16:28 VERSCHIEDENES

Der Wald und die Hitze: Wie Bäume extreme Temperaturen überstehen

Teaserbild-Quelle: Alice Gauthey

Während extreme Hitzewellen zunehmen, stellt sich die Frage, ab wann die hohen Temperaturen für Waldbäume kritisch oder gar tödlich werden. Im extrem heissen Sommer 2023  ging ein Team der Eidg. Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft (WSL) und die ETH Lausanne (EPFL) in der Schweiz, in Südfrankreich und in Spanien dieser Frage nach.

Forschungsarbeitenb in Hölstein.

Quelle: Alice Gauthey

Weil die Traubeneichen (Quercus petraea) im Baselbieter Jura gut 30 Meter hoch sind, kam bei den Forschungsarbeiten ein Kran zum Einsatz. (Im Bild: In einer von einem Kran getragenen Kabine erreichte Eugenie Mas die Baumkronen in Hölstein (BL). - In Frankreich genügten Gerüste, um die Steineichen (Quercus ilex) zu vermessen. In Spanien brauchte es keine Hilfsmittel: Die Kermes-Eichen (Quercus coccifera) werden in er Regel nur bis zu 1,5 Meter hoch.

Bei einem massiven Anstieg der Temperaturen überhitzen Wälder, was für sie tödlich sein kann. Eine Gelegenheit, dieses Phänomen zu untersuchen, bot sich Alice Gauthey und einem Team der WSL und EPFL vergangenen Sommer in Frankreich, wo das Thermometer in Steineichenwäldern das Thermometer auf beinahe 50 Grad Celsius kletterte, die höchsten jemals dort gemessenen Temperaturen.

Um zu beobachten, welchen Schwankungen die Temperatur der Baumkronen im Laufe des Tages und des Sommers ausgesetzt ist, liess das Team an heissen Tagen mit Infrarot-Wärmebildkameras versehene Drohnen über Wälder in der Schweiz, Frankreich und Spanien steigen. Dies, um die  Temperatur der obersten Blattschicht im Tagesverlauf zu erfassen. An Zweigen in den Wipfeln wurde zusätzlich die Fotosynthese und der Wasserverlust in den Blättern gemessen.

50 Grad Celsius heisse Eichenblätter

Dabei zeigte sich dass die Eichen verblüffende Temperaturen aushalten. «Die obersten Blätter der Kronen erreichten im August Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius, was ziemlich unglaublich ist», sagt Studienleiterin Charlotte Grossiord, Waldökologin an der WSL und der EPFL. Dies bei einer Lufttemperatur von «nur» rund 40 bis 42 Grad.  

Traubeneiche, botanische Illustration

Quelle: Franz Eugen Köhler, Köhler's Medizinal-Pflanzen von 1897, Gemeinfrei

Weil die Traubeneichen (Quercus petraea) im Baselbieter Jura gut 30 Meter hoch sind, fuhren die Forschenden dort mit einem Kran in luftige Höhen. In Frankreich genügten Gerüste, um die Steineichen (Quercus ilex) zu vermessen. In Spanien brauchte es keine Hilfsmittel: Die Kermes-Eichen (Quercus coccifera) werden in er Regel nur bis zu 1,5 Meter hoch.

Dass die Eichen derartige Temperaturen überleben, liegt laut dem Forschungsteam vermutlich  an ihrer gut ausgebildeten Hitzetoleranz. Letztere schätzten die Fachleute ab, indem sie Blätter im Wasserbad steigenden Temperaturen aussetzten und gleichzeitig massen, wie die Wärme die Fotosynthese-Aktivität in den Zellen zerstörte. «Wir sahen, dass die kritischen Temperaturen erst bei fast 50 Grad Celsius beginnen», sagt Grossiord. Die Eichen in Frankreich und Spanien ertragen bis 51 respektive 53 Grad Celsius Blatttemperatur, die Traubeneichen in der Schweiz halten mit 59 Grad Celsius sogar noch etwas mehr aus. Dass sie diese Temperaturen nur selten erreichten, dürfte an einem anderen Prozess liegen: Wie die Messungen belegen, verloren die Blätter stets etwas Wasser. Denn zwar schliessen Bäume bei Hitze irgendwann die Poren auf der Blattunterseite, über die sie Gase aufnehmen und abgeben. Aber ein wenig Wasser verdunstet passiv durch die Blattoberfläche. Beide Prozesse, der aktive und der passive, spielten eine Rolle, erklärt Grossiord. Sie kühlten die Blätter gerade genügend ab. Nur die exponiertesten Blätter der Kronenschicht wurden braun und dürr.

Die Hitzetoleranz der untersuchten Eichen ist laut Grossiord somit viel höher als jene einiger Nadelbäume, die zuvor in der Schweiz untersucht worden sind. Allerdings: Die Kronenstruktur von Nadelbäumen mit ihren dünnen Nadeln und lockeren Geäst verhindert aber auch derart hohe Temperaturen im Blattinneren. Dies zeigten frühere Versuche des Teams im Walliser Pfynwald.

Laubbäume sind weniger hitzetolerant

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Laubbäume werden bei häufigeren Hitzewellen leiden: «Einige Arten dürften an ihre Grenzen stossen, wenn die Hitzewellen extremer werden», so Grossiord. Das zeigte in der Schweiz bereits der Sommer 2018, Damals verdorrten zahlreiche Buchen auf schlecht wasserspeichernden Böden. Es sei entscheidend zu verstehen, was es bedeutet, wenn zu Trockenheit auch noch sehr hohe Temperaturen hinzukämen, betont Grossiord. Die maximale Hitzetoleranz von Bäumen aus kühlen Regionen wie Skandinavien beträgt nur 35 Grad Celsius, während manche tropische Pflanzen fast 60 Grad verkraftet.

In der Landwirtschaft sind schon viele Techniken im Einsatz, um das Überhitzen von Pflanzen zu verhindern, sagt Grossiord. So werden beispielsweise Infrarotkameras zur Überwachung der Oberflächentemperatur von Feldern eingesetzt, um den Bewässerungsbedarf der Pflanzen zu ermitteln. Im Forstbereich sind Fernerkundungstechnologien noch neu. «Unsere Studie zeigt, dass wir beispielsweise Drohnen oder Satelliten nutzen können, um frühe Hitzestresssignale in Wäldern zu erkennen.» (mgt/mai)

Den originalen Text auf www.wsl.ch lesen.

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