14:02 VERSCHIEDENES

Verkehrshaus Luzern: Das Gotthardbahnmodell ist zurück

Geschrieben von: Simone Matthieu
Teaserbild-Quelle: zvg

Das Gotthardbahnmodell ist wieder im Verkehrshaus Luzern: Frisch restauriert und mit neuen Details wie dem Gotthardbasistunnel versehen. In über 12'000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit sorgte ein Team dafür, dass das Kultmodell den Fans wieder ein originalgetreues Bahnerlebnis bietet.

Gotthardbahnmodell Verkehrshaus Luzern

Quelle: zvg

Zurück im Verkehrshaus Luzern: Das neue Gotthardbahnmodell.

Endlich! Das Gotthardbahnmodell steht wieder an seinem angestammten Platz im Verkehrshaus Luzern. Hier hatte es sechzig Jahre lang Gross und Klein erfreut. Bis 2020 die Schienenhalle, in der die Anlage stand, abgerissen und zu einer Mehrzweckhalle umfunktioniert wurde. Vier Jahre war das Bauwerk, das den Verlauf der Nordrampe vom Bahnhof Erstfeld bis zum Naxberg-Tunnel zeigt, an verschiedenen Orten ausgelagert – zuletzt im bernischen Bleienbach. Der Transport war eine knifflige Sache: Weil sich das Modell nicht auseinander nehmen liess, wurde eigens eine Transport-Holzkiste mit den Ausmassen 6×15×4 Meter angefertigt.

Beinahe hätten die Fans des Gotthardbahnmodells noch zehn weitere Jahre warten müssen, um das Meisterwerk wieder zu Gesicht zu bekommen: Die Halle, in der es nun steht, wird nämlich 2033 ebenfalls renoviert. Dies erzählt Emil Galliker von den Rothenburger Eisenbahn Modellbau Freunden (REMF). Er ist der Chef eines 20-köpfigen Teams aus Mitgliedern der REMF und der Eisenbahn- und Modellbaufreunde Luzern (EMBL). Galliker hat mit Techniker Joe Fessler das Konzept für die Neuerstellung ausgearbeitet, das in über 12'000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden umgesetzt wurde. Die EMBL hatte die ursprüngliche Anlage in den Jahren von 1957 und 1959 in rund 30'000 Stunden Freizeitarbeit erstellt – unter grossem Zeitdruck, um rechtzeitig zur Eröffnung des damals neuen Verkehrshauses Luzern fertig zu sein.

Emil Galliker beim Restaurieren einer Brücke

Quelle: zvg

Beim Restaurieren einer Brücke mussten Emil Galliker und seine Kollegen bis zu Tausend Teile neu zusammenlöten.

Modell-Werkstatt Gotthardbahnmodell

Quelle: zvg

Überall stehen noch Utensilien herum für die Fertigstellung des Gotthardbahnmodells.

Wie ein Sackmesser aufgeklappt

«Die Frage war: ‹Überlebt das sechzig Jahre alte Modell eine weitere Einlagerung über eine weitere Dekade?›», führt Galliker aus. «Wir waren der Meinung: ‹Nein›. Deshalb steht die überarbeitete Anlage jetzt schon wieder im Verkehrshaus.» Um den unausweichlich kommenden, erneuten Umzug und allgemein den Transport des Riesenmoduls zu vereinfachen, wurde die einst U-förmige Anlage in der Mitte zerschnitten und wie ein Sackmesser aufgeklappt. Nun misst die Anlage 31,5 Meter in der Länge und 3,5 Meter in der Breite. «Das war keine einfache Geschichte. Statt ein Stück sind es nun drei Module plus ein Kommando- und Wendemodul mit der PC-Steuerung. So ist es einfacher, das Modell auseinanderzunehmen und zu befördern», sagt Galliker.

Die Vorgabe des Verkehrshauses, Altes an der Anlage zu erhalten, stellte die Modellfreunde vor Herausforderungen. So mussten sie etwa Brücken mit bis zu tausend Teilen auseinandernehmen und originalgetreu wieder zusammenbauen – die Lötstellen hielten nicht mehr. Während der vielen Jahre im Verkehrshaus hatte das Modell eine Menge Staub angesetzt. Es wurde abgewaschen, jeder einzelne Baum herausgenommen, entstaubt, mit Haarspray fixiert und an der ursprünglichen Stelle wieder eingesetzt. «Das werden wir in Zukunft wohl alle zwei Jahre machen müssen», meint Galliker. Ein «Putzzug» sorgt dafür, dass die Geleise regelmässig gereinigt werden.

Vieles musste nicht nur entstaubt, sondern erneuert werden. So stellten die Modellbauer die Beleuchtung des gesamten Modells auf LED um. Bei vielen Häusern sowie der Kirche von Wassen mussten die Fenster neu eingeklebt werden. Ersatz mit der Struktur von Kirchenglas zu finden, sei eine knifflige Aufgabe gewesen, weiss Galliker. Zudem läutet nun regelmässig eine Kirchenglocke.

Ebenfalls kaputt war das Material, das Wasserbereiche darstellte. Hier fand Galliker mit Epoxidharz eine geeignete Alternative, auf dessen Entdeckung er sichtlich stolz ist. Trotz der Auflage «Altes erhalten» gibt es neue Objekte: So fügten die Modellbauer die Luftseilbahn Intschi-Arnisee, die Burgruine Zwing-Uri und die SAC-Leutschachhütte hinzu. Die Ende der 1980er-Jahren fertiggestellte Autobahn liess man bewusst weg, weil es sie zum Zeitpunkt der Erstellung des Modells noch nicht gab.

Digitalisiertes Zugsystem Gotthardbahnmodell Verkehrshaus Luzern

Quelle: Simone Matthieu

Emil Galliker zeigt das neue digital gesteuerte Zugsystem.

Zugsteuerung digitalisiert

Die Oberleitungen, die anfangs den Strom für die Eisenbahnen lieferten, wurden zwar erneuert, haben heute aber keine Funktion mehr: Der «Pfupf» kommt nun von den Schienen und ist digital gesteuert. Mit einem eigens für Modelleisenbahnen erstellten Computerprogramm kann man den gewünschten Verlauf der Züge steuern. Dies sieht der Besucher auf der Rückseite des Modells, zusammen mit sechs Schattenbahnhöfen. Hinter diesen liessen die Modellbauer die Sicht frei auf die ursprüngliche, alte Konstruktion des Gotthardbahnmodells: Das Holzgestell, auf das ein Gittergeflecht gelegt wurde, das bereits in die richtige Form gezogen war. Darauf wiederum wurden Stoffstreifen gelegt, die mit einem speziellen Modellbaugips überzogen und danach angemalt wurden. Um eine bessere Perspektive auf das ganze Werk zu haben, führt neu eine begehbare Passerelle für Besucher über das Modell.

Auf den Gotthardbasistunnel wollte man trotz dem «Alten bewahren» nicht verzichten. Er fährt durch eine durchsichtige Röhre an der Vorderseite des Modells entlang. Zudem gibt es eine Absperrung zwischen Publikum und Modell – zu viel wurde in der Vergangenheit stibitzt: Etwa das schwarze Auto, das kurz nach Wassen in einer Kurve in einen Unfall «verwickelt» ist. «An dieser Stelle gab es tatsächlich in der Realität viele Unglücksfälle», weiss Emil Galliker. «Der hier dargestellte Vorfall mit den Unfall-, Kranken- und Polizeiwagen wurde authentisch nachgebildet – anhand echter Polizeifotos.»

Noch ist die Anlage nicht fertig. Überall liegen Leimtuben, feine Zangen und kleine Kartonkisten voller Bäume herum. Auch die Besucher sollen mithelfen dürfen, dem Gotthardbahnmodell den letzten Schliff zu geben: Etwa indem sie einen der bisher nicht existenten Laubbäume basteln und platzieren. Die Modellbauer gehen mit Elan und Freude an ihre Arbeit. «Wir sind wie Buben», meint Galliker lachend. «An Weihnachten muss sicher auch ein Christbaum hin, der leuchtet.»

Anlieferung Gotthardbahnmodell Verkehrshaus Luzern

Quelle: zvg

Das neue Modell wurde Ende November ins Verkehrshaus geliefert. Einweihung ist im Sommer 2025.

Neues Gotthardbahnmodell Verkehrshaus Luzern

Quelle: zvg

Zuschauer bewundern das neue Modell im Verkehrshaus.

Nachbauen der Realität

Für Emil Galliker bedeutet der Bau am Gotthardbahnmodell die Königsklasse. «Das ist das grösste Element, an dem ich je mitgebaut habe», sagt der 70-Jährige erfreut. Seit er ein kleiner Junge gewesen sei, habe er jeden Franken in eigene Modelleisenbahnen gesteckt. «Insgesamt habe ich elf Anlagen gebaut.» Die Faszination, im Verkehrshaus aktiv zu sein, sei das detailgetreue Nachbauen der Realität. «Und der Mythos Gotthard hat natürlich seinen eigenen Reiz, etwas ähnlich Verlockendes wäre nur noch das Albulatal.» Für seine privaten Bauten taucht er in eine Fantasiewelt ein, die er für sich aufleben lässt – gespickt mit realen Bauten wie dem Landwasserviadukt der Rhätischen B ahn oder dem Bahnhof Luzern dessen aktuellen Kopfbahnhof er zu einen Durchgangsbahnhof umgestaltet hat. Seine «Madame» Zuhause habe ihm sogar erlaubt, seine Anlage statt im Keller in einem Zimmer der Wohnung unterzubringen.

Was den Rentner etwas betrübt, ist der fehlende Nachwuchs beim Modellbauen. «Schauen Sie sich mal hier um, wir sind alle Senioren.» Seine Enkel seien zwar, als sie noch klein waren, beeindruckt gewesen von Grossvaters Werk. Das Interesse habe allerdings über die Jahre nachgelassen.

Nun werden noch Anpassungen vorgenommen und die komplette Inbetriebnahme vorbereitet. «Wir haben uns eine eigene Vorgabe gesetzt: Bis Weihnachten muss alles laufen», verrät Galliker. Ab Januar 2025 wird die Anlage dann vollständig betriebsbereit sein. Die definitive Einweihung des Gotthardbahnmodells findet am 18.Juni 2025 im Rahmen der Eröffnung der neuen Ausstellung «Bahnerlebnis Schweiz» statt.

Damit ist die Arbeit von Gallikers Team jedoch nicht vorbei. Wie schon früher werden die Modellbauer auch jetzt im Turnus einmal pro Woche den Unterhalt der Anlage sichern, Kontakte und anderes flicken. «Anfangs sind wir aber sicher täglich vor Ort.» Wenn Galliker wünschen dürfte, würde er den vier Elementen ein fünftes oder sechstes hinzufügen: Die Südrampe nach Biasca. «Die Gotthardbahn-Route besteht ja nicht nur aus der Nordrampe.» Vielleicht wird ein solches Unterfangen während der nächsten Auslagerung 2033 ja Wirklichkeit.

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