Extremes Hochwasser: Studie des Bundes zeigt potenzielle Schäden
Bei einem Extremhochwasser an der Aare, das durchschnittlich alle 100'000 Jahre vorkommt, würden die Areale verschiedener Kernkraftwerke sowie anderer kritischer Infrastrukturen teils meterweise überflutet. Dies zeigt eine neue Studie des Bundes.
Quelle: VBS
Hochwasser von 2005: Überschwemmung Matte bei Bern.
Vier Bundesämter und das Nuklearsicherheitsinstitut Ensi stellten am Montag neue Gefährdungsanalysen für die Kernkraftwerke Mühleberg BE, Gösgen SO und Beznau AG sowie für das Paul Scherrer Institut in Villigen AG und die Stadt Olten SO vor. Auslöser für die Untersuchung war die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011. Damals wurden nach einem Tsunami grosse Mengen an radioaktivem Material freigesetzt.
Mit der neuen Studie «Extremhochwasser an der Aare» der Forschungsanstalt WSL wollen sich die Behörden und Betreiber verschiedener kritischer Infrastrukturen möglichst gut für ein sehr seltenes Ereignis rüsten. Sie liefert die Basis für weitere Schutzmassnahmen. Es liegen nun für das Einzugsgebiet der Aare Daten über Gefährdungen bis 100'000-jährliche Hochwasserereignisse vor.
Kernkraftwerke metertief unter Wasser
Im Extremfall sind gemäss der durchgeführten Simulation vor der Aaremündung in den Rhein Spitzenabflüsse von mehr als 7000 Kubikmeter pro Sekunde möglich. Das entspricht dem Zwölffachen des mittleren Abflusses. Die Studienverantwortlichen rechneten die Folgen von Rutschungen, Verstopfungen bei Brücken durch Schwemmholz, Ufererosionen, das Brechen von Dämmen oder menschliches Versagen bei der Bedienung der Wehranlagen mit in die Gefährdungsanalyse ein.
Bei einem 100'000-jährlichen Hochwasser stünden die KKW Beznau und Gösgen – auch durch Verstopfungen des Fussgängerstegs durch Schwemmholz – rund 1,1 Meter unter Wasser. Auch das Gelände des abgeschalteten Kernkraftwerks Mühleberg würde bei einem extrem seltenen Hochwasser knapp einen Meter hoch überflutet.
Das PSI-Gelände in Villigen sowie das Gebiet um den Bahnhof Olten würde dagegen nur überflutet, wenn Brücken durch Schwemmholz verstopft würden. Geschähe dies, stünde das Gelände rund um den Bahnhof bis zu 3,1 Meter unter Wasser.
Kernkraftwerke genügend geschützt
Die für die Sicherheitsanalysen der Kernkraftwerke relevanten Wasserspiegellagen liegen laut dem Ensi in einem ähnlichen Bereich wie in den bisherigen Analysen. Das gilt für die besonders relevanten 10'000-jährlichen Hochwasserereignisse. Auf solche sind alle Kernkraftwerke bereits heute genügend vorbereitet, wie Ensi-Direktor Marc Kenzelmann an einem Online-Hintergrundgespräch sagte.
Die Betreiber der Kernanlagen werden nun dennoch aufgefordert, ihre Sicherheitsanalysen auf Basis der neuen Studie zu überarbeiten. Das KKW Leibstadt wurde in der Studie nicht betrachtet, weil es am Rhein liegt. Da sich das Kraftwerk rund 22 Meter über dem Normalpegel des Rheins befindet, ist es laut Ensi überflutungssicher.
Kein unmittelbarer Handlungsbedarf
Auch alle Stauanlagen unter Aufsicht des Bundesamts für Energie (BFE) erfüllen die heutigen Sicherheitsanforderungen, wie Vizedirektor Simon Jungo sagte. Die Betreiber der Stauanlagen würden nun aber ebenfalls aufgefordert, die bestehenden Nachweise der Hochwassersicherheit im Lichte der neuen Erkenntnisse zu überprüfen.
Zudem sollen ähnliche Simulationen nun auf die
Einzugsgebiete weiterer grosser Fliessgewässer angewendet werden. Die
Ergebnisse werden anschliessend den zuständigen Behörden und den
Anlagenbetreibern zur Verfügung gestellt mit dem Ziel, den Hochwasserschutz von
kritischen Infrastrukturen bei Extremereignissen zu überprüfen und
gegebenenfalls zu verbessern. (sda/pb)