Empa-Forscher entwickeln KI-Lösung für Energiemanagement
Das Energiemanagement in einem Haus mit Solaranlage wird immer komplexer. Künstliche Intelligenz kann hierbei helfen. Forscher der Empa haben eine KI-Steuerung entwickelt, die den Verbrauch selbstständig steuert und dabei mehr als 25 Prozent Energie einspart.
Quelle: Roman Keller
In der Nest-Unit Dfab-House steuerte der KI-Algorithmus eine Woche lang die Temperatur eines Studentenzimmers.
Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien wie Solaranlagen ergeben sich hinsichtlich des Energiemanagements neue Herausforderungen. Denn anders als früher ändern sich die Energiepreise heute nicht mehr jährlich, sondern stündlich. Tagsüber gibt es zudem Solarstrom im Überfluss, während die Sonne am Abend kaum noch Energie liefert. Und in den Abendstunden lassen heimkehrende Arbeitnehmer den Strombedarf in Stadt und Land rapide ansteigen.
Vor diesem Hintergrund kommen Fragen auf: Wann stelle ich die Heizung an, damit es abends warm ist? Wieviel Strom darf der Heisswasserspeicher aufnehmen? Und reicht die Energie dann noch fürs Elektroauto? Um günstig und zugleich umweltschonend die verfügbare, erneuerbare Energie zu nutzen, können sich Hausbesitzer laut einer Mitteilung der Empa von Donnerstag in Zukunft nicht mehr auf fest installierte Thermostate verlassen.
Energie speichern in Auto-Antriebsbatterie
Stattdessen könnte eine automatische Steuerung helfen, die Energie zu günstigen Zeiten hamstert und für teure Tageszeiten nutzbar macht. Daran forschte Bratislav Svetozarevic im «Urban Energy Systems»-Labor an der Empa. Um dies zu ermöglichen, werden Speichersysteme benötigt. Eine Möglichkeit hierfür könnte die Antriebsbatterie des eigenen Autos sein, welches in der Garage an der Ladestation hängt, wie aus der Mitteilung hervorgeht.
Doch das Problem ist vielschichtig, denn jedes Haus und seine Bewohner sind anders. So ändern sich je nach Wetter und Jahreszeit die Stromerzeugung der Solaranlagen sowie der Bedarf an Heiz- oder Kühlleistung. Eine optimale Energiesteuerung muss laut der Empa also den Tagesrhythmus eines Hauses und seiner Bewohner erlernen und auf Änderungen flexibel reagieren können.
KI-Steuerung im Theorietest
Eine Lösung für solche Probleme sieht Svetozarevic in der Künstlichen Intelligenz. Der Empa-Forscher entwarf eine KI-Steuerung, die auf dem Reinforcement-Learning-Prinzip basiert: Agiert das System «richtig», erhält es eine «Belohnung». Auf diese Weise erlernt die Steuerung selbständig, wie die Energie effizient eingeteilt werden soll.
Die Steuerung wurde zunächst nur am Computer simuliert und musste dabei diverse Vorgaben erfüllen. So sollte ein Raum in einem Gebäude elektrisch auf eine festgelegte Temperatur geheizt und auf dieser gehalten werden. Zeitgleich sollte ein Elektroauto mit Strom versorgt werden, das morgens bei seiner Abfahrt um 7 Uhr zu mindestens 60 Prozent geladen sein sollte. Abends um 17 Uhr sollte es bei der Rückkehr seine Restladung während der Nachtstunden ins Haus zurückliefern.
Die KI-Steuerung wurde ausserdem mit Wetterdaten und Raumtemperaturen aus dem vergangenen Jahr gefüttert und musste mit zwei festgelegten Stromtarifen zurecht kommen: Teurer Strom am Tag zwischen acht und 20 Uhr, billiger Strom während der Nachtstunden. Das Ergebnis der Simulation: Die selbstlernende Steuerung sparte gegenüber einer fest programmierten Lösung rund 16 Prozent Energie ein und hielt im Theorieversuch auch die gewünschte Raumtemperatur deutlich exakter ein.
Quelle: zvg
Die KI-Steuerung der Empa verteilt Strom aus Solarkollektoren auf effiziente Weise. Sie erlernt mittels künstlicher Intelligenz die Bedürfnisse der Bewohner und passt sich an Tages- und Jahreszeiten an.
Erfolgreicher Test im Dfab-House
Nach der Simulation am Computer folgte dann ein Test mit einem realen Gebäude. Bratislav Svetozarevic nutzte dafür das Forschungszentrum Nest auf dem Empa-Campus in Dübendorf. Der KI-Algorithmus steuerte demnach im Dfab-House eine Woche lang die Temperatur eines Raumes. Zugleich wurde die 100 kWh-grosse Speicherbatterie im Nest genutzt, um die Batterie des Elektroautos zu simulieren.
Mit dem Test unter realen Bedingen fiel das Ergebnis gemäss Mitteilung noch deutlicher aus: In einer kühlen Woche im Februar 2020 sparte die KI-Steuerung 27 Prozent Heizenergie ein, im Vergleich zum benachbarten Studentenzimmer, dessen Heizung mit einer fest programmierten (regelbasierten) Steuerung betrieben wurde.
«Das Schöne an unserer selbstlernenden KI-Steuerung ist, dass man sie nicht nur im Forschungsgebäude Nest, sondern auch in jedem anderen Gebäude einsetzen kann», erklärt Svetozarevic in der Mitteilung. «Es braucht keinen Ingenieur, der die Steuerung programmiert, und niemanden, der das Haus zuvor analysiert und eine massgeschneiderte Lösung errechnet.»
KI-System erweitern
In einem nächsten Schritt wollen Svetozarevic und seine Kollegen nun ermitteln, wie sich das System von einem Raum auf grössere Gebäude erweitern lässt. «Wir haben in unserem ersten Experiment einen typischen Haushalt der Zukunft abbilden wollen», so der Empa-Forscher. Der Einfachheit halber hat sich das Team aufs Heizen und Fahrzeugladen beschränkt.
Die Arbeit legt jedoch die Basis für deutlich mehr. So ist Svetozarevic überzeugt: «Unsere KI-Steuerung kommt auch dann noch zurecht, wenn eine Photovoltaik-Anlage Strom liefert, eine Wärmepumpe und ein lokaler Heisswasserspeicher bedient werden muss – und sich die Komfortansprüche der Bewohner immer wieder ändern.»
Neue Generation Elektroautos nötig
Um das KI-System in Zukunft für eine optimale Energieversorgung nutzen zu können, ist allerdings eine neue Generation an Elektroautos nötig. Denn die heute üblichen, europäischen und US-Modelle mit dem CCS-Schnelladeanschluss können nur Strom tanken – und keinen liefern.
Japanische Autos mit Chademo-Stecker sind dagegen fürs sogenannte bidirektionale Laden ausgelegt. Der koreanische Konzern Hyundai kündigte im Dezember an, seine neue Elektroauto-Plattform E-GMP ebenfalls für bidirektionales Laden auszurüsten. Damit könnten Elektroautos langfristig beim Energiesparen helfen und zugleich das Elektrizitätsnetz stabilisieren. (mgt/pb)
Zur Mitteilung der Empa: www.empa.ch