Mobility Pricing im Feldversuch: Bepreisung führt zu Verhaltensänderung
Müssen Verkehrsteilnehmer für die Kosten ihrer Mobilität aufkommen, ändern sie ihr Verhalten. Dies legt ein Pricing-Experiment nahe, das ein Forschungsteam der Universität Basel, der ETH Zürich und der ZHAW mit 3700 Personen durchgeführt hat.
Quelle: Alexander Popov/unsplash
Mobility Pricing dürfte zu einer deutlichen Reduktion der volkswirtschaftlichen Kosten führen. Darauf deutet das achtwöchiges Feldexperiment hin. (Symbolbild)
Die Mobilität verursache eine Reihe von Kosten, welche die einzelnen Verkehrsteilnehmenden nicht selber bezahlen müssen, schreibt die Universität Basel in einer Mitteilung von Montag. Zu diesen externen Kosten gehören etwa durch Schadstoffe verursachte Schäden an Umwelt und Gesundheit, Kosten für die Infrastruktur, aber auch Zeitverluste, die durch Stau entstehen. In der Schweiz beliefen sich diese Kosten im Jahr 2017 laut Mitteilung auf über 13 Milliarden Franken.
Ein Ansatz, um diese volkswirtschaftlichen Kosten zu reduzieren, bestehe darin, sie nach dem Verursacherprinzip zu verrechnen. Dass dies technisch möglich sei und den gewünschten Effekt erziele, habe nun ein Feldversuch gezeigt, schreibt die Universität in ihrer Medienmitteilung. Rund 3700 Personen in städtischen Agglomerationen der Romandie und der Deutschschweiz haben an der 2019/2020 durchgeführten Studie teilgenommen. Sie soll laut den Wissenschaftlern die weltweit grösste ihrer Art sein.
Tägliche Fahrten mit App erfasst
Der Feldversuch wurde im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) von einem Team der Universität Basel, der ETH Zürich sowie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) durchgeführt. Die Teilnehmer erklärten sich dazu bereit, ihre täglichen Fahrten während acht Wochen mit einer App auf ihrem Smartphone zu erfassen. Diese zeichnete die Distanzen sowie die verwendeten Verkehrsmittel auf. Auf dieser Basis berechnete das Projektteam daraufhin die externen Kosten pro Fahrt.
Nach vier Wochen wurden die Probanden zufällig in drei Gruppen eingeteilt: in eine Informations-, eine Pricing- und eine Kontrollgruppe. Die Informationsgruppe erhielt eine wöchentliche Übersicht über die verursachten externen Kosten, sowie Tipps, wie sich diese reduzieren liessen. Die Pricing-Gruppe erhielt die gleichen Informationen, die externen Kosten wurden ihnen aber von einem individuellen Transportguthaben abgezogen – mit der Aussicht, dass ihnen der eingesparte Betrag am Ende der Studie ausbezahlt wird. Die dritte Gruppe diente der Kontrolle und erhielt nichts dergleichen.
Verhaltensänderung reduziert Kosten
Der Vergleich der Pricing-Gruppe mit der Kontrollgruppe habe gezeigt, dass die Bepreisung und der damit verbundene finanzielle Anreiz zu einer signifikanten Reduktion der externen Kosten um 5,1 Prozent geführt habe, hält die Hochschule fest. Die Teilnehmer hätten ihr Verkehrsverhalten – trotz unveränderter zurückgelegter Gesamtdistanz – angepasst und die Kosten verringert, indem sie auf andere Routen auswichen, ihre Abfahrtszeit nach vorne verschoben oder andere Verkehrsmittel verwendeten. Diesen Effekt beobachteten die Forscher insbesondere bei jenen Personen, die die Definition von «externen Transportkosten» korrekt verstanden hatten.
Keine klaren Auswirkungen sahen die Forscher hingegen bei der Informationsgruppe. Bei dieser habe die Bereitstellung von Informationen unter dem Strich alleine nicht zu einem Rückgang der externen Kosten geführt. «Die Resultate zeigen, dass Verkehrs-Pricing technisch machbar ist und den gewünschten Effekt hat, nämlich die externen Kosten des Verkehrs für die Bereiche Gesundheit, Klima und Stau zu reduzieren», so Studienerstautor Beat Hintermann in der Mitteilung. Zudem gäbe es eine Reihe von Argumenten, die langfristig grössere Effekte erwarten liessen als in diesem achtwöchigen Experiment.
Pilotversuche zu Mobility Pricing
In einer Abschlussbefragung unter den Teilnehmern zeigte sich laut der Universität Basel zudem eine «tendenziell positive Akzeptanz» für eine Internalisierung der externen Kosten im Verkehr, je nach Verwendung der generierten Mittel. Gerecht umgesetzt, könnten Preisanreize im Verkehr somit laut den Studienautoren ein effektives Instrument sein um Verkehrsspitzen zu brechen und somit zu einem wichtigen Pfeiler einer nachhaltigen Verkehrspolitik werden.
Der Bundesrat schaffte im Februar 2021 die Grundlage, damit Kantone und Gemeinden ab 2024 Pilotversuche zu Mobility Pricing durchführen können. Das Gesetz soll auf zehn Jahre befristet sein und erlauben, neuartige Preissysteme zur Beeinflussung der Verkehrsnachfrage und des Mobilitätsverhaltens auf Strasse und Schiene zu erproben.
Während die SVP und der TCS ein Mobility Pricing, wie es der Bundesrat vorsieht, ablehnen, befürworten alle anderen grossen Parteien zumindest Pilotprojekte. (mgt/pb/sda)
Zur Studie: www.research-collection.ethz.ch