Hochwasser vor 25 Jahren stiessen heutige Schutzmassnahmen an
Bis heute gehören die Hochwasser an Auffahrt und Pfingsten von 1999 zu den grossflächigsten und schadensreichsten Frühlingshochwassern in der Schweiz. Jene Ereignisse von vor 25 Jahren haben Massnahmen angestossen, die bis heute vor übertretenden Gewässern schützen.
Quelle: Christopf Hegg, WSL
Das Mattequartier in Bern im Mai 1999, während des Hochwassers.
Der Mai 1999 war für ein Grossteil der Bevölkerung eindrücklich: Die Schweiz war von zwei grossflächigen Frühlingshochwassern betroffen, dem Auffahrts- und dem Pfingsthochwasser. Sie betrafen das gesamte Mittelland und verursachten Schäden in Höhe von 580 Millionen Franken, die meisten davon im Kanton Bern.
Mit dem Boot in der Matte unterwegs
«In Thun stand das Wasser an Auffahrt 1999 bei vielen Leuten in der Wohnung», erinnert Christoph Hegg, Acting Director der WSL. «In der Berner Matte fuhren die Leute mit Booten herum.» Das linke Ufer des Thunersees lag damals beim Höchststand des Auffahrtshochwassers über mehrere Kilometer 400 Meter weiter landeinwärts als gewöhnlich. Derweil stand der Kanton Zürich grossflächig unter Wasser. In Rheinfelden drangen die Fluten des Rheins auf den Zollvorplatz und in Läden und Keller. In manchen Unterseegemeinden am Bodensee standen die ufernahen Häuser wochenlang unter Wasser.
In der Folge gab der Bund bei WSL eine Analyse der
Auftrag. Hegg verantwortete diese damals zusammen mit einem Kollegen vom
Bundesamt für Wasser und Geologie den Bericht zu den
Hochwasserereignissen und deren Analyse.
«Perfekter Sturm» aus Regen und Schneeschmelze
Zwischen
Januar und Anfang März des Jahres 1999 hatte es mehrmals stark und bis
in die Niederungen geschneit. In der Höhe führte die dicke Schneedecke
zu den zahlreichen Lawinen, oder vielmehr zum Lawinenwinter 1998/99.
Im März taute der Schnee unterhalb von tausend Metern ab, und im April regnete es überdurchschnittlich oft, zum Teil doppelt so viel wie normalerweise. Und Ende des Monats fing der Schnee auch in der Höhe zu schmelzen. Weil aber die Böden bereits mit Wasser voll waren, floss ein grosser Teil des Schmelzwassers in die Alpenrandseen. Zu Beginn konnten es diese noch auffangen. Doch dann, kurz vor Auffahrt, am 11. Mai, begann es entlang des Alpennordrandes tagelang zu regnen. Zentrum der Niederschläge war das Thurgebiet: Die Menge des abfliessenden Wassers überschritt bald die Kapazitäten der bereits vom Schmelzwasser gut gefüllten Voralpenseen. Sie liefen über und fluteten weite Bereiche des Siedlungsgebiets. Die Flüsse, die Wasser in die Seen und aus ihnen heraus transportierten, traten ebenfalls über ihre Ufer. An Pfingsten, am 21./22. Mai, regnete es ein weiteres Mal. Diesmal heftig und kürzer, mit Zentrum über dem Urner- und dem Walensee. Abermals traten Seen und Flüsse grossflächig über ihre Ufer.
Die Dämpfungsfunktion der Seen hat Grenzen
«Die Niederschlagsereignisse an Auffahrt und Pfingsten waren zwar unterschiedlich, aber in beiden Fällen war es das Zusammentreffen wassergesättigter Böden, der Schneeschmelze und der Regenfälle, was zu den grossflächigen Überschwemmungen führte», fasst Hegg zusammen. «Das hat gezeigt, dass wir kombinierte Ereignisse beachten müssen, aber vor allem bewusst gemacht, dass die Dämpfungsfunktion der Seen Grenzen hat.» Diese und Erkenntnisse aus weiteren Hochwassern schlugen sich in verschiedenen Massnahmen wieder, etwa der Aufbau von Warnung und Alarmierung bei Naturgefahren durch Bund und Kantone, dem Bau des Entlastungsstollens am Thunersee und Verbesserungen bei der Seeregulierung.
«Eine weitere Erkenntnis für uns war zu sehen, wie wichtig eine gute schneehydrologische Einschätzung ist», sagt Manfred Stähli. Der heutige Leiter der Forschungseinheit Gebirgshydrologie und Massenbewegungen forschte damals am SLF. «Für uns war dieses Ereignis eine grosse Motivation, die Schneewassermenge systematisch über die ganze Schweiz zu berechnen.»
Heute analysiert der operationelle schneehydrologische Dienst am SLF laufend die Schneesituation in der Schweiz und erstellt Vorhersagen, wieviel Schmelzwasser und Neuschnee kurzfristig zu erwarten ist. (mgt/mai)
Originaltext der WSL auf www.wsl.ch