Studie: Über 160 Subventionen schaden der Biodiversität
Der Bund, die Kantone und die Gemeinden subventionieren biodiversitätsschädigendes Verhalten in Milliardenhöhe. Schweizer Forschende haben insgesamt 162 Subventionen identifiziert, die die Artenvielfalt beeinträchtigen.
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Blumenwiese, Symbolbild.
Zerschnittene, verschmutzte und zerstörte Lebensräume: Die
Hälfte aller Lebensraumtypen und ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sind
hierzulande gefährdet. Gleichzeitig beziffern sich die
biodiversitätsschädigenden Subventionen auf mindestens vierzig Milliarden
Franken pro Jahr.
Das berechneten Forschende der Eidgenössischen
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und des Forums für
Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) in einer
Studie, die sie am Montag den Medien präsentierten.
Verbilligung erhöht Verbrauch
Unter den Subventionen, die die Artenvielfalt bedrohen,
fassten die Studienautoren jene zusammen, die durch Verbilligungen den
natürlichen Ressourcenverbrauch erhöhen und Lebensräume sowie die darin lebende
Artenvielfalt beispielsweise durch Bodenversieglung, Lärmemissionen oder
Überdüngung beeinträchtigten.
Die Subventionen betreffen vor allem den Verkehr, die
Landwirtschaft, die Energieproduktion und die Siedlungsentwicklung. Sie
umfassen neben direkten Zahlungen auch Mindereinnahmen etwa durch
Steuerreduktionen sowie externe Kosten wie Umweltschäden.
Viele Subventionen schwierig zu beziffern
Die ermittelte Subventionssumme gelte als Untergrenze, wie
die Erstautorin Lena Gubler von der WSL im Gespräch mit der Nachrichtenagentur
Keystone-SDA sagte. Denn ein Drittel der identifizierten Subventionen könne
nicht quantifiziert werden.
Indes birgt ein Drittel sogenannte innerökologische Konflikte: «Eine Subvention mit einem umweltförderlichen Ziel kann biodiversitätsschädigende Nebeneffekte haben», erklärte Gubler. Als Beispiel nannte sie die Kleinwasserkraft, die die Gewässerbiodiversität beeinträchtigt. Zudem wirken einige Subventionen je nach Umsetzung schädigend oder fördernd.
Quelle: WISOZ / WSL
Die Erschliessung von neuen Grundstücken zerschneidet gemäss der WSL noch ungestörte Lebensräume.
Befreiung von CO2-Abgabe
Eine weitere laut den Forschern problematische Subvention
betrifft den Pendlerabzug. Zudem sind Treibstoffe von der CO2-Abgabe und
internationale Flüge zusätzlich von der Mehrwertsteuer befreit. Ein Beispiel in
der Landwirtschaft gilt dem Basisbeitrag: Dessen Höhe ist für extensiv
bewirtschaftete Flächen gemäss den Autoren nur halb so hoch wie für intensiv
bewirtschaftete Flächen.
Energieintensive Unternehmen wie etwa die Zement- und
Stahlindustrie erhalten Vergünstigungen bei der CO2-Abgabe, kostenlose
Emissionszertifikate und sind vom Netzzuschlag befreit. Andere Subventionen
fördern Wohneigentum.
40 Prozent der Subventionen abschaffen
Die identifizierten Subventionen seien auch ökonomisch ineffizient, sagte Gubler. Verursachen sie zunächst Schäden, so brauche es für deren Behebung oft weitere öffentliche Mittel. Ebenso braucht es weitere öffentliche Mittel für die Biodiversitätsförderung, die bis zu einer Milliarde pro Jahr beträgt. Und gemäss dem Bundesamt für Umwelt nehmen die Kosten zu: In dreissig Jahren dürften die Verluste der Ökosystemleistungen rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen oder geschätzte 28 Milliarden Franken.
Die Autoren empfehlen vierzig Prozent der Subventionen abzuschaffen. Damit sprechen sie vor allem die Steuererleichterungen und Vergünstigen an. Zudem solle die Hälfte der Subventionen umgestaltet werden – etwa indem sie an Biodiversitätsrichtlinien geknüpft oder zeitlich befristet gewährt werden. Dazu hat sich die Schweiz bis 2020 mit der Biodiversitätskonvention sowie der nationalen Biodiversitätsstrategie verpflichtet. «Ein Abbauplan fehlt jedoch bisher», sagte Gubler. Die Studie liefere nun eine Arbeitsgrundlage. (sda/pb)