Ein Ort ohne Verkehrsprobleme: Walking and driving on the moon
Die Fussabdrücke jedes einzelnen Fussgängers sind nach fünfzig Jahren noch unversehrt, da die Gegend so einsam ist. Sämtliche Autos dürfen über Jahrzehnte gratis irgendwo wild geparkt werden. Es stört niemanden. Paradiesische Zustände? Nicht unbedingt. Es geht um den Verkehr auf dem Mond. Und hier lauern ganz andere Gefahren als auf der Erde – vor allem aber kommt es auf die richtige Kleidung an. Und da gibt es gewaltige Unterschiede.
Quelle: NASA
Hier steht er noch immer – der Lunar Rover von Apollo 15 auf seinem endgültigen Parkplatz. Sehr unwahrscheinlich, dass er von dort nochmals wegbewegt wird.
In der Schweiz sind Langsamverkehr und die unvermeidlichen Konflikte mit dem
motorisierten Verkehr ein Dauerthema für die Stadtplaner. Dazu kommt die
Herausforderung der Elektromobilität, die genug Ladesäulen braucht.
Es
gibt einen Ort, an dem Menschen, wenn sie unterwegs sind, ganz anderen
Herausforderungen ausgesetzt sind. Dafür setzt man dort schon seit dem ersten
Auto im Jahr 1971 voll auf Elektromobilität. Jeder lässt das Fahrzeug einfach
unversperrt irgendwo stehen, wenn er es nicht mehr braucht. Auch fünfzig Jahre
später stört sich niemand an den aufgegebenen Fahrzeugen. Es sind ja auch nur
drei. Kein Wunder. Seither war kein Mensch mehr auf dem Mond.
Das Baublatt konnte mit Charlie Duke sprechen, der auf dem Erdtrabanten schon herumspaziert ist und sogar einen Geschwindigkeitsrekord mit dem Mondauto aufgestellt hat. Er ist einer der nur zwölf Menschen, die jemals auf der Mondoberfläche gewesen sind. Bei jeder neuen Mondmission haben sich die Astronauten weiter von der Landefähre entfernt und schliesslich brachten sie auch das erste Auto mit. Drei Mondrover stehen wohl für immer dort oben herum. Es gibt ja weder Laternen, noch die zugehörige Parkgebühr.
Lange, grosse Schritte am besten
Neil Armstrong und Buzz Aldrin waren mit der Mission Apollo 11 am 21. Juli 1969 bekanntlich die ersten Menschen auf dem Mond. Armstrong filmte damals, wie Buzz Aldrin sehr vorsichtig ausprobierte, mit welcher Technik es sich auf der Mondoberfläche mit dem feinen Staub und nur einem Sechstel der gewohnten Schwerkraft am besten läuft. Alles andere als einfach. Der Mondstaub sei wie auf Gipspulver unter den Füssen und rieche irgendwie nach Schiesspulver berichteten zurückkehrende Astronauten immer wieder in Interviews. Lange grosse Schritte schienen Aldrin schliesslich am sichersten.
Quelle: NASA
Chris Hadfield im US-Raumanzug. Ein Exemplar kostet 10 Millionen Dollar. Er ist deutlich komplizierter anzuziehen als der Raumanzug, der auf der Raumstation MIR für Ausseneinsätze benutzt wurde. Dafür ist der Astronaut darin beweglicher.
Rasch stellten Armstrong und Aldrin eine US-Fahne auf, installierten einige Messgeräte, zogen zwei Bohrproben und sammelten 22 Kilogramm Mondgestein. Zwei Stunden später war der Mondausflug vorbei. Mehr war nicht geplant, denn man wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn war gering, aber darum ging es beim ersten Mondbesuch auch nicht. Man wollte zeigen, dass es überhaupt möglich war. Die Fussabdrücke der beiden werden mangels Wind wohl noch Millionen Jahre auf der Mondoberfläche sichtbar bleiben.
Die Apollo-12-Mission konnte sich etwas mehr Zeit lassen. Die Astronauten hatten Zeit für zwei Ausflüge auf die Mondoberfläche und legten dort insgesamt einen Kilometer zurück. Auch sie sammelten Gestein und bauten Instrumente auf, die ihre Ergebnisse zur Erde funkten. Die Astronauten von Apollo 15 mussten dann erstmals nicht alles zu Fuss abklappern. Die Testfahrt des ersten Autos auf dem Mond führte zu einem vier Kilometer entfernten Berg. Schwierig war für David Scott vor allem, sich an die Hinterradlenkung zu gewöhnen. Das allererste «Lunar Roving Vehicle» kurz LRV war ein von vier Elektromotoren betriebener Zweisitzer und konnte auf dem Mond 490 Kilogramm Nutzlast aufnehmen. Es galt schliesslich so viel Mondgestein wie möglich einzusammeln.
Zwanzig Stunden auf dem Mond unterwegs
Die Apollo 16 Besatzung verbrachte dann auf drei Tage verteilt immerhin zwanzig Stunden ausserhalb des Landemoduls. Charlie Duke und John Young legten 26,7 Kilometer mit ihrem LRV zurück. Charlie Duke ist einer der vier heute noch lebenden Astronauten, die je den Mond betreten haben. Noch immer reist er mit ungebrochenem Enthusiasmus zu Veranstaltungen, um von seinen Erlebnissen zu berichten. Das Baublatt traf ihn im Rahmen der Wissenschaftskonferenz Starmus im armenischen Yerevan. Er erinnert sich im Interview: «Ich war die kompletten drei Tage völlig euphorisch. Ich wollte unbedingt auch mal das Mondauto steuern aber John Young sagte mir er sei als Fahrer eingeteilt und ich solle mich brav aufs filmen beschränken wie vorgesehen». Die beiden brachten eine Tonne Mondgestein zur Erde mit.
Quelle: Alexandra von Ascheraden
Charlie Duke
Geschwindigkeitsrekord aufgestellt
Sie stellten mit ihrem Mondrover sogar einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf, etwa 17 km/h. «So schnell flitzten wir damals den North Ray Krater herunter. Unser Rekord wurde dann von der Apollo 17 Crew gebrochen. Eugene Cernan und Harrison Schmitt schafften 18 km/h. Sie fuhren allerdings steil bergab während sie eine beträchtliche Ladung Mondgestein transportierten», erinnert Duke sich schmunzelnd. Cernan und Schmitt stehen mit ihrem Rekord bis heute im Guinness Buch der Rekorde. Ihnen folgte nur noch Apollo 17 und seitdem hat niemand mehr den Mond betreten. Mit den Artemis-Missionen soll sich das in wenigen Jahren ändern. Duke kann kaum erwarten, dass wieder Menschen zum Mond fliegen: «Die Nasa sagt immer ich sei der jüngste Mann, der je auf dem Mond war, denn ich war damals 36. Jetzt bin ich 87 und halte den Rekord immer noch. Es ist definitiv Zeit, dass die neuen Mondmissionen kommen.»
Natürlich wollte das Baublatt von ihm wissen, wie es nun ist, auf der Mondoberfläche zu laufen. Was ist das schwierigste? Duke schmunzelt: «Das ist gar nicht das Laufen, sondern die Vorbereitung, bis man die Landefähre überhaupt verlassen kann. Sie ist extrem eng und man muss es dort irgendwie schaffen in den Raumanzug zu steigen. Das geht nur mit gegenseitiger Hilfe und viel Training der Abläufe. Wirklich spannend wird es wenn man am Schluss noch den Rucksack anlegt. Dann steht man praktisch Nase an Nase, weil es so wenig Platz gibt.»
Quelle: NASA
Charlie Duke (li) und John Young beim Fahrtraining – noch auf der Erde. Duke war als Kameramann eingeteilt und durfte zu seinem grossen Bedauern nie selbst ans Steuer.
Komplizierte Kleidung für jeden Spaziergang
Der Kanadier Chris Hadfield, der 1995 mit der Raumfähre Atlantis ein Modul und Versorgungsgüter zur russischen Raumstation Mir brachte und 2001 auch auf der Internationalen Raumstation ISS war, erzählt: «NASA besitzt heute lediglich elf Raumanzüge. Nur vier davon sind auf der ISS. Jeder einzelne kostet zehn Millionen Dollar.» Das klinge viel. Aber man müsse berücksichtigen, dass das im Prinzip winzige Einpersonenraumschiffe seien und dafür doch eher günstig. «Sie haben viele Schichten, so dass sie unter anderem vor den auf einen einprasselnden winzigen Teilchen schützen. Der Anzug schirmt auch vor den krassen Temperaturunterschieden ab. Bei meinen beiden Ausserbordeinsätzen war meine Vorderseite plus 200 Grad Celsius ausgesetzt, der Rücken minus 250 Grad.»
«Es ist wie in einen Kühlschrank kriechen»
Die russischen Raumanzüge seien im Vergleich zu den Amerikanischen schwer und verflixt unbeweglich, dafür sehr einfach aufgebaut. Alles was kaputt gehen könne, etwa die lebenserhaltenden Systeme im Rucksack, sei so aufgebaut, dass die Kosmonauten es in der Raumstation mit normalen Werkzeugen reparieren können. Und das Anziehen sei deutlich einfacher als das der amerikanischen Modelle. «Man schlüpft hinein indem man die Rückenklappe öffnet und einfach hineinkriecht. Es ist in etwa so als ob man in einen Kühlschrank steigen würde. Dann macht man die Tür zu, verschliesst sie und es kann losgehen», so Hadfield.
Der amerikanische Anzug erlaubt bessere Beweglichkeit. Dafür ist er deutlich umständlicher anzulegen. «Es ist als würde man die einzelnen Teile um sich herum bauen. Das erste Kleidungsstück ist die Hose, an die schon die Schuhe angebaut sind. Als nächstes muss man sich wie ein Wurm in die Jacke winden und den Kopf irgendwie oben am richtigen Ort herauskriegen. Es ist ein wenig als müsste man sich selbst gebären. Und ich versichere ihnen es ist alles andere als leicht. Dann kommen die Handschuhe. Wenn dann der Helm einrastet ist das wirklich laut. Als letztes kommt ein Jetpack – für den Fall, dass man den Halt verliert kann man damit zur Raumstation zurückfliegen und verwandelt sich nicht einfach in einen Satelliten, der langsam aber unaufhaltsam davon schwebt.»
Quelle: NASA
Charlie Duke beim Sammeln von Bodenproben. Im Hintergrund der geparkte Lunar Rover. Im Helm spiegelt sich Charles Young, der das Foto macht.
Orientierung leicht gemacht
Und wie trainiert man für einen Weltraumspaziergang auf der Erde? «Unter Wasser. Ich habe vier Jahre dafür trainiert. Der Anzug wiegt 150 Kilo, daher wird man mit einem Kran ins Wasser gehoben. Dort aber muss man dann noch eine Menge Bleigewichte anlegen, um auch unterzutauchen.
Ein Rätsel soll an dieser Stelle noch kurz geklärt werden. Charlie Duke erklärte nämlich, dass eine der häufigsten Fragen, die man ihm stelle sei, wie er denn bei den Mondspaziergängen zur Landefähre zurückgefunden habe. Immerhin sei diese ja weitab des eigentlich geplanten Orts auf dem Mond aufgekommen, so dass all sein Training vorab vergebens gewesen sei. Und, wie findet man also zurück? Er schmunzelt: «Das ist gar nicht so schwer. Es ist da oben ja sehr staubig. Also dreht man sich einfach um und folgt seinen eigenen Fussspuren zurück.» Und die sieht man dort bis heute.
Hinweis: Der Artikel entstand im Rahmen einer gesponsorten Pressereise zur Wissenschaftskonferenz Starmus in Yerevan, Armenien.