Kernfusion: Nach 20 Jahren weiterer Weltrekord
Unterwegs zum Fusionskraftwerk: In der weltgrössten Fusionsversuchsanlage JET im südenglischen Culham ist ein Weltkrekord aufgestellt worden, es konnten Plasmen mit 59 Megajoule Energieausbeute erzeugt werden.
Quelle: UKAEA
Das Innere des JET-Reaktors, wo es zehn Mal so heiss wie im Zentrum der Sonne werden kann.
Die Fusionskraftwerke sollen dereinst nach dem Vorbild der Sonne die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium verschmelzen und auf diese Weise grosse Energiemengen freisetzen. Allerdings ist Tritium ein sehr selten vorkommender Rohstoff, der zudem besondere Anforderungen an die Handhabung stellt. Forschungsteams verwenden deshalb in der Regel Wasserstoff oder Deuterium für ihre Plasmaversuche. – In Fusionskraftwerken soll Tritium während der Energieerzeugung sozusagen nebenbei aus Lithium gebildet werden.
Die aktuell weltweit einzige Anlage, die mit Tritium arbeiten kann, ist das europäische Gemeinschaftsprojekt Joint European Torus (JET) im südenglischen Culham. Das Dorf dient der United Kingdom Atomic Energy Authority (UKAEA) seit den 1960er-Jahren als Standort für ihr Kernfusionsforschungszentrum. Im Laufe der Zeit ist das Zentrum kontinuierlich erweitert worden, unter anderem mit dem 1983 in Betrieb gegangenen JET.
Rekord mit 59 Megajoule Gesamtenergie und 11 Megawatt Leistung
Die letzten Experimente mit Tritium sind in Culham 1997
durchgeführt worden, die Resultate waren spektakulär: Damals setzten die
Fusionsreaktionen im JET während einer fünf Sekunden langen Phase eine
Plasmaentladung von knapp 22 Megajoule Energie in Form von Neutronen frei; In
der Einheit Leistung (Energie pro Zeit) ausgedrückt, erreichte JET eine
Leistung von 4,4 Megawatt im Durchschnitt über fünf Sekunden. Mit dem aktuellen
Rekordexperiment konnten diese Wert massiv übertroffen werden: Die Fusionsreaktionen
setzten während fünf Sekunden 59 Megajoule an Energie frei, die Leistung lag
bei etwas mehr als 11 Megawatt.
Hinter dem Experiment steht das Konsortium „EUROfusion“, das sich aus Fusionsforschungseinrichtungen in Ländern der EU und der Schweiz zusammensetzt. Mit dabei ist unter anderem auch die ETH Lausanne.
Hilfreich für die Arbeit am ITER
Solche Resultate kommen auch der Entwicklung des ITER zu
Gute, respektive dem Versuchsreaktor, der zurzeit im südfranzösischen Cadarache
gebaut wird. Er soll dereinst – ebenfalls mit Deuterium-Tritium-Brennstoff – zehn Mal so viel Energie freisetzen können, wie an Heizenergie ins Plasma eingespeist
wird.
„Die Physik in Fusionsplasmen können wir sehr gut erforschen, indem wir
mit Wasserstoff oder Deuterium arbeiten, deshalb ist das der Standard
weltweit“, erklärt Athina Kappatou vom deutschen Max-Planck-Institut für
Plasmaphysik (IPP), die mit ihren Kollegen Philip Schneider und Jörg Hobirk
wesentliche Teile der europäischen Gemeinschaftsexperimente am JET geleitet hat.
Für den Übergang zum internationalen Fusionsgrossexperiment ITER sei es wichtig,
dass man sich auf die dort herrschenden Bedingungen vorbereite. (mai/mgt)
Internettipps und Dokumente zum Thema
- Das Baublatt unterwegs im ITER: Artikel vom 13. Januar 2020, Der grösste Fusionreaktor der Welt
- Mehr über JET auf www.euro-fusion.org
- Kernfusion erklärt auf www.kernenergie.ch
- Grafik zum JET und EUROfusion der ETH
Video zum JET von EUROfusion.