Virtueller Denkmalschutz: Digitale Zwillinge für Kulturstätten in Jordanien
Jordaniens Kulturstätten wie etwa die Wüstenstadt Petra oder die Zitadelle von Amman sollen bewahrt werden, indem von ihnen ein digitaler Zwilling erstellt wird. Das ist die Idee hinter einem Projekt der Hochschule Darmstadt, der TH Brandenburg und der Deutschen Universität in Amman, bei dem Photogrammeterie zum Einsatz kommt.
Quelle: Hassan Bushnaq, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Wikimedia
Die Überreste des Herkulestempels auf der Zitadelle von Amman stammen aus dem 2. Jahrhundert. Sie sollen digital für die Nachwelt erhalten werden.
Photogrammetrie wird in der Entertainmentbranche genutzt, in der Spiele-Entwicklung, im Städtebau, in der Werbung, aber auch in der Lehre, um realistische aussehende Kopien realer Gegenstände zu erzeugen, wie Paul Grimm vom Fachbereich Media der Hochschule Darmstadt erklärt. „Museen nutzen solche 3D-Modelle für interaktive Ausstellungen, die Automobilindustrie in der Entwicklungsarbeit. Das Spektrum ist also sehr breit.“
Für das Projekt in Jordanien hat ein Team der Studiengänge
„Data Science“ und „Expanded Realities“ der Hochschule Darmstadt begonnen, von den Kulturstätten 3D-Scans zu
erstellen. Dazu werden zunächst mit Handy, Spiegelreflexkamera und
360-Grad-Kamera Zehntausende von Aufnahmen
geschossen. Von der Gesamtansicht bis zum kleinsten Detail: Risse im Gemäuer, Säulenkapitelle,
ganze Fassaden, und die umgebende Landschaft. Damit aus den Bildern ein
virtueller Zwilling entstehen kann, werden die Fotos in eine kommerzielle
Software eingespeist. Diese errechnet dann daraus die 3D-Modelle. Je präziser
und umfangreicher das Bildmaterial, umso realitätsnaher wird das Ergebnis. Trotzdem
lassen sich Ungenauigkeiten und Lücken nicht vermeiden, sie werden deshalb
aufwändig von Hand ausgemerzt und nachbearbeitet.
Zitadelle von Amman zum Teil bereits digitalisiert
Digitaler Zwilling: Ein Teil des ummayyadischen Palastes auf der Zitadelle von Amman wurde bereits fertig virtuell nachgebaut.
Einzelne Objekte sind mittlerweile fertig gestellt, etwa Bauten auf der Zitadelle von Amman. Auf dem Hügel inmitten der Altstadt erzählen die Überreste von einer Jahrtausende alten Siedlungsgeschichte: bronzezeitliche Höhlengräber, die Mauern eines Palastes aus der Zeit um 800 vor Christus, ein römischer Herkulestempel aus dem 2. Jahrhundert, die Überreste einer byzantinischen Basilika, die Ruinen des Umayyadischen Palastes und eine Moschee aus dem 8. Jahrhundert.
Dass in der vom Deutschen Akademischen Austauschdienst geförderten deutsch-jordanischen Kooperation die Informatik oder vielmehr die Digitalisierung von Kulturstätten im Fokus steht, ist laut Hochschule Darmstadt naheliegend. „Im Nachbarland Syrien hat die Terrormiliz IS Weltkulturerbestätten wie Palmyra, die Kreuzritterburg Krak des Chevaliers und die Altstadt von Aleppo zerstört“, heisst es in der Medienmitteilung. Und selbst wenn ein solches Szenario für Jordanien derzeit undenkbar sei, führe die Zerstörungswut, der Kulturdenkmäler in Kriegen und Konflikten regelmässig zum Opfer fielen, die Fragilität dieser kostbaren Orte vor Augen. (mgt/mai)
Quelle: ALex Vasay, Unsplash
Die in den Fels gehauene Wüstenstadt Petra war einst die Hauptstadt des Nabatäerreiches und erlebte ihre Blütezeit im 3. Jahrhundert vor Christus.