Wohnsiedlung nördlich des Polarkreises in Schweden zu schützen. Im Gegensatz zu diesem Projekt umfasst das Windschutz-Gebäude in Fermont neben Wohnungen aber auch Geschäfts- und Bildungseinrichtungen.
Die riesige, in sich geschlossene Struktur beherbergt Geschäfte wie Hotels, Bars, Restaurants und Supermärkte, Schulen, ein Gesundheitszentrum, ein Rathaus, ein Schwimmbad, eine Polizeiwache und sogar ein Drei-Zellen-Gefängnis. Darüber hinaus hat es 440 Residenzen. Da sich alles innerhalb von «The Wall»befindet, müssen Bewohner - außer Bergarbeitern - das Gebäude während des langen Winters, der normalerweise etwa sieben Monate dauert, nie verlassen.