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Verleihung des 10. Arc-Awards der Schweizer Baudokumentation

Teaserbild-Quelle: Philip Heckhausen

Die besten Bauten der Schweiz wurden am 26. Oktober 2023 zum zehnten Mal mit dem Arc-Award-Preis der Schweizer Baudokumentation ausgezeichnet. 370 Teams haben ihre Projekte eingereicht, neun Architekturbüros haben gewonnen.

Weinlager

Quelle: Philip Heckhausen

Esch-Sintzel-Architekten bauten ein ehemaliges Weinlager zu einem Wohngebäude um, dabei arbeiteten sie energetisch aus dem Bestand heraus.

In der Schweiz wird viel gebaut, doch sieht alles gleich aus. In urbanen Räumen wird verdichtet, der Druck auf die Aussenräume nimmt zu. Hochwertige, innovative und zukunftsweisende Nutzungsformen sind gefragt. Um Diamanten inmitten von Kieselsteinen zu finden und die Hochkaräter auszuzeichnen, lancierte die Schweizer Baudokumentation der Documedia GmbH 2012 den Architekturpreis Arc-Award. Inzwischen ist die Belobigung zu einer der renommiertesten Prämierungen im Architekturbereich geworden.

Architekturexpertinnen und -experten, die erfolgreiche Unternehmen leiten, an Hochschulen lehren und aus der Schweizer Architekturszene herausragen, bilden jeweils die Jury. Dieses Jahr verkörperten – durch eine grossartige, nachhaltige und mit Preisen überhäufte Baukultur berühmt gewordene – Spezialistinnen und Spezialisten das «Preisgericht». Dominique Salathé, Manuel Herz, Ludovica Molo und Roger Boltshauser sichteten und untersuchten 370 eingegangene Projekte und wählten schliesslich die neun besten Arbeiten aus. 

Susanne Kunz führte gewandt durch den Abend. Der weibliche TV-Liebling und Publikumsmagnet moderierte die Ausführungen zu den Siegerprojekten des Komitees. Die Leserinnen und Leser der Schweizer Baudokumentation bestimmten den Publikumspreis. Jørg Himmelreich, der Chefredaktor des «Arc-Mags», des Architekturmagazins der Schweizer Baudokumentation, vertrat die Abonnentinnen und Abonnenten der Fachzeitschrift und stellte die Würdigung seines Forums vor.

Und dies sind die Sieger des zehnten Arc-Awards 2023:

Gegen den Abbruch und für den Bestand

Im Bereich «Wohnen» haben die Zürcher Esch-Sintzel-Architekten die Jury am meisten überzeugt. Das Team verwandelte ein ehemaliges Basler Weinlager aus den 1950er-Jahren in ein stilbildendes und zukunftsweisendes Wohngebäude. Das Büro entfernte zunächst die Anbauten, bewahrte die Struktur der 1950er-Jahre mit drei Untergeschossen und stockte den massiven Betonbau um vier Etagen auf – ein Kraftakt. So aber liessen sich rund vierzig Prozent Energie gegenüber einem Ersatzneubau sparen. 

Die mächtigen Pilzstützen bildeten dabei die prägnantesten Elemente des Hauses. Geschickt organisierte das Unternehmen die Grundrisse in schmalen Streifen um die Stützen herum, die so einen skulpturalen Charakter erhielten. Zudem haben sie es geschafft, alte Träger mitten im Flur zu einer räumlichen Bereicherung zu machen. Die neue Anlage ist ein kreatives, energiegeladenes Statement für einen nachhaltig und vielfältig ausgebauten Bestand mit einer beeindruckenden Struktur.

Weinlager Basel Paola Corsini

Quelle: Paola Corsini

Esch-Sintzel-Architekten bewahrten beim Umbau eines ehemaligen Weinlagers die Struktur der 1950er-Jahre.

Facettenreiche Fassade 

In der Kategorie «Arbeit & Produktion» hat das Basler Büro «jessenvollenweider architektur ag» das Rennen gemacht. Beim 2021 realisierten Amt für Umwelt und Energie der Stadt Basel (AUE) handelt es sich um einen achtgeschossigen Holzskelettbau mit Holz-Beton-Verbunddecken. Im Überbeton der Decken kam Recycling-Beton zum Einsatz. 

Das Konzept der Fassade beruht auf drei Elementen: auf Holzständerwänden, Kastenfensterelementen und Photovoltaikmodulen aus strukturiertem, mit metallischen Farbpunkten versehenem Schmelzglas. Diese aus Folien gestanzten Punkte glitzern metallisch und bunt und verändern die facettenreiche Fassade je nach Lichteinfall. Damit bildet das Minergie-A-zertifizierte AUE an zentraler Lage zwischen Basler Marktplatz und Schifflände einen neuen Akzent in der dicht bebauten Innenstadt, ohne die Umgebung zu dominieren.

Amt für Energie Basel

Quelle: Daisuke Hirabayashi

Das Amt für Umwelt und Energie der Stadt Basel weist dank einer umlaufenden Photovoltaikfassade Vorbildcharakter auf.

Auskragende Laubengänge

Architektonisch und pädagogisch neue Wege eröffnet hat die Schneider-Studer-Primas-GmbH mit ihrem Projekt «Grosser Bär». Für das zukunftsorientierten Raumkonzept des Winterthurers Schulhauses Wallrüti haben die Zürcher Architekten in der Kategorie «Bildung & Gesundheit» gewonnen. Damit hat die Jury eine kühne und unkonventionelle Arbeit gekürt, die nationale und internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat: In der dreigeschossigen Sekundarschule gibt es keine Korridore. Das langgestreckte und in Leichtbauweise erstellte Gebäude wird komplett von aussen erschlossen. Opulent, blumenartig gestaltete und mit Spiraltreppen verbundene Terrassen umlaufen das Haus und führen ins Innere der Konstruktion. Flexible Innenräume lassen Lehr- und Lernformen der Zukunft entstehen.

Schulhaus Waldrüti

Quelle: Dirk Podbielski

Das Winterthurer Schulhaus Wallrüti begeistert durch sein zukunftsorientiertes Raumkonzept, das architektonisch und pädagogisch neue Wege geht.

Schlichter, klar definierter Erweiterungsbau 

Annette Gigon, Mike Guyer und das «pbr Planungsbüro Rohling» («ARGE») haben für das im Bottroper Stadtgarten gelegene Josef-Albers-Museum-Quadrat einen nüchternen und gleichzeitig faszinierenden rechteckigen Erweiterungsbau geschaffen. Für das zweistöckige, kompakte Volumen wurde das Team mit dem Arc-Award in der Kategorie «Freizeit & Lifestyle» ausgezeichnet. 

Die Besucherinnen und Besucher betreten den Neubau über eine Brücke und werden teils mäandrierend, teils geradlinig durch die acht schlichten und unterschiedlich dimensionierten Ausstellungsräume geführt. Die Œu­v­res werden durch die Oberlichter des günstigen Scheddachs gleichmässig beleuchtet und ermöglichen dank der wohlproportionierten und durchdachten Gestaltung der mit Parkett und weissen Wänden ausgestalteten Örtlichkeiten neue Blicke auf die Kunst.

Josef-Albers-Museum-Quadrat

Quelle: Stefan Müller

Die Architekten schliessen mit ihren schwarzen, rechteckigen Volumen gekonnt an die pavillonartigen Bestandsbauten des im Bottroper Stadtgarten gelegenen Josef-Albers-Museum-Quadrats an.

Sanieren anstatt abbrechen 

Baumgartner Loewe Architekten ist es gelungen, die Schulanlage Röhrliberg in Cham denkmalpflegerisch exakt und komplex zu sanieren und zu erweitern sowie das Gebäudeensemble gleichzeitig präzise in die städtebauliche und architektonische Struktur einzugliedern. Für die sorgfältige Pflege der bestehenden Substanz und die gezielten Eingriffe und Ergänzungen im Bauwerk haben Marcel Baumgartner und Claudia Loewe an der Arc-Award-Night in der Kategorie «Transformation» triumphiert. 

Das Team hat für «Röhrliberg I» ein zeitgemässes Raumangebot mit zwei sechsgeschossigen Anbauten und einer vollständigen Aufstockung geschaffen. Dies verstärkt die Präsenz des feingliedrigen Baus «Röhrliberg I» gegenüber dem massigeren Volumen von «Röhrliberg II». Gemäss der Jury hat es das Zürcher Architekturbüro geschafft, die ursprüngliche Ausstrahlung der Anlage, die sorgfältige Gestaltung, die sanfte Topografie im Aussenbereich und die charakteristische Materialwahl mit warmem, rotem Backstein konsequent weiterzuführen.

Schulanlage Röhrliberg I Anbau West und Aufstockung Transformation Hof

Quelle: Roland Bernath

Baumgartner Loewe Architekten sanierten und erweiterten die Schulanlage Röhrliberg und überzeugten durch eine einheitliche Formensprache, massive Bauweise und homogene Materialisierung.

Erforschung von Re-Use-Projekten 

Im Sommer 2022 mussten am ETH-Campus Hönggerberg die drei Huber-Pavillons einem Ersatzneubauprojekt weichen. Beim Abbruch der Holzbauten konnten Bauteile für eine wegweisende Wiederverwendung durch ETH-Studierende gewonnen werden, die den Bau eines Re-Use-Pavillons planen und umsetzten. Ein eingezäuntes Zwischenlager für Bauteile konnte kurzfristig auf dem Campus eingerichtet werden und ermöglichte eine erste Inventarisierung. Der Bau mit Re-Use-Materialien wurde als Forschungsobjekt ausgeführt und kann auf einem dafür zugesprochenen Stück Land Platz finden. Für die nächsten drei Jahre wird auf dem ETH-Campus Hönggerberg das Bauen mit wiederverwendeten Baumaterialien beispielhaft sichtbar und für zukünftige Studierende zugänglich gemacht. 

Laut Aussage der Jury wurde bei diesem Projekt in beispielhafter Weise die gesamte Breite des Prozesses in seiner Komplexität behandelt. Das Preisgericht nennt das Studienprojekt mustergültig und bezeichnet es als akademische Arbeit auf allerhöchstem Niveau. Gleichzeitig lobt sie seine Tiefe und Seriosität sowie das Verständnis der Praxis als eine Form des Forschens. Dafür hat das Team den Arc-Award in der Kategorie «Next Generation» gewonnen.

Abbruchbaustelle

Quelle: Elias Knecht

Anhand des Bauprojekts «Re-Use-Pavillon» auf dem ETH Campus Hönggerberg wird die effiziente Rückführung von Baumaterialien in die Kreislaufwirtschaft erforscht und realisiert.

«Fliessende» Raumkompositionen 

Gleich zweimal wurde der Arc-Award in der Kategorie «Out of the Box» vergeben. Ausgezeichnet wurden Elli Mosayebi, Ron Edelaar und Christian Inderbitzin für ihr «performatives Haus» in der Stadt Zürich. Gewonnen hat auch die Arbeitsgemeinschaft «Perraudin architectes» und das Atelier Archiplein. Ihr Projekt «Wohnhaus aus Naturstein» im Genfer Plan-les-Ouates hat die Jury ebenfalls überzeugt. 

Elli Mosayebi, Ron Edelaar und Christian Inderbitzin haben in der Stadt Zürich ein Gebäude mit 20 Wohnungen realisiert, die alle mit flexiblen Drehelementen ausgestattet sind. Die Architekten haben ein «performatives Haus» kreiert, in dem sich Wände und die Beleuchtung drehen und sich die Spiegel rollen und die Garderoben schwenken lassen. Auf das Aufstellen sperriger Aufbewahrungsmöbel lässt sich gut verzichten, denn Schränke und Schubladen befinden sich im Hohlboden. Das Innere dieser fünfzig Quadratmeter grossen Kleinhaushalte verändert sich immer wieder. Überall kann scheinbar alles zu jeder Zeit geschehen. 

Diese «fliessenden» Raumkompositionen sind für Nomaden und Expats gedacht, die allein leben, viel reisen und nur temporär in Zürich sind. Der mit einer Metallhaut überzogene, schillernde Neubau ist meisterhaft auf junge Generationen mit einem flexiblen Lebensentwurf ausgerichtet – was sinnvoll ist, da laut dem Bundesamt für Statistik 46 Prozent aller Personen in der Schweiz allein oder zu zweit leben. Gleichzeitig hat das Team mit diesem Projekt bewiesen, dass auch kleine Wohnungen grosszügig und räumlich vielfältig sein können.

Performatives Haus

Quelle: Roland Bernath

Edelaar-Mosayebi-Inderbitzin-Architekten verwischen mit ihrem «performativen Haus» die Grenzen zwischen Architektur und Kunstinstallation.

Wohnhäuser aus Stein im Genfer Vorort Plan-les-Oates 

Der zweite «Out oft The Box»-Arc-Award ging an die Arbeitsgemeinschaft «Perraudin architectes» und das Atelier Archiplein für ihr Projekt «Wohnhaus aus Naturstein». Es handelt sich dabei um zwei Wohnhäuser im Genfer Vorort Plan-les-Oates. Die beiden nahezu identischen Baukörper bieten auf sechs und acht Stockwerken Wohnungen von überzeugender Qualität mit sorgfältig geplanten und ausgeführten Details. Alle tragenden Wände wurden aus Naturstein errichtet. Drei konzentrische Mauerringe strukturieren den Grundriss und bilden die Treppenhäuser, die inneren Wohnungsabschlüsse und die Aussenwände.

Tragende Wände aus Naturstein zählen zu den ältesten Techniken des Massivbaus, dennoch ist diese Bauweise in der Neuzeit mit der Entwicklung des Ziegelsteins und des Stahlbetons fast vollständig verschwunden. Dabei ist das Material aufgrund seiner Dichte eine hervorragende Speichermasse. Nach Auffassung der Jury schuf das Team Perraudin zwei bemerkenswerte Baukörper mit klassischer Formensprache, guten Wohnungszuschnitten und einem hervorragendem Raumklima. Da die Steine auch in den Wohnungen sichtbar sind, entstanden ungewöhnliche, aber intuitiv vertraute und behagliche Räume.

Wohnhaus aus Naturstein

Quelle: Atelier Archiplein_@Leo Fabrizio

Das Besondere an an diesem Bau ist die Konstruktion: Alle tragenden Wände wurden aus Naturstein errichtet.

Revitalisierung von Monte 

Zu guter Letzt wurde der Publikumspreis verliehen. Die Leserinnen und Leser der Schweizer Baudokumentation prämierten das Projekt «Sieben Eingriffe in Monte» in Castel San Pietro von «studioser Architects». Das Team revitalisierte Monte beispielhaft und bewies das soziale Potenzial von Architektur. Zudem ist das Projekt ein vorbildliches Exempel für das Bauen im ländlichen Raum. Das Büro hat den Bestand sorgfältig analysiert und kleine und grosse Spuren der Geschichte aufgespürt. Die Massnahmen verbessern die Aufenthaltsqualität mehrerer Plätze durch Sitzgelegenheiten und Brunnen. Beeindruckend ist dabei die effiziente Ökonomie der Mittel. Die kleinen Eingriffe im Dorf sind spielerisch und sprechen verschiedene Generationen an. So dient beispielsweise ein neuer Handlauf an einer Treppe gleichzeitig als Stütze für ältere Menschen und als Kugelbahn für Kinder. (cet)

Sieben Eingriffe in Monte

Quelle: Sven Högger

Beim beliebten Arc -Award-Publikumspreis hat sich das Tessiner Projekt «Sieben Eingriffe in Monte» gegen 56 Mitbewerberprojekte der Shortlist durchgesetzt.

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