Ferientipps: Architektonische Trouvaillen in Europa
Die Edition Urlaubsarchitektur umfasst unter anderem drei Bände. Die Trilogie ist mit dem dritten und letzten Buch «Orte / Places» abgeschlossen. Darin werden 26 überraschende Feriendestinationen an magischen Orten aufgezeigt. Wir stellen eine kleine Auswahl vor.
Quelle: Paul Sebesta
Ob sich The Aurora Nook am Ende der Welt befindet? Viel nördlicher geht es jedenfalls nicht mehr in Norwegen.
Die Herbstferien nahen. Zum Glück ist kürzlich ein Buch mit Urlaubstipps herausgekommen. Gezeigt werden darin architektonische Trouvaillen, «die den Charakter, Kontext und die Geschichte von Urlaubsorten in Europa meisterhaft in Szene setzen», wie der Herausgeber Jan Hamer verspricht.
Es geht also nicht, wie im ersten und zweiten Band der Edition Urlaubsarchitektur um «Häuser und Menschen» sowie «Raum und Zeit», sondern um die Magie eines Ortes. Den Genius Loci haben der Herausgeber und die Autoren an 26 Feriendestinationen in Europa entdeckt. Die Auswahl der Gebäude ist so auserwählt wie vielfältig.
Für WGs geeignet
Im deutschen Mecklenburg-Vorpommern, am Rand der Mecklenburger Seenplatte, inmitten von Hügeln, Feldern und Seen, sticht das schöne Gutshaus Zarchlin heraus: ein langgestrecktes, eher schlichtes, weisses Gebäude mit roten Fensterrahmen. 1897 im neoklassizistischen Stil errichtet, wurde das Gutshaus zu DDR-Zeiten zum Rathaus umfunktioniert.
Quelle: Krüger Brand GmbH
Das Gutshaus Zarchlin, in dem eine spannende Mischung aus Privatsphäre und Gemeinschaft herrscht.
Daniel und Marianne Krüger haben das Gebäude zunächst von alten Bausünden befreit. Die alte Raumstruktur, das historische Treppenhaus und die breiten Holzdielen, wurden restauriert, die Wände neu mit Lehm und Kalk verputzt sowie die alten Fachwerkbalken freigelegt.
Das Gutshaus umfasst sechs Ferienwohnungen mit ausgewählten Holzmöbeln, harmonischen Farben und bunten Küchen und ist für WGs geeignet. Neben Gemeinschaftsräumen gibt es auch Rückzugsmöglichkeiten, etwa im parkähnlichen Garten.
Magischer Ort
Heilsame Stille findet man in Polen. Der kleine Ort Mikoszewo schmiegt sich südlich der Danziger Bucht in die Flusslandschaft des Weichseldeltas. Das Meer ist so nahe, dass man es riechen kann. Hier hat die Designerin und Restauratorin Katarzyna Pielaszkiewicz ein 200 Jahre altes Arkadenhaus renoviert. Neben dem Bau aus dem Jahr 1800 hat sie ein Gästehaus im gleichen Stil realisiert, das Tilia Authentic Home.
Die beiden Gebäude wirken wie speicherartige Zwillingsbauten oder gläserne Fachwerkhäuser in einem weitläufigen Garten. Katarzyna Pielaszkiewicz hat vier Ferienwohnungen eingebaut. Jede davon ist wieder anders. Neben wettergezeichnetem Altholz und historischen Elementen dominieren gedeckte Naturtöne sowie schlichte, selbst entworfene Möbel. Auf die rau verputzten Wände fällt warmes Licht. Gerüche von Kalk, Lehm, Holz und Harz liegen in der Luft. «Alles hier wirkt sanft und heilsam», beschreibt Britta Krämer die Atmosphäre.
Quelle: Justyna Szyszka
Das Tilia Authentic Home in Polen: ein Sehnsuchtsort, für den die Natur alle Register gezogen hat.
Die Macherinnen und Macher dieses Buches empfehlen weiter einen Trip nach Dänemark, wo die Gäste von endlosen Stränden, wilden Dünen- und Heidelandschaften sowie von Seen und dichten Wäldern erwartet werden. Wir befinden uns in Westjütland im Nationalpark Thy. Im kleinen Dörfchen Agger am Rande des Nationalparks steht ein 200 Jahre altes Bauernhaus, das heutige Agger Farmhaus, mit Reetdach und Scheune. Letztere ist heute ein lichtdurchfluteter Loft mit einer Deckenhöhe von fünf Metern. Auch das Haupthaus wurde saniert.
Beide Gebäude, das Haupthaus und der Loft, sind skandinavisch eingerichtet, mit Vintage-Möbeln, dänischem Design und zeitgenössischer Kunst ausgestattet. Vor dem Gebäude befindet sich ein hauseigener See «zum Abtauchen in die Weite und Stille», wie Autorin Julia Hauch schreibt.
Nördlicher ist fast nicht mehr möglich in Europa: Auf einer Lofoten-Insel in Norwegen steht ein simpler Holzkubus: die Black Aurora Nook. Das schwarze und kühl wirkende Gebäude mit Pultdach besteht aus nur einem Raum, kann aber bis zu sechs Gäste beherbergen. Drinnen ist es hell und gemütlich, aber weit und breit kein Mensch zu sehen. Nur schroffe Berge, türkisblaues Eiswasser und weisse Sandstrände. Im Winter erheben sich die bunten Nordlichter, im Sommer steigt die Mitternachtssonne auf. Wer es gern wild und einsam mag, ist hier genau richtig.
Quelle: Gregor Wöltje
Das renovierte Agger Farmhaus befindet sich im dänischen Westjütland am Rand des Nationalparks Thy.
Vom Land in die Stadt
Erholung findet man jedoch nicht nur in wilden oder ruhigen Landschaften, sondern auch an belebteren Orten. Der nächste Tipp führt uns nach Sterzing im Südtirol, in die nördlichste Stadt Italiens. Das Städtchen, einst Fuggerstadt, wurde durch den Abbau von Silber reich, was sich an den prächtigen Bürgerhäusern ablesen lässt. Wir sehen Barockfassaden mit Erkern, Restaurants und Geschäfte reihen sich in den Gassen: Zeit für einen Aperitif auf dem mittelalterlichen Marktplatz.
Aber zurück zum Ferienhaus: Inmitten von Sterzing befindet sich das Patrizierhaus «Ida» aus dem 14. Jahrhundert, das zehn Ferienwohnungen umfasst. Wer Altes und Neues zusammen mag, der kann hier schwelgen. Das denkmalgeschützte Gebäude verbindet Südtiroler Tradition und modernes Wohnen. Da fehlen weder das Sternrippengewölbe noch das verzierte Türgebälk oder der gotische Erker – aber auch nicht der Kontrast zu den geometrischen Kücheninseln. Man hat einen Blick auf die Stadt oder Sicht auf die Berge bis hin zum Rosskopf, dem über 2000 Meter hohen Hausberg Sterzings.
Quelle: Michael Rabensteiner
Sterzing im Südtirol ist die nördlichste Stadt Italiens: prächtige Bürgerhäuser und Barockfassaden mit Erkern.
Designer Häuser
Ohne Kontraste, dafür umso gestylter kommt ein anderes Gebäude daher: In der Lombardei, an einem Hang am Westufer des Gardasees, steht ein weisses Haus beziehungsweise ein farbenfrohes Gesamtkunstwerk: die Casa Salvati. Schon die Eingangsfassade ist eine Komposition aus geometrischen Formen und fröhlichen Farben.
1972 von den Mailänder Architekten Alberto Salvati und Ambrogio Tresoldi entworfen, befindet sich das Gebäude inmitten von Pinien, Zypressen und Olivenbäumen noch im Originalzustand. Innen ist das Haus lichtdurchflutet, wobei die Farben Weiss, Gelb, Türkis und Rot dominieren. Das gesamte Mobiliar ist auf die Atmosphäre des Hauses abgestimmt. Das Gebäude befindet sich in einem 1000 Quadratmeter grossen Garten.
Quelle: Simone Bossi, 2022
An einem Hang am Westufer des Gardasees steht die Casa Salvati, ein farbenfrohes Gesamtkunstwerk.
Du musst nicht in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah: Auch in der Schweiz beziehungsweise in St. Gallen gibt es Interessantes zu entdecken, zum Beispiel die Hasenberg Lodge an bester Lage, mit Blick auf die Churfirsten und die Flumser Bergkulisse. Es handelt sich dabei um ein relativ unscheinbares weisses Haus mit dunkler Holzverkleidung, grossen Fenstern und einem Satteldach. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1971, wurde renoviert und ist heute energieautark.
In der Lodge warten zwei unkonventionelle Ferienwohnungen auf Gäste. Diese werden auf Vintage-Design, Kunst und Fundstücke aller Art stossen. Tisch und Stühle im Wohnzimmer sind von Eero Saarinen, irgendwo stehen Corbusier-Sessel, und in einer Ecke finden wir den berühmten Safari Chair von Wilhelm Kienzle. Das sind alles Klassiker, das Haus selbst ein Zeitzeuge mit Pool samt atemberaubendem Seeblick.
Dies ist eine kleine Auswahl der 26 Orte, welche die Autoren des Buches empfehlen. Viel gäbe es noch zu entdecken: ein Wintermärchen in Österreich, ein französisches Schloss mit einer verrückten Geschichte, das Hôtel des Horlogers im Kanton Waadt entworfen von Bjarke Ingels – und, und, und. Die Feriendestinationen liegen unter anderem in Griechenland und Portugal. Jedes Ferienhaus ist auf seine Art einzigartig. Der Genius Loci kann sich gemäss diesem wunderschön gemachten und reich bebilderten Buch an den überraschendsten Orten entfalten.
Sämtliche Informationen unter www.urlaubsarchitektur.de
Buchtipp
Orte. Hrsg. von Jan Hamer. Mit Beiträgen von Ulrich Stefan Knoll, Britta Krämer, Anke Frey, Julia Hauch und Anneke Bokern. Gestaltung: Kathrin Schmuck. Zweisprachig (Deutsch /Englisch). 250 Seiten. Zahlreiche Abbildungen. Hard-cover mit Leineneinband. Fr. 64.90
Im beigelegten Magazin «Visionen» werden Menschen auf 68 Seiten aus dem Netzwerk des Verlages porträtiert. Es geht um Neuinszenierungen, Architektur und Natur, Rückzugsorte, Idyllen und vieles mehr.