Ein Sandkorn, 100'000 Bewohner
Wer am Strand den Sand durch die Hände gleiten lässt, dem rieseln Milliarden von Bakterien zwischen den Fingern hindurch. Auf jedem einzelnen Sandkorn leben bis zu 100'000 Mikroorganismen. Damit leben in einem Sandkorn in etwa gleich viele Bewohner wie in derStadt Winterthur. Dies ergab eine Untersuchung von Forschern des deutschen Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie.
Es ist zwar schon länger bekannt, dass Sand ein dicht besiedelter Lebensraum ist. Nun haben David Probandt und Kollegen vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie erstmals erforscht wie es genau auf einem einzelnen Sandkorn aussieht. Die Untersuchungen befassten sich mit Sandproben aus dem maritimen Bereich aus der südlichen Nordsee, nahe Helgoland.
Ungleichmässige Besiedlung der einzelnen Sandkörner
Die tausenden Bakterien leben vor allem in Rissen und Kuhlen des Sandkornes, exponierte Stellen, die externen Einflüssen mehr ausgesetzt sind bleiben praktisch unbesiedelt. In Rissen bleiben die Bakterien gut geschützt. „Wenn die Sandkörner vom Wasser umströmt und herumgewirbelt werden und aneinander reiben, finden die Bakterien in solchen Einbuchtungen ein sicheres Plätzchen.“, erklärt Probandt. Auch vor Räubern, die die Oberfläche der Sandkörner nach Nahrung absuchen, sind sie so einigermassen sicher.
Riesige Artenvielfalt
Neben deren Anzahl beeindruckt auch die Vielfalt der Bakterien. Gemäss David Probandt vom Max-Planck-Institut finden sich auf jedem einzelnen Sandkorn tausende verschiedener Arten. Manche Arten und Gruppen finden sich auf allen untersuchten Körnern, andere dagegen treten nur vereinzelt auf. „Mehr als die Hälfte der Bewohner gleicht sich auf allen Körnern. Wir vermuten, dass diese bakteriellen ‚Stammspieler’ auf jedem Sandkorn eine ähnliche Funktion ausüben“, erklärt Probandt. „Jedes Korn hat quasi die gleiche grundlegende Besetzung und Infrastruktur.“ Aus der Untersuchung eines einzelnen Sandkorns können die Forscher also viel über die generelle bakterielle Vielfalt von Sand erfahren.
Sandige Küsten als riesige Filter
Im maritimen Bereich spielen sandliebende Bakterien eine bedeutende Rolle für das Ökosystem Meer und die weltweiten Stoffkreisläufe. Da diese Bakterien beispielsweise Kohlenstoff und auch Stickstoff aus dem Meerwasser und aus einströmenden Flüssen verarbeiten, entwickelt sich eine reinigende Filterwirkung.
„Jedes Sandkorn funktioniert wie eine kleine Bakterien-Vorratskammer“, erklärt David Probandt. Es liefert den nötigen Nachschub, um die großen Stoffkreisläufe von Kohlenstoff, Stickstoff und auch Schwefel am Laufen zu halten. „Wie auch immer die Bedingungen sind, denen die Bakteriengemeinschaft auf einem Sandkorn gerade ausgesetzt ist – durch die große Vielfalt ihrer ‚Stammspieler’ findet sich immer jemand, der die Substanzen aus dem Umgebungswasser verarbeitet.“
Je nach Herkunft, Beschaffenheit und Lage von Sand finden sich darin verschiedenste Bakterien-Populationen in unterschiedlicher Dichte – Sand aus dem maritimen Bereich ist dabei sicher eine der vielfältigsten Varianten. (mai/mgt)