Der älteste Permafrostboden der Welt ist 650‘000 Jahre alt
Im Osten von Sibirien liegt der bislang älteste, bekannte Permafrostboden der Welt. Sein Alter beträgt rund 650‘000 Jahre. Doch mittlerweile ist er in Gefahr. Er taut. Der Hang an dem er sich befindet, erodiert jährlich bis zu 30 Meter.
Quelle: Julian Murton/University of Sussex
Uralter Permafrost im Boden bei Batagay.
Rund zwei Prozent der Schweiz sind von Gletschern bedeckt. Etwa 5 Prozent der Fläche der Schweiz macht Permafrostboden aus. Dieser eisige, Jahrtausende alte Grund in der Schweiz dürfte allerdings im Vergleich zu einem in Sibirien entdeckten Permafrostboden eher jung sein: Der Boden in der Nähe der ostsibirischen Gemeinde Batagai ist seit rund 650'000 Jahren gefroren und damit der bislang älteste, bekannte Permafrostboden der Welt. Dies ist einer Medienmitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) zu entnehmen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HZDR haben zusammen mit britischen und russischen Kollegen den Permafrostboden bei Batagai unter Leitung von Julian Murton von der Universität von Sussex untersucht.
Wenn Permafrostböden wärmere Temperaturen überdauern
Das Alter der Permafrostschicht bei Batagai bedeutet laut Geograph Thomas Opel vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI) in Potsdam, dass diese mehrere Kalt- und Warmzeiten überdauert hat. Diese Erkenntnis sei von Bedeutung, weil sie zeigt, dass Permafrostböden selbst in wärmeren Zeiten nicht gänzlich abtauen müssen, schreibt das HZDR weiter. Denn offensichtlich hat der Permafrostboden von Batagai auch besonders warme Phasen vor rund 130‘000 Jahren überstanden, als die Temperatur in der Arktis im Sommer rund vier bis fünf Grad höher war als heute.
Dennoch verdeutlichen die Forschungsresultate aber auch, dass solcher Grund fragil ist. Einerseits zeigen sie, dass sehr alter, tiefliegender Permafrost bei tiefen Temperaturen im Boden zwar natürliche Wärmeperioden überdauern kann, während der Permafrost anderenorts massiv abtaut. Andererseits zeigt die Situation bei Batagai aber auch, wie empfindlich der Permafrostboden auf Störungen durch den Menschen reagiert.
Kettenfahrzeuge und schädliche Rodungen
Denn der 650‘000jährige Permafrostboden liegt an einem Berghang. Eigentlich befindet er sich in rund 50 Meter Tiefe, wo konstant eine Temperatur von etwa minus 10 Grad Celsius herrscht. Doch der einst bewaldete Hang ist zwischen den 1940er- und 1960er Jahren teilweise gerodet und mit schweren Kettenfahrzeugen einer nahe gelegen Mine befahren worden. In der Folge ging die isolierende Pflanzendecke verloren, worauf der jüngere Permafrost an der Oberfläche im Sommer auftaute. Schliesslich geriet der Boden ins Rutschen, worauf der alte, darunterliegende Permafrost freigelegt wurde.
Seit Jahren trägt das Schmelzwasser nun das aufgetaute Material hangabwärts, sodass ein grosser Krater entstanden ist. Heute ist die Abbruchkante bis zu 50 Meter tief. Zudem erodiert der Hang weiter. Und zwar um bis zu 30 Meter pro Jahr.
Dem Grund auf den eisigen Grund gegangen
Um das Alter des Permafrostes in den verschiedenen Tiefen genau zu bestimmen zu können, hat das deutsch-russisch-englische Forschungsteam unter Leitung von Julian Murton von der Universität von Sussex den Permafrostboden vom oberen Ende der Abbruchkante bis zu ihrem Fuss mit untersucht. So wurde etwa mittels der sogenannten Lumineszenzdatierung oder vielmehr mit Licht gemessen, wann die in den Sandkörnern enthaltenen Quarz- und Feldspatkristalle in den verschiedenen Tiefen von nachfolgenden Schichten überlagert wurden und zum letzten Mal dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Des Weiteren wurde das Alter des Eises eruiert, das sich in Form langer Keile im Laufe von Jahrtausenden im Permafrost gebildet hat.
Zudem massen die Forscher Isotope von Sauerstoff. Als Isotope bezeichnet man Atome desselben Elements, die unterschiedlich viele Neutronen besitzen und damit unterschiedlich schwer sind. Vom Sauerstoff etwa gibt es in der Natur drei Isotope: 16O, 17O und 18O. Im Laufe von Warm- und Kaltzeiten ändert sich die Konzentration der Sauerstoffisotope im Eis der Gletscher und Permafrostböden, woraus man auf die vorherrschenden Klimabedingungen und damit indirekt auf das Alter der verschiedenen Permafrostschichten und des enthaltenen Eises schliessen kann.
Irreparabler Schaden am offen liegenden Permafrost
„Die Datierungsergebnisse von Batagai zeigen eindrucksvoll, wie stabil ein Permafrostboden sein kann und so Jahrhunderttausende überdauert“, sagt Thomas Opel. „Aber auch, wie empfindlich er gegenüber Störungen ist.“ Der Schaden sei irreparabel, weil der offen liegende Permafrostboden in jedem Sommer weiter abtaue. So hat sich din den vergangenen 50 Jahren hat die Hangrutschung bereits auf eine Breite von rund 900 Metern ausgedehnt.
Das Potential des alten Permafrosts von Batagai für die Rekonstruktion von Klima- und Umweltbedingungen vergangener Zeiten ist Gegenstand eines gemeinsamen Forschungsprojekts vom AWI in Potsdam und der englischen Northumbria University, das kürzlich gestartet ist. Mit diesem Forschungsprojekt Projekt soll untersucht werden, unter welchen Klimabedingungen in der geologischen Vergangenheit sich der sibirische Permafrost gebildet hat, stabil war oder sich verringert hat. Solche Erkenntnisse können bei der Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung des Permafrosts im Zuge der voranschreitenden Klimaerwärmung helfen. (mgt/mai)
Linktipp: Informationen rund um den Permafrost in der Schweiz auf www.wsl.ch