09:00 VERSCHIEDENES

Rosmarie Baltensweiler: Ein Leben für das Licht

Geschrieben von: Claudia Porchet (cet)
Teaserbild-Quelle: Siegfried Zingg

Baltensweiler-Lampen sind schön und teuer. Kaum jemand dürfte indes wissen, dass Rosmarie Baltensweiler, die Frau des Firmengründers, das Design der Lampen entschieden vorangetrieben und mitgeprägt hat.

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Quelle: Siegfried Zingg

Die berühmte Leuchte «Pentarkus» von Baltensweiler aus dem Jahr 1961.

Baltensweiler gehöre zu den Unternehmen, um welche die Welt die Schweiz beneide, bemerkt die Jury des Schweizer Design-Preises 2017/18. «Die neue Stehleuchte ‹FEZ› kombiniert modernste Lichttechnik mit klassisch anmutender Form und begeistert durch Energieeffizienz, Mechanik, Detaillösungen», so die Jury.

Der Name Baltensweiler steht für siebzig Jahre Schweizer Leuchtdesign, formale Ästhetik, technische Qualität und für ein erfolgreiches Familienunternehmen mit Sitz in Luzern. Rico Baltensweiler war das Gesicht der Firma. Entscheidend mitgeprägt wurde das Design der Leuchten aber auch durch dessen Frau, Rosmarie Baltensweiler. 

Und endlich wird die Frau hinter den Kulissen gewürdigt. Das Buch, «Rosmarie Baltensweiler. Design leben», ist nicht nur eine Monografie mit einem vollständigen Werkverzeichnis, sondern auch eine grosse, umfangreiche Biografie. Die Autorinnen und Autoren haben aus dem reichhaltigen Firmen- und Familienarchiv geschöpft und viele Texte, darunter auch Tagebuchauszüge, sowie lange Bildstrecken publiziert.

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Quelle: Alfred Wepf

Rosmarie Baltensweiler im Atelier beim Verfertigen einer Lampe.

Vermittelt werden in diesem schön und aufwändig gemachten Band nicht nur die Entwicklung des Leuchtdesigns von Rosmarie Baltensweiler, sondern auch die Hintergründe der Produkte und der Firma. Gleichzeitig erhalten die Leserinnen und Leser einen Einblick in die Lebensgeschichte und den Freundeskreis der vielfältigen Gestalterin.

Das Buch zeigt auch, in welch unkonventionellem Lebensumfeld sich Rosmarie Baltensweiler bewegte und wie sie eine Unternehmenskultur prägte, in der die Lust am Entwickeln und Gestalten stets im Vordergrund stand. Wir lernen hier eine hochbegabte Designerin, Denkerin, Tüftlerin, Unternehmerin und Mutter von vier Kindern mit hellwachem Geist, grossem Wissensdrang, handwerklichem Können und verspielter Experimentierfreude kennen, die allerdings fast Zeit ihres Lebens im Hintergrund blieb. 

Ein Wurf: «Type 600» 

 Alles begann mit der Suche nach einer passenden Lampe für die gemeinsame Wohnung: 1950 grasten die junge Innenarchitektin Rosmarie und ihr Mann, der Elektroingenieur Rico Baltensweiler, die Geschäfte nach einer modernen Leuchte für ihre Wohnung ab und fanden nichts, was ihnen gefiel. So entwarfen sie kurzerhand selbst ein Modell: eine schlichte, filigrane Leuchte. Mit ihrem schwarzweissen Kopf, dem schweren Metallfuss, den schlanken Chromstangen und sechs Bewegungsachsen liess sich die Lampe in alle Richtungen recken und strecken. 

Für die Gestalterin, Innenarchitektin Unternehmerin und Mutter von vier Kindern gab es keine Trennung von Arbeiten, Leben und Freizeit. Alles war eins. Ihr Chalet im luzernischen Ebikon war Atelier, Produktionsstätte und zuhause in einem. Die Baltensweilers führten ein offenes Haus, Designer wie Willy Guhl und Architekten gingen ein und aus. Dabei fiel ihnen die neue Leuchte auf, die Zeitlosigkeit mit dem Stil der 1950er-Jahre verband. 

Aus dem schlichten, aber raffinierten Einzelstück wurde bald eine Kleinserie für Freunde. Es folgten eine Bestellung vom Möbelhaus Wohnbedarf, eine Erwähnung in der Zeitschrift «Bauen + Wohnen» und 1954 eine Abbildung auf dem Titelblatt des Warenkatalogs des Schweizerischen Werkbunds. Daraufhin wurde das internationale Einrichtungsgeschäft Knoll auf die Leuchte – die inzwischen den Namen «Type 600» bekommen hatte – aufmerksam und nahm diese in sein Sortiment auf. 1956 stattete Le Corbusier eine Musterwohnung mit einer «Type 600» aus, und ein Jahr später wurde die Lampe in die Sammlung des Münchner Designmuseums aufgenommen.

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Quelle: Peter Ammon

Mit der Leuchte «Type 600» aus dem Jahr 1951 machte das Ehepaar Baltensweiler Furore.

Die «Type 600» spielte auch im Film «Mon Oncle» (1958) von Jacques Tati eine Rolle. Der tolpatschige Monsieur Hulot, den die damals moderne Technik im Film vollkommen überforderte, nutzte die «Type 600» als Garderobenständer, was der Lampe jedoch nicht schadete, im Gegenteil, sie wurde noch bekannter. Heute zählt sie zu den Designklassikern.

Nachhaltig: die «Halo 250» 

«Wir haben immer auf die Vereinfachung hingearbeitet», erklärt Rosmarie Baltensweiler die Formensprache ihrer Leuchten. Dies war jedoch nicht nur ein ästhetisches Ideal. «Es war auch abhängig davon, was technisch möglich war, was wir überhaupt produzieren konnten.» Einer der wichtigsten Impulse waren für das kleine Familienunternehmen die Umweltkatastrophen der frühen 1970er-Jahre. Die weltweite Ölkrise rückten Fragen der Nachhaltigkeit ins Zentrum. Rosmarie und Rico Baltensweiler waren sich dieser Problematik bewusst und entwickelten 1972 daraufhin die Leuchte «Halo 250».

Die universale, lichtstarke und zeitlose Lampe war ein grosser Erfolg. Der Reflektor war vielseitig einstellbar und höhenverstellbar, was es ermöglichte, Licht für verschiedene Zwecke zu erzeugen: von gedimmtem Stimmungslicht über gerichtetes Arbeitslicht bis zur indirekten Raumausleuchtung im Wohn- und Arbeitsbereich. Das schlichte Design, die Verwendung hochwertiger Materialien und die flexible Verstellbarkeit machten diese Leuchte zu einem Klassiker. «Vom schlichten, eleganten Design her sei ‹Halo› von 1972 ihre Lieblingsleuchte», gesteht Rosmarie Baltensweiler in einem Interview. 

HALO 250

Quelle: Louis Brem

Rosmarie und Rico Baltensweiler waren sich der Umweltproblematik bewusst und entwickelten 1972 die nachhaltige Leuchte «Halo 250».

Fluoreszenzlampe «Aladin» 

Mit der «Halo 250» brachten sie das für die Autoindustrie entwickelte, sparsamere Leuchtmittel Halogen in den Heimbedarf. Aus einem ähnlichen Anliegen heraus entstand 1984 die Leuchtserie «Manhattan» (inspiriert von den leuchtenden Hochhäusern), welche die im Wohn- und Bürobereich damals noch wenig verwendete Fluoreszenzlampe salonfähig machte. Eine weitere Neuerung, die Fluoreszenz-Kompaktlampe führte 1987 zum Design der Stehleuchte «Aladin». 

Angetrieben von Rosmaries Pionierarbeit wagte das Unternehmen 2007 schliesslich den Schritt in die LED-Technologie. Technik hat die Designerin nie abgeschreckt. In ihren Entwürfen hat sie sich stets neuen technischen Anforderungen gestellt, das Licht jedoch nie aus den Augen verloren, schreibt Edith Arnold. «Wir waren uns der Nachteile der Fluoreszenzröhre damals schon bewusst», erinnert sich Rosmarie. «Sie gibt ein nebliges Licht ab. Eines, das nicht aus einer Quelle kommt und keine Richtung hat. Doch wir sind das Sonnenlicht gewöhnt. Das ist das, was für uns behaglich ist. Wir wollen keinen Nebel.» 

Design ist integrativ und vielfältig 

Rosmarie Baltensweiler wurde 1927 in Bremgarten als Rosmarie Schwarz geboren. Sie bildete sich an der Kunsthochschule aus, anschliessend absolvierte die Innenarchitektin und Designerin im Architekturbüro von Max Bill in Zürich Praktika. Der Einfluss des Bauhauses blieb zeitlebens bestehen, wovon die Schlichtheit und Zeitlosigkeit ihrer Arbeiten zeugen. Die kommunikationsbegabte, lebendige Frau verstand Design als integrativ und vielfältig. Als «Asketin der Gestaltung – voll im Leben» beschreiben ihre Kinder sie im Buch. 

Zusammen mit Ehemann Rico Baltensweiler (1920–1987) gründete Rosmarie 1951 in Ebikon ein bis heute international erfolgreiches Kleinunternehmen. Als Rico 1987 unerwartet verstarb, übernahmen Sohn Gabriel und Tochter Karin wichtige Aufgaben in dem Familienbetrieb. Die Gestalterin zog sich ab 2013 langsam zurück. Noch 1985, wenige Monate vor Ricos Tod, zeichnete ihn die Stadt Luzern mit dem Kunstpreis aus. Seine Frau wird mit keinem Wort erwähnt, weder in der Laudatio noch in den Medien. Niemand interveniert. Rosmarie, die ihr ganzes Leben im Hintergrund verbrachte, störte sich nicht daran.

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Quelle: Guido Gallati

Erstes Atelier der Baltensweilers am Bad auf der Reuss 1970.

Die späten Jahre

Rosmarie Baltensweiler war eine wache Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stand. Dass ihre Umwelt sie etwas anging, war für sie selbstverständlich. Sie befasste sich mit ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Fragen, las Bücher und Zeitungen. Man könnte sich vorstellen, dass sie sich mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Covid-Pandemie genauso akribisch auseinandergesetzt hätte. 

2019, ein Jahr vor ihrem Tod, erhält sie vom Bund den Schweizer «Grand Prix Design». Mit 92 Jahren wurde die Designerin noch für ihre jüngste Stehleuchte «Irio» mit dem «Red Dot Award: Best of Best 2020» ausgezeichnet.

«Rosmarie Baltensweiler, was fasziniert Sie am Licht?», fragt Edith Arnold in einem Interview. «Mich fasziniert besonders das natürliche Licht. Dieses versucht man im privaten Umfeld ja wieder herzustellen. Dort kommt die eigene Inszenierung hinzu: Man kann einen Spot auf ein Bild richten, das wichtig ist. Tageslicht beleuchtet alles gleichmässig. Hat eine Lichtstimmung etwas ausgelöst? Es gibt kein spezielles Erlebnis, sondern viele Erlebnisse. Beispielsweise dieser Sonnenuntergang im Tessin: Von unten wurden die Wolken angeschienen, ein Verlauf von Tiefrot zu Lachsrot», antwortet die Designerin. 

Wie schafft Licht Atmosphäre, wie inszeniert eine Leuchte Licht und damit den Raum? Rosmarie Baltensweiler hat sich zeitlebens mit dieser Frage beschäftigt. Sie hat sich mit Formen, Helle und Materialien auseinandergesetzt und nie aufgehört, Leuchten neu zu definieren und zu gestalten.

Buchtipp

«Rosmarie Baltensweiler. Design leben».
Herausgegeben von Gabriel, Karin, Steffie Baltensweiler und Mirjam Fischer. Mit Texten von Edith Arnold, Jörg Boner, Meret Ernst, Martina Kammermann und Eveline Rutz. Zürich: Verlag Hochparterre, 2023. 268 Seiten. 530 Bilder.

www.baltensweiler.ch


Geschrieben von

Redaktorin Baublatt

Claudia Porchet ist Philologin und interessiert sich für Architekturgeschichte, Kunst am Bau und Design. Ebenso begeistern sie neue Forschungsresultate aus allen Bereichen. Zudem ist sie für die Kolumnen zuständig und steht deshalb in Kontakt mit allen grossen Verbänden.

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