Stromverbrauch mit Künstlicher Intelligenz steuern
Am Abend werden oft viele Elektrogeräte gleichzeitig eingeschaltet. Das führt zu Lastspitzen, aus denen hohe Netznutzungskosten resultieren. Forscher der Hochschule Luzern haben mit künstlicher Intelligenz eine Lösung entwickelt, um diese enormen Belastungen zu glätten.
Quelle: Judith Wirth/iHomeLab
Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, eine zu hohe Belastung des Stromnetzes zu vermeiden. Auch dann, wenn viele stromintensive Geräte wie Wäschetrockner gleichzeitig eingeschaltet sind.
Durch die Arbeit sind tagsüber immer weniger Menschen zu Hause. Das führt dazu, dass vor allem in den frühen Abendstunden – am Feierabend – viele Elektrogeräte gleichzeitig eingeschaltet werden. Es wird geduscht, gekocht, der Fernseher eingeschaltet oder ein E-Fahrzeug aufgeladen. Diese zeitgleiche Aktivierung der Geräte erzeugt enorme Netzbelastungen, wie die Hochschule Luzern in einer Mitteilung von Donnerstag schreibt.
Bis zu 60 Prozent der Netznutzungskosten für die Energieversorgungsunternehmen (EVUs) berechnen sich aus diesen Lastspitzen. Dementsprechend besteht ein grosses Interesse daran, diese Hochzeiten zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Dafür braucht es aber Hintergrundwissen zur Nutzung: Wann muss stromhungrigen Geräten wie Wärmepumpen zwingend Strom zugeführt werden? Und wann ist dies nicht unbedingt nötig? Dadurch könnten zeitliche Spielräume erkannt und genutzt werden, um Lastspitzen zu senken oder zu glätten.
Um dies zu erreichen, braucht es aber ein intelligentes und effizientes Energie- und Last-Management, mit dessen Hilfe Energie verschoben werden kann, erklärt Andrew Paice, Leiter des iHomeLab der Hochschule Luzern in der Mitteilung. Vor diesem Hintergrund hat ein Team des iHomeLab und des Kompetenzzentrums Thermische Energiespeicher der HSLU gemeinsam mit den Partnern ASGAL Informatik GmbH, Semax AG und dem Elektrizitätswerk Vilters-Wangs einen System-Prototypen entwickelt. Dieser unterstützt EVUs mit Hilfe von künstlicher Intelligenz beim Lastmanagement.
Kurzfristig mehr Energie brauchen
Zur Deckung des grösseren Bedarfs am Abend soll die überschüssige Energie, die tagsüber beispielsweise aus Photovoltaik oder anderen erneuerbaren Quellen produziert wird, kurzfristig gespeichert werden. – Ohne, dass zusätzliche Speicher eingebaut werden müssen. Boiler, Wärmepumpen oder E-Mobile könnten zu diesem Zweck genutzt werden, wie die HSLU weiter mitteilt. Bei Grossverteilern wie Kühlhäusern gibt es hierfür bereits Lösungen: Wird hier überschüssige Energie produziert, können sie etwas stärker gekühlt werden. Anschliessend wird die Kühlung wieder reduziert und die Energie steht somit andernorts zur Verfügung.
Das Team der Hochschule Luzern und seine Forschungspartner entwickelten eine Lösung, dank der auch Ein- und Mehrfamilienhäuser oder Gewerbebetriebe in ähnlicher Weise genutzt werden können. Zum Beispiel wird der Boiler bei Bedarf auf die maximale Temperatur gebracht und so als Pufferspeicher genutzt. Das Projekt konzentrierte sich auf Häuser mit Wärmepumpen, weil Elektrizitätswerke auf diese mit einer kleinen Anpassung zugreifen und sie entsprechend steuern können.
Bessere Energie-Nutzung dank Künstlicher Intelligenz
Um Lastspitzen auf diese Weise zu senken oder zu glätten, müsse aber zuerst einmal erhoben werden, wo überhaupt Wärmepumpen installiert sind und wo Photovoltaik generiert wird. Diese Informationen sind den Elektrizitätswerken nur zum Teil bekannt. Die schwierigere Frage war laut HSLU jedoch: Wie gross ist der zeitliche Spielraum zum Senken und Glätten der Lastspitzen, ohne dass die Nutzer einen Komfortverlust spüren, weil die Wohnung unangenehm kühl oder das Wasser zu kalt wird?
Für die Beantwortung der beiden Schlüsselfragen machten sich die Forscher die zunehmende Digitalisierung der Stromverteilnetze mit Smart Meter zunutze, mit denen die Elektrizitätswerke den Stromverbrauch für die Rechnung ablesen. Diese Daten stünden zwar zur Verfügung, doch daraus das benötigte Thermische Modell eines Gebäudes zu berechnen, sei sehr komplex. Deshalb griff das Team auf Künstliche Intelligenz zurück.
Die Algorithmen analysieren dabei die Smart-Meter-Daten und identifizieren aus dem gesamten Stromverbrauch einzelne stromverbrauchende Geräte wie Wärmepumpe, Boiler oder E-Mobil und stromproduzierende Geräte wie Photovoltaikanlagen, erklärt Andrew Paice. Dabei würden wertvolle Informationen über die Verbraucher ermittelt, wie beispielsweise ihre maximale Leistungsaufnahme, die Ein- und Ausschaltdauer sowie der Energieverbrauch pro Tag. Werden diese Daten mit Temperatur- und Wettervorhersagen kombiniert, liessen sich laut Paice auch Prognosen zum Energieverbrauch an einem bestimmten Tag erstellen.
Netzkosten einsparen ohne zusätzliche Investitionen
Durch die Projektresulate würden sich neue Möglichkeiten für die Projektpartner ASGAL Informatik GmbH und die Semax AG ergeben: Dank der automatischen Identifizierung von Stromverbrauchern und der Berechnung ihres so genannten Lastverschiebepotentials können sie EVUs eine Dienstleistung anbieten, die ihnen hilft, Netzkosten einzusparen, ohne dass zusätzliche Investitionen in ihre Verteilnetze notwendig werden.
Für die Verbraucher bedeute die Neuerung keinen Komfortverlust. Sie müssten auch keine zusätzlichen Informationen offenlegen, denn die Auswertung erfolge ausschliesslich anhand der Standarddaten von Smart Metern und ohne zusätzliche Hardware-Installation. Die Daten werden zudem automatisch mit den sich verändernden Umständen in den Gebäuden synchronisiert. Somit könne im Einklang mit der Energiestrategie 2050 ein Mehrwert für Elektrizitätsversorgungsunternehmen und Gebäudeeigentümer generiert werden. (mgt/pb)
Zur Mitteilung der Hochschule Luzern (HSLU): www.hslu.ch