Gölä, Rockstar und Büezer: Ein Traum von Bau und Musik
Er hat ein grosses Faible für Baumaschinen und braucht sie auch: Gölä ist zwar längst eine Schweizer Mundartrocklegende, im Herzen ist er aber Bauarbeiter geblieben. Das kommt seinem eigenen kleinen Paradies zugute. Als ihn das Baublatt besuchte, arbeitete er gerade am Fundament für einen Schafstall.
Quelle: Simone Matthieu
Gölä in seiner Werkstatt.
Die Strasse zum Haus von Gölä ist zwar breit, aber nicht befestigt. Gräben lassen seinen dunklen Toyota-Offroader erschüttern. Wir passieren einen Gipsabbau, der Musiker und Bauarbeiter in eigenen Belangen winkt dem dort arbeitenden Baggerfahrer zu. «Hier beginnt mein Grundstück», sagt er plötzlich und zeigt auf ein Rinnsal, das unter der Strasse hindurch führt. «Es ist wie früher, da waren Bäche natürliche Grenzen für Grundstücke.» Er fährt ein Stück weiter bis zum nächsten Bachlauf – hier wäre dann also das Ende seines Flecks. «Schau mal wie herrlich», sagt er und zeigt zum Autofenster hinaus, er fährt ein Stück rückwärts, damit die Aussicht auf den Thunersee und die dahinter gelegene Alpenkette besser zu sehen ist– wirklich beeindruckend! Gölä setzt noch weiter zurück und fährt eine kleinere, aber nicht weniger schotterige Strasse hinunter, die direkt zu seinem Haus führt.
Das Tor zum Gelände steht offen. «Normalerweise ist es geschlossen, damit die Hunde frei herumlaufen können», erklärt er. Sein Schäferhund verstarb kürzlich altershalber, jetzt hat Gölä noch zwei australische Blue Heeler. «Als ich – noch vor meiner Musikkarriere – in Australien unterwegs war, sah ich, wie diese Hirtenhunde bei den Hirten hinten auf den Motorrädern sassen und ohne jegliche Sicherung oder Halterung mitfuhren. Da wusste ich: Das ist meine Rasse.» Wir gehen um das Haus herum, ein Chalet im typischen Berner Stil. Früher sei dies hier ein Weidhüttli gewesen, das nur im Sommer benutzt wurde, erzählt er. «Inzwischen weiss ich auch, warum», scherzt er mit Anspielung auf den sonnenarmen Winter. «Während dreieinhalb Monaten verirrt sich kein einziger Sonnenstrahl hierher. Das musst du dir mal vorstellen», sagt er und zündet sich eine «Original Krumme» an. Aber: «Ich will nichts anderes.»
Seit elf Jahren wohnt der Musiker mit seiner Familie nun hier im Berner Oberland in der Nähe von Interlaken. «Wir bewirtschaften hier vier Hektaren Land und Wald», sagt er nicht ohne Stolz. Gleich zu Anfang, als er die Liegenschaft kaufte, habe er sichergestellt, dass man drinnen gut leben kann. «Das ist das Wichtigste für die Frauen, die wollen ein sauberes Bad, waschen und kochen können.» Wenn das erledigt ist, kann er sich mit dem weiteren Aus- und Umbau Zeit lassen.
Quelle: Simone Matthieu
Neben Gölä, seiner Frau und seinen beiden Töchtern wohnen auch Schwarznasenschafe in seinem Paradies.
«Dählhölzli»-Crew
Nicht weit vom Wohnhaus stehen die Ställe für Hühner, Enten, Kaninchen und Ziegen. Kürzlich haben sich zwei Schwarznasenschafe zur «Dählhölzli»-Crew dazugesellt. So nennt Gölä seinen Kleinzoo, der tatsächlich hauptsächlich zur Freude da ist. Auf den Tisch kommt keines der Tiere: «Meine Weiber würden mich umbringen.» Die Schwarznasenschafe haben allerdings einen zusätzlichen Zweck: Nachdem Gölä den ganzen Vormittag vor dem Besuch des «Baublatt» brauchte, um den Umschwung des Hauses zu mähen, hofft er nun, dass die Neuzugänge ihm in Zukunft diese Arbeit abnehmen werden.
Zuständig für die Lebewesen in Göläs Paradies ist seine Frau Heidi (35). Als wir gerade ein Foto mit den Schwarznasenschafen machen und sie dafür in die richtige Position locken wollen, ist der 56-Jährige unsicher, welcher der Kübel im Stall wohl das Schafsfutter enthält. Heidi, oder «Mutti», wie er seine Angetraute liebevoll nennt, ist leider gerade kurz weggefahren, um die Kinder von der Schule zu holen. Zwei Töchter haben die beiden: Nikki (11) und Leslie (10). «Der Schulweg ist zu weit für sie», erklärt der Vater, «deshalb bringen wir sie mit dem Auto hin.»
”Meine Mauern sind alle krumm, wie aus dem Mittelalter. Ich mag die geraden, glatten Fassaden nicht.
Gölä
Etwas weiter auf Göläs «Hof» steht eine Sammlung von Armee-Geländefahrzeugen und anderen klobigen Autos. «He ja, irgendein Hobby musst du ja haben», zuckt Gölä grinsend mit den Schultern. Etwas weiter steht schliesslich eine Sammlung an grösseren und kleineren Baumaschinen – eine weitere Leidenschaft – aber auch nötig für die Arbeiten, die er am und um das Haus ausführt.
Er zeigt sein «Corona-Projekt»: Ein Biotop mit vier Karpfen drin, die er geschenkt bekommen hat. Gleich daneben errichtet er gerade das Fundament für einen Schafstall. «Ganz ohne Zement, so wie man das früher tat. Manchmal reizt es mich, etwas nach alter Handwerksart zu bauen.» Obwohl – gelernt habe er das nie. «Meine Mauern sind alle krumm, wie aus dem Mittelalter. Ich mag die geraden, glatten Fassaden nicht.» Am liebsten baut er mit Natursteinen und Holz. «Beton ist nur da, um etwas zusammenzuhalten. Sehen will ich ihn nicht.»
Quelle: Simone Matthieu
Gölä sammelt nicht nur Baumaschinen, sondern braucht sie auch. Zum Beispiel um das Fundament für einen Schafstall zu bauen.
Häuser im Alleingang renovieren
Mit seinen über die Jahre angehäuften Fähigkeiten ist es dem Berner aus Oppligen möglich, Häuser praktisch im Alleingang zu renovieren. Fast alles hat er sich selbst beigebracht: Nach einer Baumaler- und Autolackierer-Lehre arbeitete er zwischendurch im Strassenbau. «Alles andere habe ich von Freunden gelernt, es ihnen einfach nachgemacht. He ja, du willst ja ein Mann sein und das Handwerk beherrschen.» Manchmal holt er jedoch immer noch Kollegen hinzu. «Für gewisse Arbeiten reicht ein einziger Mann einfach nicht aus. Zudem hasse ich Strom- und Sanitärarbeiten.» Manchmal vergütet er die Helfer, indem er dafür bei Bedarf bei ihnen arbeitet, ein anderes Mal bezahlt er sie.
Wir setzen uns auf die hübsch dekorierte Veranda. «Ah gut, Heidi hat das schon geputzt», murmelt er. Unter dem Dach hat sich eine Hausrotschwanz ein Nest eingerichtet – ausgerechnet auf einem bizarr verformten Ast, den Gölä beim Holzen fand. Weil er ihm so gefiel, hängte er ihn an die Fassade. Seither muss man zwar immer mal wieder den Boden darunter säubern, dafür erfreut es Gölä, wenn der Vogel angeflogen kommt: «Schau, da ist er wieder!», macht er uns regelmässig aufmerksam.
Ein paar Ski und zwei imposante Motorräder stehen ebenfalls auf der Terrasse. Göläs Herzdame kann den grossen Maschinen leider nicht so viel abgewinnen, wie er. «Seit sie die Prüfung bestanden hat, ist sie kein einziges Mal damit gefahren.» Umso angefressener vom Motorsport sind dafür Leslie und Nikki. «Die Girls besitzen je ein Elektro Trial Motorrad. Wenn sie Motocross fahren möchten, steht ihnen unser ganzes Gelände zur Verfügung.» Seine Töchter wüssten besser mit Messer und Beil umzugehen, als mit Handys. Er ist sich sicher: Seine Kinder werden eines Tages dankbar sein, von den Eltern alles über Tiere, Pflanzen, Natur im Allgemeinen gelernt zu haben. «Das ist ein Samen, den wir ihnen eingepflanzt haben.»
Für Marco Pfeuti, wie Gölä bürgerlich heisst, besteht überhaupt kein Druck, seine Häuser fertigzustellen: «Wenn du für dich selbst arbeitest, kannst du das Tempo selbst bestimmen. Ich liebe die Abwechslung, die ich hier habe.» Ab und zu «versuume» ihn halt die Musik, meint er augenzwinkernd. Fügt dann aber ernst an: «Ich bin mir sehr wohl bewusst und dankbar dafür, was mir die Musik ermöglicht hat. Wie hätte ich mir sonst all meine Baumaschinen, Werkzeuge und Häuser leisten können!»
”Wenn du für dich selbst arbeitest, kannst du das Tempo selbst bestimmen. Ich liebe die Abwechslung, die ich hier habe.
Gölä
Quelle: Simone Matthieu
Gölä sammelt nicht nur Baumaschinen, sondern braucht sie auch. Zum Beispiel um das Fundament für einen Schafstall zu bauen.
«Ruinen» statt neue Objekte
Gölä erstellt nie neue Objekte, er übernimmt stets «alte baufällige Ruinen», die kein anderer möchte. Sein aktuelles Daheim baut er zu einem möglichst autarken Naturparadies aus: Das Wasser kommt aus der eigenen Quelle, wird nach der Nutzung über eine dreistufige Sickergrube wieder in den Wasserkreislauf eingespeist. Strom liefern Solarzellen, Wärme aus dem eigenen Wald geschlagenes Holz. Nur im Winter muss der Familienvater im Schattenloch, in dem er lebt, den Generator anwerfen. Bereits drei Häuser hat er in Stand gesetzt und verkauft. Zuletzt sein Heimet in Faulensee BE. Das waren allerdings noch keine autarken Anwesen wie sein jetziges. «Mich fasziniert das naturnahe Bauen und unabhängig zu sein – und vor allem natürlich, die Technik, die es dafür braucht.» Immer wieder tüftelt er an noch umweltfreundlicheren Methoden und Fertigkeiten.
Während seiner ganzen Musikkarriere hat Gölä nie aufgehört, auf dem Bau zu arbeiten. Obwohl Musiker sein grosser Traum war, habe er sich in der Musikindustrie von Anfang an fehl am Platz gefühlt. «Mein Traum war irgendwie falsch. Das mit den Medien nervte mich. Inzwischen habe ich allerdings gelernt, dass ab und zu etwas PR nötig ist.» Etwa, um sein 25-Jahre-Jubiläum, das nächsten Januar mit zwei Konzerten im Zürcher Hallenstadion gefeiert wird, bekannt zu machen.
”Mich fasziniert das naturnahe Bauen und unabhängig zu sein – und vor allem natürlich, die Technik, die es dafür braucht.
Gölä
Das Instandsetzen von baufälligen Häusern hat Gölä durch seinen Vater lieben gelernt. Obwohl Pfeuti senior einem arbeitsreichen, zeitraubenden Beruf als Restaurantbesitzer nachging, verbrachte er seine spärliche Freizeit mit Renovationen. Und sein Sohn ging ihm dabei oft zur Hand. «Es ist schon interessant, dass ich diese Leidenschaft von meinem Père übernommen habe», sinniert er. «Wer einen Traum hat, sollte den mit allen Mitteln und viel Aufwand zu verwirklichen suchen. Das müssen die Jungen heute erst noch lernen.» Selbstständig setze sich nicht um sonst aus den Wörtern «selbst» und «ständig» zusammen. Seine Eltern hätten übrigens gar keine Freude gehabt, als sich Gölä für einen Bauhandwerklichen Beruf entschied. «Die wollten, dass ich etwas Besseres mache. Aber was heisst schon besser? Ich habe diesen Unterschied nie begriffen. Es sind doch alle gleich. Ob Doktor oder Büezer.» Keiner könne ohne den Anderen überleben.
«Wir glauben, wir könnten alle Menschen gleich machen oder hätten die Macht, das Klima zu verändern – für mich sind das grössenwahnsinnige Ideen.» Alles, was man tun könne, sei seine eigene, kleine Welt in Ordnung zu halten. «Dies hier oben kommt dem am nächsten, wozu ich mich bestimmt fühle.» Als er jung gewesen sei, habe er gedacht, es gäbe nichts Langweiligeres, als Bäume zu pflanzen, wie sein Vater es tat. «Heute pflanze ich selber welche. Man könnte fast meinen, ich wäre grün.»
Biotope und Gemüse
Der Hof bindet Familie Pfeuti allerdings auch: «Anstatt Föteli im Ausland zu machen und sie auf Instagram und all dem Scheiss zu posten, legen wir Biotope an, bauen Gemüse an und schauen, dass es unseren Tieren gut geht. Das alles kann man nicht einfach stehen lassen und wegdüsen.» Ob er auch dieses Haus einst verkaufen wird, ist noch offen. «Heidi hat eben die Prüfung als Landwirtin bestanden und wird vielleicht irgendwann den Bauernhof ihrer Eltern übernehmen. Das wäre weiter oben im Simmental – mit mehr Land und vor allem mehr Sonne!» Doch die Häuser seien alt: «Etwa die Alphütte – in deren Küche ist alles schwarz vom Feuern. Und die erste Türe, wenn man reinkommt, führt in den Stall – da hast du gleich ein Kuhfüdli im Gesicht.»
Es scheint, als würden Gölä die Bauprojekte nicht so schnell ausgehen. Was gibt ihm das Handwerk? «Stolz!», kommt es wie aus der Pistole geschossen. «Etwas mit den eigenen Händen ‹erwärchen›, am Abend verschwitzt und nudelfertig ein Bier geniessen – das ist es. Dass ich Bau und Musik beides so ausleben kann, ist wirklich ein Traum.»