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Studie: Die letzte Eiszeit hat das Aare- und Gürbetal verbreitert

Teaserbild-Quelle: Hadi, wikimedia, gemeinfrei

Geologen der Uni Bern haben nachgezeichnet, wie die Gletscher der letzten zwei Eiszeiten den Felsuntergrund zwischen Thun und Bern formte. Die Gletscher der «Riss»-Eiszeit frassen sich demnach tief ins Grundgestein, während die «Würm»-Eiszeit die Täler verbreiterte.

Blick aufs Gürbetal

Quelle: Hadi, wikimedia, gemeinfrei

Blick aufs Gürbetal: Die Forscher konnten zeigen, dass unter der heutigen Talsohle eine 155 Meter tiefe, sogenannte Übertiefung liegt. Dieses «verborgene Tal» ist heute mit Geröll und Seeablagerungen zugeschüttet.

Grosse Eiszeiten treten auf der Erde etwa alle hunderttausend Jahre auf. Im Alpenraum stiessen die Gletscher etwa während der «Riss»-Eiszeit vor zwischen 200'000 und 150'000 Jahren weit ins Mittelland vor und prägten die Gestaltung der Landschaft, wie die Universität Bern in einer Mitteilung schreibt. Das gleiche geschah während der «Würm»-Vereisung vor zwischen 100'000 und 20'000 Jahren, als mehrere kleinere Eisvorstösse und insbesondere die grossen Gletscher vor 20'000 Jahren zu einer weiteren Veränderung der Landschaft führten. 

Diese Eismassen haben laut der Universität aber nicht nur die Hügel und Berge abgeschliffen: Sie führten auch zur Bildung von mehreren 100 Meter tiefen Tälern und Schluchten – den sogenannten Übertiefungen. Diese wurden nach dem Rückzug der Eismassen mit Geröll und Schutt zugedeckt, weshalb sie unter der heutigen Oberfläche verborgen sind. 

Gletscher verbreiterten Aare- und Gürbetal 

Die Stadt Bern ist auf einem solchen unterirdischen Talsystem gebaut. Das gleiche ist gemäss Mitteilung auch beim Aare- und Gürbetal der Fall. Dort liegt der Felsuntergrund bis zu 200 Meter unter der heutigen Talsohle verborgen. Welche Talform haben also die beiden grossen Vereisungen hinterlassen? Haben sie eine steile Flanke und einen U-förmigen Querschnitt, oder sind sie eher V-förmig mit flach einfallenden Flanken? 

Diese Fragen konnten nun in einer Studie unter der Leitung des Instituts für Geologie der Universität Bern beantwortet werden, heisst es. Die Forscher konnten darin nachweisen, dass die Gletschererosion während der «Riss»-Vereisung vor allem zu einer Vertiefung dieser Übertiefungen führte. Ebenfalls konnten sie aufzeigen, dass die Gletscher der letzten grosse Vereisung vor 20'000 Jahre diese Täler nicht weiter vertieften, sondern verbreiterten. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift «Scientific Reports» publiziert. 

Übertiefungen mit Schweremessungen bestimmen 

Die Übertiefungen wurden nach ihrer Bildung mit Moränen, Schotter und Seeablagerungen gefüllt. Da diese locker gelagert sind, haben sie eine geringere Dichte und sind rund 20 Prozent leichter als der sogenannte Molassefels, der die Übertiefungen an den Seiten begrenzt. Dieser Unterschied kann gemäss Mitteilung mit einem sogenannten Gravimeter bestimmt werden. Dieser misst die Erdbeschleunigung am Messpunkt, die von der Dichte des Untergrundes abhängt. 

«Diese Geräte sind sehr fein justiert, so dass auch nur geringste Abweichungen in der Dichteverteilung erfasst werden können», erklärt Professor Fritz Schlunegger, der die Studie zusammen mit Professor Edi Kissling von der ETH Zürich, initiiert hat, in der Mitteilung. Durchgeführt wurde die Arbeit von Dimitri Bandou, im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Geologie der Universität Bern. 

Kühe vor Gravimeter

Quelle: zvg

Feldarbeit mit ungewohnten Zaungästen: Das für die Forschung verwendete Gravimeter wurde neben einer Kuhweide installiert. Die Kühe wissen wahrscheinlich nicht, dass unter ihnen ein verborgenes Tal liegt.

Für die Studie führten die Forscher quer durch das Gürbe- und Aaretal Schweremessungen durch. Dabei konnte das Team auf ein Gravimeter des Bundesamts für Landestopografie swisstopo zurückgreifen. Sie konnten nachweisen, dass unter beiden Tälern Übertiefungen liegen, die mit Geröll und Seeablagerungen zugeschüttet sind. Im Gürbetal ist dieses «verborgene Tal» etwa 155 Meter tief, im Aaretal ist die Übertiefung mindestens 100 Meter tiefer. 

Dass unter beiden Tälern solche Übertiefungen liegen, war gemäss Mitteilung schon vorher dank Sondierungsbohrungen bekannt. Mit den Schweremessungen habe man aber zum ersten Mal aufzeigen können, dass die Flanken dieser Übertiefungen zum Teil vertikal und ihre Solen flach verlaufen, erklärt Schlunegger. Damit konnte der Nachweis einer U-förmigen Geometrie erbracht werden. «Diese Übertiefungen wurden also durch Gletscher gebildet.»

Übertiefungen aus zwei Stockwerken aufgebaut 

Die Schweremessungen zeigten ebenfalls, dass die Übertiefungen aus zwei Stockwerken aufgebaut sind. «Im oberen Bereich sind die Flanken der Übertiefungen deutlich flacher als in der Tiefe. Damit ist der obere Bereich breit und flach, und der untere Teil ist schmal und tief», erklärt Studien-Erstautor Dimitri Bandou. Die Forscher führen diese spezielle Geometrie gemäss Mitteilung auf die Abtragung der Gletscher während eines älteren und eines jüngeren Eisvorstosses zurück. 

«In der geologischen Vergangenheit gab es mehrere Eisvorstösse, auch im Raum Bern», so Bandou. Eine sehr grosse Vereisung fand während der «Riss»-Eiszeit statt. «Die Gletscher dieser Eiszeit waren grösser und dicker als das Eis während der letzten Eiszeit vor zwischen 100'000 und 20'000 Jahren», erläutert der Forscher. Wegen der grossen Dicke konnten also die «Riss»-Gletscher den Felsen in die Tiefe abtragen. Die jüngeren «Würm»-Gletscher, welche weniger mächtig waren, führten vor allem zu einer Verbreiterung, aber nicht zu einer weiteren Vertiefung dieser Übertiefungen. 

Dimitri Bandou und Fritz Schlunegger

Quelle: zvg

Links: Dimitri Bandou ist Doktorand am Institut für Geologie der Universität Bern und hat die Studie durchgeführt. Rechts: Fritz Schlunegger ist Professor für Exogene Geologie am Institut für Geologie der Universität Bern und hat die Studie initiiert.

Mechanismen noch nicht verstanden 

Wieso Gletscher Übertiefungen bilden, könne die Forschung noch nicht erklären. «Im Gegensatz zur Talbildung durch Flüsse können wir die erosive Wirkung der Gletscher und insbesondere die Bildung der Übertiefungen immer noch nicht mit dem Computer simulieren», erklärt Schlunegger in der Mitteilung. Dafür würden detaillierte Informationen über die Felsoberfläche und insbesondere über die Flanken von solchen Übertiefungen fehlen. 

«Gletscher erodieren nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite, und deshalb liefern Talflanken diagnostische Informationen, damit das Wirken der Gletscher besser verstanden wird», so Schlunegger. Die Studie dürfte zu einem besseren Verständnis führen, wie Gletscher die Landschaft formen. (mgt/pb) 

Die Forschungsresultate sind gemäss Mitteilung das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen der Universität Bern und der ETH Zürich. Das Projekt wurde vom Bundesamt für Landestopografie swisstopo, der Stiftung Landschaft und Kies, der Gebäudeversicherung Bern sowie vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt. 

Zur Mitteilung der Universität Bern: www.unibe.ch
Zur Studie in der Fachzeitschrift «Scientific Reports»: www.nature.com

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