16:25 VERSCHIEDENES

Lanzarote behielt dank César Manrique seinen Charakter

Geschrieben von: Claudia Bertoldi (cb)
Teaserbild-Quelle: Claudia Bertoldi

Wer auf der nördlichsten der sieben Kanaren-Hauptinseln Ferien macht, kommt kaum um die Bekanntschaft mit einem besonderen Mann herum. Nicht persönlich, denn der Architekt und Künstler César Manrique kam 1992 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Doch sein Geist ist auf der rund 850 Quadratkilometer grossen Insel überall zu spüren.

Das “Monomento al Campesino” von César Manrique bei San Bartolome

Quelle: Edgar El_ CC BY-SA 3.0

Das “Monomento al Campesino” von César Manrique bei San Bartolome wirdmete der Künster den Bewohnern von Lanzerote, die in harter Arbeit die ungastliche Insel bewohnbar machten. Das 15 Meter hohe Denkmal besteht hauptsächlich aus miteinander verbundenen Wassertanks aus alten Fischerbooten.

Bereits am Flughafen, bei besonderen Sehenswürdigkeiten der Insel und fast an jeder Ortseinfahrt begrüsst den Reisenden ein symbolisches Kunstwerk von Manrique. Doch das sind wohl die kleinsten Details, die er auf seiner Heimatinsel hinterliess. Die karge Landschaft mit ihren weiten Lavafeldern und schwarzen Vulkanen, kleine malerische grüne Oasen sowie breite Sandstrände prägten den Architekten und Künstler in seinem Schaffen und der Wahrnehmung. Ihm ist es zu verdanken, dass Lanzarote sich von vielen begehrten Feriendestinationen, auch von den anderen Kanareninseln abhebt. Jährlich besuchen mehr als zwei Millionen Urlauber die Insel. Doch hier steht nicht eine Betonburg neben der anderen und verschandelt die Küste und das Landschaftsbild. Auf Lanzarote sind dank Manrique strenge Baunormen einzuhalten, für Private wie auch für den Tourismus. Diese orientieren sich am traditionellen Bauformen: Weiss getünchte Häuser mit grünen Fensterrahmen und Türen prägen das Bild. Maximal vier Etagen hoch darf gebaut werden.

Und so präsentieren sich alle Orte, egal ob Touristenhochburg, wie die Playa Blanca im Süden, die Costa Tequise und der Puerto del Carmen an der Ostküste sowie die Inselhauptstadt Arrecife, aber besonders die kleinen Orte im Landesinneren in einem schmucken, gepflegten und sehr angenehmen Bild.

Besonders deutlich wird das an Orten, wo er selber lebte oder die er gezielt für die Entwicklung des Tourismus mit aufbaute. Sie gehören heute zum Pflichtprogramm eines jeden kunst- und naturinteressierten Inselbesuchers.

Nach seinem Studium und längeren Arbeitsperioden in Madrid und New York kehrte Manrique 1967 nach Lanzarote zurück. Dies mit der Überzeugung, dass die Insel für ihn einer der schönsten Orte der Welt ist, den es zu erhalten galt. Immer mehr Touristen zog es damals auf Lanzarote. Der Architekt und Künstler erkannte sofort die Notwendigkeit einer gezielten Raum - und Bauplanung, um Natur und Kultur der Insel zu schützen. Für diese Pläne konnte er andere gewinnen, unter anderem einen alten Freund der Familie, Pepin Ramírez, der inzwischen Präsident der Inselregierung war. Manriques Plan sah vor, nur die traditionelle Bauweise Lanzarotes zuzulassen. Mehr als zweistöckige Bauwerke sollten nicht bewilligt werden, auch Werbeplakate sollten die Strassen der der Insel nicht verschandeln. 1968 sprach die Regierung sogar ein Verbot für Reklameanhäufungen aus.

Manrique selbst rührte persönlich die Werbetrommel für seine Ziele. Mit seinem kleinen roten Auto und auf dem Dach installierten Lautsprechern fuhr er über die Insel und hielt flammenden Reden vor den Bewohnern. Er wetterte gegen die Bauspekulanten und zog auch Anschläge gegen die entstehenden touristischen Betonbunker in Betracht. Sein Enthusiasmus wurde belohnt. Er konnte die Mehrheit der Bevölkerung vom traditionellen Architekturstil zu überzeugen.

Wandgestaltung Fondacíon César Manrique

Quelle: Claudia Bertoldi

Wandbild im Innenhof der Fondacíon César Manrique in der Nähe von Tahíche: Hier lebte der Künstler nach seiner Rückkehr aus Amerika.

Fondacíon César Manrique

Auf einem Ausflug in Tahíche entdeckte Manrique 1970 in der Nähe von Tahíche einen Feigenbaum, dessen grüne Spitze aus einem erstarrten schwarzen Lavastrom herausragte. Er entschloss sich, an dieser Stelle sein Wohnhaus zu errichten. Der Künstler entdeckte beim Bau des Hauses insgesamt fünf Lavahöhlen, die er ausbaute und zu verschiedenen Wohnräumen umgestaltete. Hier befindet sich seit 1982 der Sitz der Fondacíon César Manrique. Das Haus kann besichtigt werden. Neben der eindrücklichen Architektur sind seine Kunstwerke und Bilder anderer Künstler zu sehen. Auch der Feigenbaum schaut weiterhin aus seinem unterirdischen Versteck hervor.

Das Wohnhaus in Haría

1988 zog Manrique in ein von ihm wiederaufgebautes Bauernhaus in Haría. Hier fand er ausreichend Ruhe für seine Tätigkeit. Neben dem auf den Grundmauern des alten Gebäudes errichteten Wohnhauses kann auch das Atelier besichtigt werden. Alles scheint, als wäre der Künstler gerade abwesend. Nichts wurde verändert, die Pinsel liegen an der Stelle, wo er sie liegenlies, seine Schuhe stehen vor dem Bett. Ein Video zeigt Rückblicke seines Lebens.

Aussicht auf die Inseln

1974 eröffnete Manrique das Mehrzweckkulturzentrum El Almacén in Arrecife als internationalen Treffpunkt für Kunstinteressierte. Die Kunstgalerie El Aljibe sollte Künstlern die Möglichkeit geben, ihre Werke erstmals auf Lanzarote auszustellen.

Ein weiteres Ziel, das auf dem Ausflugsprogramm nicht fehlen darf, ist die Fahrt zum Mirador del Rio im Norden der Insel. Der Aussichtspunkt wurde 1973 auf dem Famaragebirge errichtet und ermöglicht einen grandiosen Blick auf die vorgelagerten Inseln La Graciosa, Montana oder Alegranza. Es steht dort, wo Ende des 19.Jahrhunderts während des Konfliktes zwischen den USA und Kuba Geschütze standen. Jetzt ist es ein architektonisch reizvoller Aussichtspunkt 475 Meter über dem Meeresspiegel. Unter Mitwirkung von Jesús Soto und dem Architekten Eduardo Caceres schuf Manrique dieses Bauwerk in seinem ihm typischen Stil. Alle Räume sind rund, auch der Parkplatz, die Aussichtsplattform und die Treppen. Die Räume sind in den Felsen integriert und hängen mittels einer Brüstung quasi über dem Abgrund. Zuoberst gelangt man auf die Aussichtsplattform.

Wo einst die Lava floss

Keine zehn Autominuten entfernt lohnt sich ein weiterer Stopp. An einer Strassenkreuzung zwischen Orzola und Arrieta muss man sich entscheiden, ob man links oder rechts abbiegen will. In beiden Richtungen warten besondere Höhlen auf die Besucher. Beide gehören zu einen verzweigten, sieben Kilometer langen Höhlensystem vulkanischen Ursprungs, das vor Tausenden von Jahren beim Erstarren des Lavastrom entstand. Das gesamte System reicht vom Monte Corona über die begehbare Höhle Cueva de los Verde, die Jameos del Agua bis unter die Meeresoberfläche. Es ist das längste bekannte vulkanische Gangsystem der Welt.

Weisse seltene Krebse

Anfang der 1960er Jahre beschloss die Inselregierung den unteren Teil der Höhle Jameos del Agua, deren Decke teilweise eingestürzt war, in ein Zentrum der Kunst, Kultur und des Tourismus umzugestalten. Geleitet und entworfen wurde dieses Vorhaben von César Manrique. Die Anlage wurde 1966 eröffnet. Eine geschwungene, steile Treppe führt in die Grotte, von der man von einer Terrasse auf den unterirdischen See blicken kann. Der Wasserspiegel des Sees steigt und sinkt mit den Gezeiten. Noch einen Besonderheit wurde darin entdeckt: Hier lebt eine kleine weiße Krebsart, die sonst nur in ozeanischen Tiefen von über 2000Metern vorkommt. Weiter geht’s über bepflanzte Treppenanlage hinauf zum weißen Schwimmbecken. Das Becken wird von einem kleinen künstlich angelegten Wasserfall gespeist. Seltene und teils endemische Pflanzen wachsen rund um das Becken. Im daneben liegenden Haus der Vulkane werden die vulkanischen Vorgänge Lanzarotes und der Kanaren erklärt. Hinter dem weißen Becken liegt das Kernstück von Jameos del Agua, ein in die Grotte integrierter Konzertsaal mit etwa 600 Sitzplätzen, wo regelmässig Aufführung stattfinden.

Hinab in den erkalteten Lavastrom

Interessant ist auch der Besuch in der Nachbarhöhle Cueva de los Verde. In vergangenen Jahrhunderten diente das Grottensystem den Insulanern als Zufluchtsstätte, unter anderem bei Naturkatastrophen oder Piratenüberfällen. Rund einen Kilometer führt der Rundgang durch das Tunnelsystem aus zwei übereinander liegenden langen Röhren. Immer wieder kommen bizarre Lavaformationen in Sicht. Dann öffnet sich der Gang überraschend zu einem grossen Natur-Saal, der gelegentlich wegen der guten Akustik für Konzerte genutzt wird.

1420 verschiedene Kakteen

Guatiza war früher vor allem für seine Opuntienfelder bekannt. Sie bildeten die Grundlage für den Reichtum der Insel, denn auf ihnen wurde die Cochenille-Schildlaus gezüchtet, die den natürlichen, roten Farbstoff der Karminsäure liefert. Die Attraktion des Ortes ist heute der Kakteengarten Jardín de Cactus. Ein überdimensionaler Metall-Kaktus weist den Weg zum Eingang. 1989 begann Manrique, den Botanischen Garten inmitten der Opuntien in einen aufgelassenen Steinbruch anzulegen. Es war sein letztes grosses Werk vor seinem Tod. 1990 wurde der Jardín de Cactus eröffnet. Er ist terrassenförmig wie ein Amphitheater angelegt. In ihm gedeihen auf 5000Quadratmetern mehr als 10.000 Exemplare von 1400 verschiedenen Kakteenarten.

Manrique ist omnipräsent auf der Insel: Plastiken und Windspiele an den Strassenkreuzungen, Hinweisschilder mit seiner typischen Grafiken, Reproduktionen seiner farbenfrohen Bilder in den Restaurants. Jeder wichtige Ort hat sein eigenes, von Manrique geschaffenes Symbol. So thront über der Einfahrt zu den Feuerbergen, der Vulkankrater-Rundtour im Nationalpark Timanfara, ein frecher „Feuerteufel“. Selbst die Mietautos tragen seine Handschrift mit einem von ihm gestalteten Logo. So wie einst der Seat Ibiza mit dem bunten Design. Ein Exemplar parkt noch vor dem Museum in Haría.

Zur Person

César Manrique Cabrera wurde 1919 in der Inselhauptstadt Arrecife geboren. Hier wuchs er mit seinen Schwestern auf und besuchte die Schule. Auch auf den Kanaren, in La Laguna auf Teneriffa, absolvierte er sein Bauingenieur-Studium. Nach zwei Jahren brach er das Studium ab, um sich ausschliesslich der Kunst zu widmen, die ihn bereits als Kind und Jugendlicher begeistert hatte.

Inspiriert durch Zeitschriften, holt sich Manrique seine Anregungen in seiner Umgebungen, unter anderem in den Sommermonaten, die er mit der Familie in der Playa de Famara in einem kleinen Fischerdorf im Nordwesten der Insel, verbrachte. Der kilometerlange Strand und die dahinterliegende Steilküste mit den schnell wechselnden Wetterlagen und Farbenspiel gaben ihm Inspiration. Bereits 1942, im Alter von 23 Jahren, wurden seine Werke in einer Ausstellung in Arrecife gezeigt. Ab 1945 besuchte er die Kunstakademie in Madrid und schloss mit dem Meistertitel für Zeichnen und Malen ab. Schnell wurde er bekannt und zu einem international gefeierten Künstler. Seine Bilder wurden in Europa, Japan und den USA ausgestellt.

Zu dieser Zeit schloss Bekanntschaft mit anderen berühmten Künstlern und lernte seine spätere Frau Pepi Gomez kennen. Nach ihrem Tod im Jahr 1963 zog Manrique nach New York. 1968 kehrte er nach Lanzarote zurück, mit dem Ziel, die Insel „mit den endlosen Möglichkeiten, die Lanzarote zu bieten hat, zu einem der schönsten Orte der Welt zu machen“. Von diesem Zeitpunkt an war die Insel das „Atelier“ Manriques.

Geschrieben von

Ehemalige Redaktorin Baublatt

Claudia Bertoldi war von April 2015 bis April 2022 als Redaktorin beim Baublatt tätig. Ihre Spezialgebiete waren Architektur- und Technikthemen.

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