KOF-Konjunkturprognose: Schweizer Wirtschaft erholt sich
Auch dieses Jahr prägt das Coronavirus die Wirtschaftsentwicklung weltweit und in der Schweiz. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) prognostiziert, dass sie sich allmählich erholen wird und in der Schweiz im dritten Quartal wieder Vorkrisenniveau erreicht.
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Doch rosigiere Aussichten? Laut KOF ist die Wirtschaft insgesamt weniger stark von der zweiten Pandemiewelle getroffen als bis anhin befürchtet
Die Ende Dezember beschlossenen und im Januar verschärften Eindämmungsmassnahmen gingen nicht spurlos an der Schweizer Wirtschaft vorüber. In ihrem Basisszenario erwartet die KOF für das erste Quartal dieses Jahres einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP): Während es das Gastgewerbe abermals besonders treffen dürfte, zeigen sich die Industriefirmen widerstandfähig. Die KOF geht davon aus, dass sie ihre Produktion im ersten Quartal sogar werden steigern können.
Obwohl die Unterschiede zwischen den Branchen und innerhalb einzelner Branchen gross sind, ist die Wirtschaft gemäss KOF insgesamt weniger stark von der zweiten Pandemiewelle betroffen als bisher befürchtet.
Gesamtwirtschaftliche Erholung ab zweitem Quartal
Ab dem zweiten Quartal erwartet die KOF eine gesamtwirtschaftliche Erholung. Diese sollte auch dem Arbeitsmarkt Auftrieb geben und einen Aufbau der Beschäftigung zur Folge haben. Für dieses Jahr geht die KOF von einem BIP-Wachstum von 3.0% aus und korrigiert damit ihr Prognose-Update vom Februar um knapp 1 Prozentpunkt nach oben. Die stärksten Wachstumsimpulse kommen aus den Sektoren Industrie und Staat sowie aus den konsumentennahen Dienstleistungen. Für das Jahr 2022 erwartet die KOF einen BIP-Zuwachs von 2.8%, was einer Abwärtsrevision von knapp 1 Prozentpunkt entspricht. Gemäss Basisszenario erreicht das Schweizer BIP das Vorkrisenniveau bereits im dritten Quartal dieses Jahres.
Impfkampagnen helfen der Wirtschaft
Im ersten Quartal 2021 erwartet die KOF eine leicht rückläufige Entwicklung der Weltwirtschaft. Während im vierten Quartal 2020 die positiven Impulse aus Ostasien und den USA für das globale BIP prägend waren, geht die KOF in ihrem Basisszenario davon aus, dass im ersten Quartal dieses Jahres das negative Wachstum des Euroraums das internationale Umfeld aus Schweizer Sicht dominieren wird.
Ab dem zweiten Quartal dürften die in vielen Ländern angelaufenen Impfkampagnen zu einem Abbau der nicht pharmazeutischen Massnahmen führen und, flankiert von fiskalischen Anreizprogrammen, eine weltwirtschaftliche Erholung einleiten.
Moderate Inflation, steigende Staatsschulden
Die Inflationsprognose der KOF verschiebt sich wegen des höheren Erdölpreises, des leicht nachlassenden Frankenkurses und der etwas günstigeren Einschätzung der Wirtschaftslage nach oben. Für dieses Jahr rechnet die KOF mit einer durchschnittlichen Inflation von 0.3% und für nächstes mit 0.4%. Die Staatsschulden im Verhältnis zum BIP dürften gemäss KOF im 2021 auf knapp über 30% (nach Maastricht-Berechnungsweise) ansteigen, was in etwa der Schuldenquote von vor zehn Jahren entspricht. - Schweizer Schuldenquote ist damit allerdings im internationalen Vergleich noch immer recht tief.
Privater Konsum gewinnt an Schwung
Anfang dieses Jahres blieb die Entwicklung des privaten Konsums geschwächt. Er beginnt sich erst ab dem zweiten Quartal wieder zu erholen, so die Annahme der KOF, und dürfte dabei Ende 2021 das Vorkrisenniveau erreichen. Der Staatskonsum wird auch in diesem Jahr aufgrund von pandemiebedingten Mehrausgaben auf einem hohen Niveau verbleiben und dadurch positiv zum Wachstum beitragen, während kommendes Jahr aber wieder mit einer Reduktion der Staatsausgaben zu rechnen sein dürfte. Nach starken, pandemiebedingten Schwankungen im vergangenen Jahr dürften die Ausrüstungsinvestitionen im laufenden Jahr wieder Auftrieb erhalten.
Zwar hemmen die Eindämmungsmassnahmen und die
Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie im ersten Halbjahr des
laufenden Jahres die Investitionstätigkeit der Unternehmen noch. Ab der zweiten
Jahreshälfte werden die Ausrüstungsinvestitionen jedoch wieder zunehmen. Die
KOF geht zudem davon aus, dass der Schweizer Aussenhandel mit Waren und
Dienstleistungen wieder an Fahrt gewinnen wird.
Drei Alternativszenarien
Auch weiterhin herrscht eine grosse Unsicherheit über den Pandemieverlauf. Dies wiederum schlägt sich auch in den derzeitigen Konjunkturprognosen nieder. Die KOF präsentiert darum zusätzlich zum Basisszenario drei Alternativszenarien für die Schweizer Konjunktur:
- Für das internationale Negativszenario stellen
Fiskalmultiplikatoren, die geringer als im Basisszenario ausfallen, ein
Abwärtsrisiko dar. In diesem Szenario wird erwartet, dass das globale BIP im
ersten Halbjahr 2021 stagniert und ab dem dritten Quartal eine träge
verlaufende Erholung einsetzt.
Ein ungünstigerer Verlauf der internationalen Konjunktur hat auch Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft. Hier ist zu erwarten, dass insbesondere die exportorientierte Industrie besonders hart getroffen sein wird. Für dieses Jahr erwartet die KOF in diesem Negativszenario in der Schweiz einen BIP-Anstieg von 2.4%, also 0.6 Prozentpunkte unter dem Basisszenario. Dadurch entsteht im Vergleich zum Basisszenario ein Wertschöpfungsverlust von 4.2 Mrd. Fr. Im kommenden Jahr dürfte das BIP-Wachstum weiterhin unterhalb des angenommenen Wachstums des Basisszenarios liegen, was zu zusätzlichen Kosten von 7.4 Mrd. Fr. führen wird.
Zudem präsentiert die KOF zwei Szenarien, welche sich auf das Geschehen in der Schweiz fokussieren. Die Entwicklungen des internationalen Umfelds gleichen jenen im Basisszenario.
- Im Positivszenario wird davon ausgegangen wird, dass die
nicht pharmazeutischen Massnahmen schneller als im Basisszenario auf das Niveau
vom Sommer 2020 gesenkt werden. Die Fallzahlen steigen zwar an, schnellen aber
nicht massiv in die Höhe und machen somit keine erneuten Massnahmen notwendig.
Dadurch ist die Wirtschaft in diesem Szenario weniger eingeschränkt als im
Basisszenario. Für das laufende Jahr erwartet die KOF in diesem Szenario ein
BIP-Wachstum von 3.1%, was leicht über dem Wert des Basisszenarios liegt.
- Im Gegensatz dazu steigt das Infektionsgeschehen im
Schweizer Negativszenario im Vergleich zum Basisszenario so stark an, dass es
ohne erneute Massnahmen zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt. Dies
kann auf eine Kombination aus raschen Lockerungen und einer schnellen
Ausbreitung der stärker ansteckenden Virusmutationen zurückgeführt werden. Für
die Schweizer Wirtschaft bedeutet dies eine Jahreswachstumsrate von 2.7%, also
0.3 Prozentpunkte unter dem Basisszenario, was einer Wertschöpfungseinbusse von
2.2 Mrd. Fr. entsprechen würde.
Prognoserisiken: Die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist
stark vom Fortgang der COVID-19-Pandemie geprägt, welche die grösste
Risikoquelle für die Prognose darstellt. Neben den in den Szenarien
beschriebenen Entwicklungen könnten erneute Eindämmungsmassnahmen zu einer
Konkurswelle führen, was kurz- und mittelfristige Auswirkungen auf die
Wirtschaft haben könnte. Eine neue Virusvariante, die noch ansteckender ist als
die bisher bekannten Viren, stellt ein weiteres Risiko dar. Ein Aufwärtsrisiko
für diese Prognose könnte eine schnellere und effizientere Produktion und
Verteilung der Impfstoffe als erwartet sein.