Hyperloop-Forschung in der Schweiz: Tüfteln für den Vakuum-Zug
Für mittlere Strecken soll dereinst ein ultraschneller Vakuum-Zug das umweltschädliche Flugzeug ersetzen. Ein Team von früheren ETH-Studierenden entwickelt dazu die Röhre für das neue Verkehrsmittel. Sie setzen dabei auf speziellen Beton, um die Infrastruktur möglichst ressourcenschonend errichten zu können.
Quelle: EuroTube
Visualisierung einer möglichen Hyperloop-Zukunft: Sie soll eine energieschonende Reise mit über 900 Stundenkilometern bringen.
Fast 50 Jahre ist es her, dass Schweizer Ingenieure ein Konzept namens «SwissMetro» ersannen. Die Idee damals: Die grossen Schweizer Städte sollten durch unterirdische Tunnels miteinander verbunden werden. In diesen würden Fahrzeuge mithilfe magnetischer Levitation und in einem stark reduzierten Luftdruck mit sehr hohen Geschwindigkeiten verkehren. Damals schätzte man die Fahrzeit von Zürich nach Bern auf noch zwölf Minuten.
Die Idee war damals bahnbrechend, wurde aber bald zugunsten anderer Bahnprojekte aufgegeben. Ein halbes Jahrhundert später ist sie aber wieder auf dem Tisch und wird diesmal von mehreren Teams in Europa weiterverfolgt: In der Schweiz wurde erst ein Verein und später eine Stiftung gegründet, um den «Hyperloop» seiner Realisierung näher zu bringen.
Und trotz neuem Namen wurde die ursprüngliche Idee wieder aufgegriffen: Hyperloop soll ein ultraschnelles Verkehrsmittel für Personen und Waren sein, bei welchem Magnetschwebebahnen in Vakuumröhren verkehren, angetrieben durch einen elektrischen Linearmotor. So sollen die Fahrzeuge trotz geringen Energieaufwand Geschwindigkeiten bis 900 Stundenkilometer erreichen. «Wir sind angetreten, über die Forschung in Infrastrukturtechnologien ein neues Verkehrsmittel zu etablieren», fasst es Steffen Hartmann zusammen, der Pressesprecher der Stiftung «EuroTube».
Quelle: Wikicommons
Das angedachte Streckennetz der Swissmetro, die bis jetzt bei einer Idee blieb. Hyperloop ist mit seiner Entwicklungsarbeit bereits in der Phase konkreter Entwicklung von Bauteilen.
Wettbewerb von Elon Musk
Die Initialzündung lieferte kein geringerer als Elon Musk: Er rief 2015 einen Wettbewerb für Studententeams aus: Diese sollten die perfekte Passagierkapsel, den «Hyperloop-Pod» für das futuristisch anmutende Verkehrssystem zu designen. Wobei es ihm ausdrücklich nicht darum ging, diesen Zug selber zu bauen: «Das machen andere Unternehmen später.»
Hintergrund: Die Auslastung der Verkehrssysteme wird immer grösser, womit auch der Bedarf an Transportleistungen steigt. Zugleich werden die Probleme der damit verbundenen Emissionen und des Klimawandels immer drängender. Der neue Highspeed-Zug soll deshalb vor allem im innereuropäischen Verkehr Entlastung bringen. Hartmann: «Gemäss einer Studie liessen sich so 60 Prozent der innereuropäischen Flüge ersetzen, mit der entsprechenden Entlastung für die Umwelt, aber auch für die Flughäfen.» Für interkontinentale Reisen und Transporte bleibt das Flugzeug das beste Verkehrsmittel, wenn es schnell gehen muss.
Und ein Transport mittels Hyperloop würde die Umwelt deutlich entlasten. Obwohl das Fahrzeug ähnliche oder sogar höhere Geschwindigkeiten erreicht als ein Flugzeug, braucht es wesentlich weniger Energie hierfür. Konkret wären es nach ersten Berechnungen nur 0,6 Megajoule pro Person und Kilometer, gegenüber 3,5 beim Flugzeug. Der Ausstoss an Kohlendioxyd betrüge 21 Gramm pro Person und Kilometer, knapp mehr als ein Zehntel dessen, was ein Flugpassagier an Abgasen verursacht.
Quelle: EuroTube
Fachsimpeln an einem Event: In Europa arbeiten mehrere Teams mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen an der Hyperloop-Idee.
Bewährte Systeme als Vorbild
Dabei stützt sich das Konzept auf eine Reihe von technischen Systemen, die bekannt und bewährt sind: Erste Prototypen einer Magnetschwebebahn, mit Namen Transrapid, wurden in Deutschland schon 1969 vorgestellt. Die Vakuum-Technologie ist der Industrie etabliert und bewährt, und auch elektrische Linear-Antriebe sind im Einsatz, zum Beispiel bei Aufzügen oder für den Katapultstart von Kampfjets auf Flugzeugträgern.
«Die Puzzlesteine sind da. Jetzt geht es darum, diese zu einem technischen Gesamtkonzept zusammenzusetzen», so Hartmann weiter. Wobei die Schweizer Stiftung sich auf ein einheitliches Infrastrukturdesign konzentriert: «Wir befassen uns nicht mit den Fahrzeugen, sondern mit dem Bau und Konzept der Infrastruktur. Wir wollen hier die Werkstoffe und Verfahren von Grund auf neu entwickeln, um die Röhren stabil, sicher und möglichst günstig zu errichten.»
Mit dem Bau von Fahrzeugen befassen sich andere Forschergruppen, unter anderem auch das «Swissloop»-Team der ETH Zürich. Zusammen mit einer dritten Organisation, der «Swissloop Tunneling» bilden die Drei die «Swiss Hyperloop Alliance», die in einem stetigen Austausch stehen und gemeinsame Events organisieren. Viele EuroTube-Mitarbeitende waren während ihrer Studienzeit zudem an der ETH beim Swissloop-Team.
Quelle: EuroTube
Ingenieure der Hyperloop-Stiftung inspizieren Bauteil. Man bedient sich wenn möglich an bestehenden Lösungen der Vakuum-Technologie.
Möglichst rasch Teststrecken bauen
Ziel der Forschenden des Hyperloop-Teams ist es, möglichst bald Teststrecken für das neue Transportsystem zu bauen. Zuerst soll in Dübendorf eine 120 Meter lange Röhre erstellt werden, bei welcher alle Systeme wie der Antrieb, das Vakuumsystem oder die Luftschleusen abgebildet werden. Geplant ist eine Röhre mit rund zwei Metern Durchmesser, während die endgültige Bahn in Röhren mit rund fünf Metern Durchmesser verkehren soll.
Damit wären benötigte Tunnelbauten deutlich kleiner als bei Eisenbahnen. Die Baueingabe für die Teststrecke in Dübendorf ist erfolgt. Die Hyperloop-Stiftung arbeitet dabei eng mit der vor Ort ansässigen Empa zusammen. «In einem zweiten Schritt wollen wir im Wallis eine Forschungsstrecke von drei Kilometern bauen, womit hier dann konkrete Tests mit hohen Geschwindigkeiten möglich wären.»
Für den Bau der Vakuumröhren hat man sich dabei bewusst gegen den Baustoff Stahl und für Beton entschieden. «Die Gründe sind vielfältig: Die Kosten sind dadurch deutlich tiefer, die Einsparmöglichkeiten beim Kohlendioxid sind dafür höher, und wir haben es mit einem lokalen Werkstoff zu tun, sind also nicht von langen Lieferketten und Herstellern in Übersee abhängig.»
Was den Verbrauch an Grauer Energie zur Erstellung des Hyperloop-Systems angeht, wurden Lifecycle-Analysen erstellt. Julian Ehwald, bei EuroTube für System-Design und Machbarkeitsstudien zuständig, erläutert: «Hyperloop schneidet in diesen Berechnungen ähnlich ab wie die herkömmliche Eisenbahn. Dies weil das System geringeren Flächenverbrauch und geringere Tunneldurchmesser erfordert und nicht zuletzt auch weil mit End-to-End-Fahrzeugen eine höhere Auslastung als die Eisenbahn erreicht werden kann.» Man schätzt heute Auslastungen von 80 Prozent und mehr. Gegenüber dem Flugverkehr bleibt die Bilanz auch mit Einrechnung der Grauen Energie wesentlich besser.
Quelle: EuroTube
Suche nach dem richtigen Dichtungsmaterial: Die Ingenieure suchen eine nachhaltige und bezahlbare Bauweise für die Infrastruktur des künftigen Vakuum-Zuges.
Umweltfreundlicher Beton
Eine wichtige Rolle bei der Energiebilanz spielt auch der verwendete Beton. EuroTube arbeitet eng mit den Eberhard Unternehmungen zusammen und will deren Entwicklung, den umweltfreundlichen Beton «Zirkulit» nutzen. Dieser nutzt als erster zirkulärer Beton grosse Mengen an rezykliertem Rückbaumaterial, wodurch Zement eingespart wird. Dazu lässt sich im feinporigen Material zusätzliches Kohlendioxid binden, was das Endprodukt noch umweltschonender macht.
Patrick Eberhard hatte das neue Produkt im Herbst 2021 vorgestellt: «Es handelt sich um den ersten zirkulären Beton der Schweiz, mit maximaler Zirkularität, maximalem Einsatz von Sekundärrohstoffen und Senkung des Kohlendioxidausstosses.» Die Emissionen von zirkulit werden dabei in drei Schritten reduziert. Als erstes ging man zurück auf den Mindestgehalt an Zement gemäss Norm, als zweites verwendete man nur CO2-armen Zement, als drittes entwickelte man eine neue zertifizierte Speichertechnologie für das Kohlensäuregas.
Für die Methode braucht es ausschliesslich alten Beton. Dieser wird zu einem Granulat gebrochen und in einem Reaktor mit CO2 beaufschlagt. «Die Kieskörner weisen an ihrer Oberfläche viele Poren auf und werden mit CO2 beaufschlagt.» Das Kohlendioxid wird durch eine chemische Reaktion auf dem Betongranulat gebunden und in Kalkstein umgewandelt.
Faserverstärkte Betonkonstruktion
Gemeinsam mit Eberhard entwickeln die Hyperloop-Fachleute der EuroTube Stiftung nun eine Betonmischung, die einen hohen Anteil solcher lokalen und CO2-angereicherten Materialien enthält und zugleich die Anforderungen erfüllt, die an die vorgespannten Betonfertigteile gestellt werden. Diese Röhren bestehen aus einer faserverstärkten Betonkonstruktion, die mit einer Kunststoffschicht überzogen wird, um das Material luftdicht zu machen. Zugleich sollen die Röhren die Belastungen durch den Unterdruck in der Röhre aushalten, und mehrere technische Systeme müssen darin eingebaut werden können.
«Wir versuchen natürlich, die Röhre so dünn wie möglich zu bauen», erklärt Ingenieur Antoine Juge. «Diese soll nicht dicker als zehn Zentimeter werden.» Zugleich muss der Beton fliessfähig sein, um alle technischen Elemente sauber umhüllen zu können. «Wir machen hierzu Tests in der Eberhard-Recyclinganlage in Niederglatt, mit immer grösseren Batches, um die Mixtur zu verfeinern. Die Anlage kann Zuschlagstoffe in vielen unterschiedlichen Grössen aus Rückbaumaterial herausfiltern und zur Verfügung stellen, was die angestrebte Reduktion des Zementanteils möglich macht.»
Die Hyperloop-Röhren sollen dereinst auf Stelzen einige Meter über dem Boden errichtet werden, so die Idee der Ingenieure, mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen, etwa für die Evakuation von Passagieren. Auch Ausweichstrecken sind angedacht, ähnlich wie im Gotthard-Basistunnel. Sollte im Übrigen durch äussere Einflüsse die Dichtigkeit der Röhre beeinträchtigt sein, können die Fahrzeuge trotzdem weiterfahren – nur lassen sich dann nicht mehr ganz so hohe Geschwindigkeiten erreichen. Probleme wie ein Entgleisen sind bei diesem System nicht möglich. Und auch bei einem Stromausfall bleibt Hyperloop nicht stehen: Dann fällt zwar auch der Linearantrieb aus, doch die Fahrzeuge sind mit Batterien versehen und können unabhängig weiterfahren.
Quelle: EuroTube
In einem Stück der Betonröhre wird ein Vakuum erzeugt, um die Dichtigkeit der Konstruktion zu überprüfen.
Fahrzeuge mit Laufrädern
Angedacht sind auch Fahrzeuge, welche Laufräder mit derselben Spurweite wie die Eisenbahn aufweisen. So könnte man zum Beispiel die Hyperloop-Röhren bis in die Agglomeration grosser Städte führen. Von dort könnten die Fahrzeuge dann auf dem bestehenden Schienennetz und mit herkömmlichem Antrieb zum jeweiligen Bahnhof weiterfahren.
Wer aber in der Röhre mit nahezu Schallgeschwindigkeit reisen will, braucht noch Geduld. Erste kommerzielle Projekte mit Hyperloop wird es erst in den 2030er Jahren geben. «Ausgeschrieben ist ein Streckenprojekt vom Hafen Venedig zu einem dreissig Kilometer entfernten Logistikzentrum», so Steffen Hartmann. «Dazu gibt es das Projekt einer Verbindungsstrecke zwischen den Häfen von Abu Dhabi und Dubai auf der Arabischen Halbinsel.»
Beide Projekte sind aber fürs erste auf den Gütertransport beschränkt. Angesichts der nötigen Vorlaufzeit für grosse Infrastrukturprojekte in Europa dürfte es also noch mindestens zwanzig Jahre dauern, bis erste Städtereisen mit dem Hyperloop möglich sind. Und dennoch sind diese Pläne und die dahinterstehende Forschung und Entwicklung wesentlich konkreter, als es die ersten SwissMetro-Ideen in den 1970ern waren.