Eremitage in Bayreuth: Wassermeister mit dreihundertjähriger Tradition
Seit gut 300 Jahren funktionieren die Wasserspiele der Eremitage in Bayreuth nach demselben Prinzip. Das Wasser wird von Quellen über ein ausgeklügeltes System zum Park auf den Hügel geführt. Alles beruht wie damals auf geodätischem Druck und läuft ohne Pumpen.
Bei den Wasserspielen konnte Friedrich der Grosse im Schloss Sanssouci seiner Schwester Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth für einmal buchstäblich nicht das Wasser reichen. Die Gegend um Berlin ist nun einmal bretteben. Alles Geld und alle königlichen Ansprüche konnten gegen diese widrige Geographie nichts ausrichten.
Mit damaligen technischen Mitteln wurde es nichts Rechtes mit dem Wasserdruck, den es gebraucht hätte, um die gewünschten meterhohen Fontänen aus Skulpturen der Wasserbecken sprühen zu lassen. Wilhelmine (1709 – 58) liess es sich nicht nehmen, ihm regelmässig zu berichten, wie prächtig ihre Wasserspiele funktionierten.
Quelle: Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH, Meike Kratzer
Blick auf den Sonnentempel des neuen Schlosses und die Wasserspiele am Oberen Becken. Die beiden mittleren Tritongruppen haben je 25 Sprünge, dazu kommen acht Fabelwesen mit je einer Düse für die Wasserspiele.
Dabei gab es auch in der Eremitage, die sich die Markgräfin
in Bayreuth vor bald dreihundert Jahren aufwendig gestalten liess, keine
Quelle. «Das Wasser musste über kilometerlange Leitungen vom Sammelbehälter am
sogenannten ‹Kuhberg› hergeführt werden», berichtet Dieter Kaiser, der heute
als Wassermeister in der Eremitage waltet, ein Amt, dessen Aufgaben sich mit
den Jahrhunderten erstaunlich wenig verändert haben.
Hochwasser zerstören Leitung
Für Wilhelmines ehrgeizige Pläne genügten die zwei Generationen vor ihrer Zeit angelegte Wasserspiele bei weitem nicht. Ihre Anlage sollte sich trotz der kargen Finanzen ihrer Markgrafschaft mit denen des preussischen Hofes messen können. Immerhin wurde sie als preussische Prinzessin geboren.
Kaiser erzählt: «Sie liess ein zweites Quellgebiet erschliessen. Eine
hölzerne Ständerkonstruktion führte das Wasser aus der umgebenden Hügellandschaft
über das Tal, das der Rote Main entlang des Hügels, auf dem die Eremitage
liegt, gegraben hat.»
Das Ganze war wenig ausgereift, wie Kaiser erklärt:
«Mehrfach musste man das Konstrukt nach Hochwasser eilends wieder aufbauen. Um
1960 herum hatten die Bayreuther endgültig genug und führten die Leitung
einfach unter den Roten Main durch.» Um 1750 wurde ein zusätzlicher Wasserturm
errichtet, denn die Markgräfin erweiterte die Wasserspiele über die Jahre
deutlich.
Von Hand gebohrte Röhren
Zu markgräflichen Zeiten bestand die Leitung von der Quelle zu den beiden Wassertürmen noch aus Röhren aus Buchen-, Fichten- und Kiefernholz von den umliegenden Wäldern. Jede war etwa vier Meter lang, mit grossem Kraftaufwand von beiden Seiten von Hand gebohrt. Einige der zweieinhalb Meter langen Bohrer kann Kaiser heute noch zeigen.
Das Ganze wurde zu einer
Leitung mit einer Länge von vier Kilometern ineinander gesteckt. Diese musste
ständig irgendwo erneuert werden, weil die Holzröhren sehr reparaturanfällig
waren. Ersatz lagerte man in zwei vorsorglich angelegten Röhrenweihern, in
denen die vorbereiteten Röhren vor Trocknungsrissen sicher waren.
Ohne Pumpen – bis heute
«Alles musste ohne Pumpen mit geodätischem Druck funktionieren. Und das tut es bis heute. Nur die Röhren hat man Ende des 19. Jahrhunderts gegen solche aus Gusseisen ausgetauscht», erzählt der Wassermeister. Die Röhrenweiher verloren ihre Funktion. 2007 hat man sie als wichtiges technisches Detail der historischen Technik restauriert.
In der Zeit nach 1945 ersetzte man dann den Grossteil der
gusseisernen Röhren durch solche aus Kunststoff. Die einst hölzernen Becken in
den Wassertürmen bestehen heute ebenfalls aus Eisen. Dieter Kaiser, weiss von
einem verzweifelten Schreiben seines Vorgängers im 19. Jahrhundert, damals noch
«Grott- und Brunnmeister» genannt, der an den maroden, leck gewordenen Becken
schier verzweifelte: «Er schrieb König Ludwig II, dass er die Wasserspiele
nicht mehr betreiben könne, wenn er keine neuen Wasserbehälter bekäme. Der
König genehmigte die Anschaffung eines neuen 50000-Liter-Beckens. Nur vier
Monate vor seinem Tod im Starnberger See.» Der Wasserbehälter kostete damals
2400 Mark.
Drei Jahre später musste Ludwigs Nachfolger Prinzregent
Luitpolt für den gleich grossen Tank im zweiten Wasserturm bereits 2900 Mark
springen lassen. «Beide Tanks bestehen aus gewalzten und vernieteten
Eisenplatten. Sie sind derart stabil gearbeitet, dass sie bis heute im Einsatz
sind. Laufen die Wasserspiele im Park eine Viertelstunde, ist ein Viertel des
Beckens im Turm leer», sagt Kaiser.
Der Wassermeister muss daher immer den Wasserstand im Auge
haben. Im trockenen und heissen Sommer 2018 musste er die Wasserspiele, welche
die Touristen sonst stündlich erfreuen, komplett einstellen. «Mit demselben
Wasser müssen wir auch unsere Gärtner giessen. Und das geht im Zweifelsfall
eben vor», sagt er pragmatisch. Für dieses Jahr sieht es noch gut aus.
Sieben Sekunden für zehn Liter
Jeden Mittwoch macht Kaiser seine Inspektionstour entlang der historischen Leitung, auf der ihn das Baublatt diesmal begleiten darf. Er kontrolliert die Quellfassungen und misst die Wassermenge. Ganz klassisch mit Eimer und Stoppuhr. «Sieben Sekunden für zehn Liter. Das ist nicht schlecht. Ich hatte schon bis zu zwanzig Liter. Bis zwölf Sekunden reicht das Wasser für Wasserspiele und Giessen. Darüber wird es eng», erklärt Kaiser mit Blick auf die Uhr.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Dieter Kaiser liest auf seiner Inspektionstour eine Wasseruhr ab. Der angrenzende Bauernhof hat nämlich bis heute das Recht, zwei bayerische Mass Wasser pro Minute aus der Leitung zu entnehmen als Entschädigung dafür, dass die Leitung unter seinem Grund verlegt ist.
Die nächste Station ist ein Bauernhof. Kaiser liest die
Wasseruhr im Schacht ab. Er erklärt: «Die Leitung wird unter dem Hof durchgeführt.
Daher hat man dem Bauern einst das Recht eingeräumt, eine gewisse Menge Wasser
zu entnehmen: Zwei Bayerische Mass pro Minute.» Für Nichtbayern sind das zwei
Liter pro Minute.
Demo mit Gartenschlauch
Am Ende der Tour schaut er noch nach dem Füllstand der
Becken in den Wassertürmen. Im Wasserturm eins von 1718 steht das Wasserbecken
15 Meter über dem Boden. So ist der Druck hoch genug, um die Figuren der Oberen
Grotte am Neuen Schloss zu versorgen. Bei Wasserturm zwei befindet sich das
Becken auf einer Höhe von zwölf Metern und versorgt die beiden grossen Figuren
im Becken der Oberen Grotte sowie die Schlossgrotte.
Hier oben im Wasserturm eins hat Kaiser zusammen mit
Kollegen auch eine kleine Demonstrationsanlage mit Gartenschlauch aufgebaut,
die manchmal bei Besucherführungen zum Einsatz kommt. «Leute, die die Gegend
kennen, fragen immer wieder, wie es denn sein kann, dass das Wasser vom
‹Kuhberg› kommt. Von dort hat die Leitung nämlich nicht durchgehend Gefälle,
sondern sie führt zwischendurch ein wenig bergauf. Und in der Schule haben sie
halt gelernt, dass Wasser nicht bergauf fliesst.»
Um hier gar nicht erst die immer gleichen, langen
Diskussionen aufkommen zu lassen, dreht er in solchen Fällen einfach hier oben
das Wasser am Schlauch auf und lässt die Besucher testen, ob es nicht doch
bergauf fliessen kann. «Dann sehen sie schon, dass das klappt, wenn das Wasser
anfangs aus genügend Höhe kommt. Immer wieder sind sie dann verblüfft. Und
meistens sind es dann weniger die Kinder als die Eltern, die ich vom Modell
kaum noch weg kriege» erzählt Kaiser amüsiert. Ohne den Wasserturm liefe bei
den prächtigen Wasserspielen allerdings nicht viel.
Die Kunst des Wassermeisters
Die Wasserversorgung für die Eremitage startet am Brunnenhaus, das das Wasser aus den sechs Quellen zusammenführt, mit neun bar Druck auf einer Höhe von 505 Metern über dem Meeresspiegel. Der «Kuhberg» liegt dann auf 425 Metern. Die tiefste Stelle der Leitung befindet sich unter dem Roten Main auf 345 Metern.
Wenn das Wasser an den Wassertürmen wieder auf knapp vierhundert Metern Höhe ankommt, haben wir noch etwa drei bar übrig.» Hier fange die Kunst des Wassermeisters an, sagt Kaiser verschmitzt, «der Druck reicht für acht bis zehn Meter hohe Fontänen aus den Figuren. Man muss die Anlage halt gut kennen und wissen wie man mit ihr umgehen muss.»
Anders als
seine Vorgänger muss er aber nicht mehr pünktlich an den Schiebern stehen, wenn
die Touristen sich jeweils zur vollen Stunde versammeln, um die Wasserspiele in
Betrieb zu sehen. Ein technisches Zugeständnis an die Moderne sind die
Magnetschieber, die eine Zeitschaltuhr vollautomatisch auslöst. Nur in der
Grotte im Alten Schloss muss Kaiser bei seinen Schlossführungen noch selber
ran. Das allerdings macht er zu gerne.
Dusche für nervige Gäste
Aus Dutzenden im Boden verborgenen Düsen spritzt dort das Wasser, öfters auch auf unvorsichtige Gäste. Man machte sich schon vor Jahrhunderten einen Spass daraus, nichtsahnende Besucher von der Perücke bis zum Reifrock vollzuspritzen. Auch wer das Ganze schon kennt, kommt nicht unbedingt davon, ohne angespritzt zu werden.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Wasserspiele gibt es auch in der Grotte des Alten Schlosses der Eremitage. Auch vor dreihundert Jahren war im Sommer eine Erfrischung willkommen, wenn auch auf Kosten tadellos sitzender Perücken und nasser Reifröcke.
«Manchmal habe ich Reisegruppen, die von einem ständig
nörgelnden Gast genervt sind. Dann gibt mir der Reiseleiter einen Hinweis und
platziert den Störenfried unauffällig an der richtigen Stelle im Raum. Ein paar
Extra-Schieber für kaum erkennbare Düsen in der Wand hinter den Gästen hab ich
nämlich auch. Die bringe ich in solchen Fällen zielgenau zum Einsatz.» Der
Humor der Menschen hat sich in den letzten dreihundert Jahren offensichtlich
kaum verändert.
Wochenlange Reinigung der Düsen
Am Ende der Saison jeweils ab 15. Oktober wird Kaiser dann die Leitungen und die Wasserturmbecken leeren und alles reinigen. «Das sind ungefähr zwei Wochen Aufwand», rechnet er vor. In den zwei Wochen vor dem ersten Mai füllt er alles wieder. Auch hier ist der Aufwand beachtlich. Mit zwei Kollegen ist er zwei Wochen daran, die Leitungen zu spülen und alle Düsen der Wasserspiele zu reinigen.
Allein in der Schlossgrotte gibt es zweihundert davon. «Das funktioniert ein bisschen wie Zahnseide. Nur dass wir natürlich mit einem Draht arbeiten, um Kalk und Verschmutzungen weg zu bekommen.» Jedes der beiden Wasserturm-Becken braucht zwei Tage, bis es wieder gefüllt und somit betriebsbereit ist.
Danach ist Kaiser noch eine Weile damit beschäftigt, das
System wieder perfekt aufeinander abzustimmen und die Höhen der Fontänen
auszutarieren. Kleine Reparaturarbeiten macht er selbst. Wenn beispielsweise
eine der historischen Bleidüsen irreparabel den Dienst einstellt, hat Kaiser
Ersatz parat. Nach langem Probieren hat er den perfekten Ersatz: Brennerdüsen,
wie man sie im Heizungsbau verwendet. Da sie zwischen den Tuffsteinen versteckt
sind, bemerken die Besucher den Unterschied nicht.
Wasserspiele im Klimawandel
Wie die Zukunft der Wasserspiele im Zusammenhang mit dem Klimawandel aussieht, mag sich Kaiser nicht ausmalen. Seit dreihundert Jahren speist das Wasser vom «Kuhberg» die Obere Grotte am Neuen Schloss und fliesst von dort zur Unteren Grotte. Dann wird es in den Roten Main geleitet. «Ich könnte mir vorstellen, dass man doch irgendwann einen Kreislauf mit Pumpen einrichtet, damit der Wasserverbrauch sinkt. Es muss schliesslich genug Giesswasser für die Gärtner übrig bleiben», erklärt er.
Die Eremitage in Bayreuth
Die Eremitage wurde nach dem dreissigjährigen Krieg ab 1664
ursprünglich als Tier- und Jagdgarten nahe der Residenzstadt Bayreuth (Bayern)
angelegt. Er verfügte bereits über ein Grott- und Brunnenhaus. 1715 begann der
Bau des ersten Schlosses. Das Sommerschloss bildete den Mittelpunkt der
Einsiedelei einer damaligen Mode, nach welcher der Hofstaat bei Belieben das
«einfache Leben» eines Eremitenordens nachahmte. Dazu kam eine barocke
Gartenanlage mit kleinen Eremitenhäuschen, die aber nicht erhalten sind.
Ungewöhnlich für die damalige Zeit war, dass man auf
geometrischen Weganlagen verzichtete, die die Häuschen ans Schloss angebunden
hätten. Sie sind über unregelmässig geschwungene Pfade zu erreichen, die
bereits einen Anklang an die später aufkommenden sogenannten englischen Anlagen
bilden. Diese erste Eremitage war 1719 fertiggestellt. Markgräfin Wilhelmine
erhielt die Eremitage dann von ihrem Mann, Markgraf Friedrich (1711–1763), als
Geburtstagsgeschenk. Sie begann alsbald, sie zu ihrem privaten Rückzugsort mit
umfangreichen Wasserspielen umzugestalten. Das «Alte Schloss», die ehemalige
Einsiedelei, liess sie von 1736 bis 1745 erweitern und im Zeitgeschmack
aufwendig ausstatten. Später liess sie als Erweiterung das «Neue Schloss» samt
Sonnentempel (1749–1753) errichten.
Der finanzielle Aufwand war für die wenig bemittelte,
ländlich geprägte Markgrafschaft deutlich zu hoch. Da Wilhelmine als Prinzessin
von Preussen geboren wurde, sah sie keinen Grund, ihre Ansprüche
herunterzuschrauben. Und so wollte sie sich stets mit den Bauten ihres kleinen
Bruders, Friedrich des Grossen, messen. Sie baute bis zu ihrem Tode an der
Eremitage. Die nächste Frau des Markgrafen hatte kein Interesse am Werk ihrer
Vorgängerin.
1791 wurde die überschuldete Markgrafschaft aufgelöst und so
verfiel das Gartenkunstwerk der Eremitage langsam. Die Gartenanlagen wurden in
einen einfacher zu pflegenden Landschaftsgarten umgewandelt. Landwirtschaftlich
nutzbare Randbereiche wurden verkauft. Immerhin wohnte König Ludwig II in der
Eremitage, als er die Festspiele Richard Wagners besuchte.
Erst nach dem zweiten Weltkrieg begannen wieder umfassendere Instandsetzungen. Die meisten der veräusserten Grundstücke konnten zurückgekauft und ab den 1970er-Jahren verloren gegangene Parkteile wieder hergestellt werden. Die Besucher können heute den Garten weitgehend in seinem früheren Erscheinungsbild erleben. (ava)