In Kanada wird eine Wasserstoff-Grossanlage gebaut
Wasserstoff könnte zum Schlüsselelement für die Energiewende werden, weil er sich auf vielfältige Weise nutzen lässt. Im kanadischen Varennes will der Energieversorger Hydro-Québec eine entsprechende Grossanlage errichten. Am Bau beteiligt sich auch ein europäisches Unternehmen.
Quelle: Empa
An der Empa in Dübendorf wurde 2015 die schweizweit erste Wasserstofftankstelle in Betrieb ge-nommen. Mittlerweile ist ein nationales Tankstellennetz im Aufbau.
Ausgangspunkt für die Nutzung des Energieträgers bildet die Elektrolyse, bei der Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt wird. Doch bis anhin wird das Gas für Anwendungen in grösserem Massstab vor allem aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Bei der Methanreformierung entstehen erhebliche Mengen an Treibhausgasen, weshalb von grauem Wasserstoff gesprochen wird. Momentan macht sogenannt grüner Wasserstoff noch einen geringen Prozentsatz der weltweiten Produktion aus.
Mit Blick auf die
Dekarbonisierung ist es daher das Ziel, grauen durch grünen Wasserstoff zu
ersetzen. Ökologisch nachhaltig ist Wasserstoff, der Brennstoff der Sterne,
erst dann, wenn er beispielsweise mittels Photovoltaikanlagen oder mit Hilfe
von elektrischer Energie aus Wasserkraft hergestellt wird. Im kanadischen
Québec, wo rund 70 Prozent der Treibhausgasemissionen aus fossilen
Energiequellen stammen, wird daher die Produktion von umweltverträglicherem
Wasserstoff vorangetrieben.
Hohe Investitionen in Grossanlagen
Der staatseigene Energieversorger Hydro-Québec wird in Varennes bei Montréal eine Wasserelektrolyseanlage mit einer Leistung von 88 Megawatt bauen und dafür laut Angaben rund 200 Millionen Dollar investieren. Mit einem jährlichen Ausstoss von rund 11100 Tonnen Wasserstoff und 88000 Tonnen Sauerstoff handelt es sich um eine der weltweit leistungsstärksten Anlagen ihrer Art. Bauen wird die Wasserelektrolyseanlage das zum Industriekonzern Thyssenkrupp gehörende Unternehmen Uhde Chlorine Engineers.
Der grüne Wasserstoff wird als Vergasungsmittel in der
geplanten Biokraftstoffanlage Recyclage Carbone Varennes (RCV) verwendet. Dort
werden nicht recycelbare Abfälle alternativ zur Entsorgung auf einer Deponie in
Biokraftstoffe umgewandelt, genutzt wird auch der Sauerstoff. Die RCV-Biokraftstoffanlage
wird für schätzungsweise 680 Millionen Dollar auf einem benachbarten Grundstück
gebaut.
Mit Wasserstoff fahren und heizen
Biokraftstoffe sollen dereinst fossile Brennstoffe in benzin- und dieselbetriebene Fahrzeugen ersetzen. Wasserstoff wird dann bei Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommen, zuerst bei Lastwagen und später vermutlich auch bei Autos. Klimaneutrale synthetische Kraftstoffe für den Luft- oder Seetransport können mit dem Gas hergestellt werden.
Zudem kann
nachhaltiger Wasserstoff bei bestimmten chemischen Prozessen wie der Methanol-
oder Ammoniakproduktion Verwendung finden und mittel- bis langfristig den
grauen Wasserstoff ersetzen. Durch die Kombination von Wasserstoff, der mit
Energie aus erneuerbaren Quellen produziert wird, lässt sich mit gebundenem
Kohlendioxid Erdgas (Renewable Natural Gas - RNG) synthetisieren, das übers
Gasnetz verteilt werden kann. Der aus erneuerbaren Energiequellen hergestellte
Wasserstoff ermöglicht auch die indirekte Elektrifizierung von Nutzungen
bestimmter industriellen Prozessen.
Energie in grossem Massstab speichern
Wasserstoff hat auch das Potenzial, um grosse Energiemengen
zu speichern. Dabei werden die Kapazitäten von Wasserkraftspeicher genutzt, um
kostengünstig Wasserstoff zu erzeugen. Denn die Speicherung von Energie ist in
den nächsten Jahrzehnten eine weitere Herausforderung. Der Umbau der
Energiesysteme wird notwendig, weil beispielsweise die Stromerzeugung mit
Windturbinen meteorologisch bedingt starken Schwankungen unterworfen ist. Damit
könnte der Energieträger einen Beitrag leisten zur Stabilisierung der
Stromnetze. Wasserstoff funktioniert dann als Puffer, um im Winter in
Spitzenzeiten die Nachfrage im Hauptnetz zu decken oder netzferne Systeme mit
Strom zu versorgen.
Wachstum mit neuen Anwendungen
Das Projekt wurde laut Angaben gemeinsam mit den Unternehmen
Enerkem, Shell, Suncor und Proman entwickelt. Hydro-Québec behält aber die
Mehrheit der Aktien. Beide Werke sollen Ende 2023 gleichzeitig in Betrieb
gehen. Die Voraussetzungen für die industrielle Produktion von grünem
Wasserstoff sind bei Hydro-Québec vorhanden. Mit 60 Wasserkraftwerken und einer
Gesamtleistung von 36700 Megawatt (MW) gehört das Unternehmen zu den grössten
Stromerzeugern Nordamerikas. Der kanadische Energieversorger will mit der
Entwicklung einer nachhaltigen Wasserstoffindustrie aber auch die Basis legen
für künftiges Wachstum.
Skaleneffekte nutzen
Der Blick auf die Vergangenheit zeigt immer wieder, dass es von vielen Faktoren abhängt, ob und wie schnell sich eine Technik mit einer Breitenwirkung durchsetzen wird. Umweltschonende Rohstoffe und Energieträger setzen sich in der Regel schneller durch, wenn sie in industriellem Massstab hergestellt werden können. Erst durch die Produktion grosser Volumen lassen sich dank verbesserter Kostenstruktur Skaleneffekte nutzen – auch zur Reduktion der Treibhausgasemissionen.