Unterirdischer Klimawandel: Erhitzt sich der Boden, leiden die Bauten
Weil sich der Boden wegen der vom Klimawandel verursachten häufigeren Hitzeperioden aufheizt, kommt es im Untergrund dicht bebauter Städte zu Wärmespannungen. Sie gefährden Fundamente, Versorgungsleitungen und unterirdische Verkehrswege. Davor warnt ein Forschungsteam um Alessandro Rotta Loria aus dem Bereich Umwelttechnik der Northwestern University in Chicago/Evanston.
Quelle: Sebastian Arroyo, Unsplash
Chicagos heisser Untergrund: das Gebiet um den Willis Tower.
Im Grund unter dem Stadtteil Loop von Chicago haben die Wissenschaftler während über drei Jahren mit einem Netz aus 150 Sensoren die Temperatur gemessen und analysiert. Dabei zeigte sich, dass der Boden im von Hochhäusern geprägten Quartier - hier befindet sich zum Beispiel der 108 Stockwerke hohe Willis Tower - etwa zehn Grad wärmer ist, als der Grund eines benachbarten Parks.
«Keller, Parkhäuser, Tunnel und Züge geben kontinuierlich Wärme ab», erklärt Rotta Loria. Aber auch die Fundamente der Gebäude leiten Wärme in den Untergrund. Der Forscher spricht von einem unterirdischen Klimawandel respektive unterirdischen Wärmeinseln. Dieses Phänomen kann schwerwiegende Folgen haben: Weil verschiedene Untergründe unterschiedlich auf diese Hitze reagieren, können sie sich bewegen und die darauf stehenden Gebäude in Mitleidenschaft ziehen. Wie die Untersuchungen zeigten, senkt sich der Untergrund in manchen Bereichen um bis zu zwölf Millimeter ab.
«Der Lehmboden von Chicago kann sich zusammenziehen, wenn er erhitzt wird, wie viele andere feinkörnige Böden auch», führt Rotta Loria aus. Damit kommt es bei vielen Fundamenten in der Innenstadt langsam, aber kontinuierlich zu unerwünschten Setzungen. «Mit anderen Worten: Man muss nicht in Venedig wohnen, um in einer Stadt zu leben, die sinkt - auch wenn die Ursachen für solche Phänomene ganz andere sind», so Rotta Loria.
Es dauert lange bis die Schäden sichtbar werden
Quelle: Alessandro Rotta Loria / Northwestern University
Schematische Darstellung des Untergrunds von Chicago bzw. im Quartier Loop.
Weil sich der Boden allerdings relativ langsam absenkt, können die Auswirkungen auf Bauten zwar schlimm sein, aber es dauert lange, bis die Schäden sichtbar werden. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass der unterirdische Klimawandel bereits Risse und übermässige Fundamentsetzungen verursacht hat, die wir nicht mit diesem Phänomen in Verbindung gebracht haben, weil wir uns dessen nicht bewusst waren», sagt Rotta Loria. Es sei nicht so, dass ein Gebäude plötzlich zusammenbreche. Eine Gefahr sieht er vor allem für ältere Bauten aus Steinen und Ziegeln.
Rotta Loria rät, bei Projekten geothermische Technologien einzubeziehen, indem die Abwärme in die Gebäude geleitet und sie dort fürs Heizen verwendet wird. «Bei neuen aber auch bei bestehenden Gebäuden könnte auch eine Wärmedämmung zum Einsatz kommen, um die in den Boden eindringende Wärmemenge zu minimieren.» Am effektivsten und zweckdienlichsten erachtet er es, unterirdisch Bauten so isolieren, dass ihre Abwärme so gering wir möglich ausfällt. «Ist dies nicht möglich, können geothermische Technologien helfen, die Wärme in Gebäuden effizient zu absorbieren und wiederzuverwenden. Allerdings sollten keine Technologien eingesetzt werden, die die unterirdischen Strukturen aktiv kühlen, weil dies Energie verbraucht.» (mai/mgt)
Hier geht es zur ausführlichen Pressemitteilung: https://www.mccormick.northwestern.edu