Buchtipp: Marmor in allen Facetten
Ende des 18. Jahrhunderts gab der naturwissenschaftlich interessierte niederländische Verleger Jan Christiaan Sepp einen prächtig illustrierten Bildband über die Marmorarten Mitteleuropas heraus, mit Begleittexten in fünf Sprachen. Der Taschen-Verlag hat das Werk als luxuriöse Faksimileausgabe neu aufgelegt.
Quelle: Taschen Verlag
Marmor und andere polierte Steine: Die umfangreiche Sammlung von Vater und Sohn Sepp bildete die Grundlage ihres Marmor-Lexikons.
Mitunter bleiben Resten von Schulwissen kleben. So die Umschreibung des Philosophen Kant, die Aufklärung sei «der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit». Darüber lässt sich diskutieren, aber fest steht: Mit der Aufklärung setzt das Zeitalter der Naturwissenschaften ein. Charles Darwin und Alexander von Humboldt bereisen die Welt und entdecken die Evolution, William Smith erfindet die Geologie, Carl von Linné schafft die Grundlagen der modernen Taxonomie, für Pflanzen, Tiere, aber auch Mineralien.
In dieser Tradition steht das niederländische Verlagshaus Sepp, das Ende des 18. Jahrhunderts gegründet wurde. Verleger Christiaan Sepp war ein begeisterter Naturforscher und vererbte dies auf seinen Sohn Jan Christiaan. Zusammen züchteten und studierten sie Insekten, von denen sie kolorierte Stiche anfertigten. So entstand ihr erster Bildband, mit dem wenig griffigen Titel «Betrachtung der Wunder Gottes in den am wenigsten geschätzten Geschöpfen oder holländischen Insekten, je nach eigenem Haushalt, überraschende Metamorphose und andere interessante Eigenheiten, beschrieben nach persönlicher Erfahrung, genau zum Leben erweckt, in Kupfer gebracht und der Kürze halber gefärbt, gewöhnlich als holländische Insekten bezeichnet». Daneben entstand auch ein prächtiges Buch über die «Holländischen Vögel», mit ähnlich langem Originaltitel, wie damals üblich.
Quelle: Taschen Verlag
Schon der Umschlag ist eine Augenweide: die bibliophile Faksimile-Ausgabe des «Book of Marble».
Marmor und geschliffene Steine
Die Werke von Vater und Sohn Sepp werden heute von Buchliebhaber und der Wissenschaft hoch geschätzt, wie der Begleittext zur Neuauflage erzählt: «Diese umfassenden, kunstvoll gestalteten und mit viel Liebe zum Detail handkolorierten Publikationen gehören zu den schönsten visuellen Ausdrucksformen des aufklärerischen Strebens nach enzyklopädischem Wissen.» Wobei die Bücher wegen der hohen Gestehungskosten damals nicht als Ganzes verkauft wurden: Interessierte mit genug Gulden in der Tasche konnten Exemplare der einzelnen Illustrationen in Subskription erwerben. Waren genug der Stiche veröffentlich, publizierte der Verlag Titelblatt, Vorwort und Inhaltsverzeichnis. Nun konnte man alles zu einem Buch binden lassen.
Auf diese Weise kam auch das «Marmorbuch» von 1776 zustande, das der Taschen-Verlag nun als Faksimile-Ausgabe neu auflegt. Das Werk besteht aus 100 Farbtafeln, auf denen total 570 Marmorsorten abgebildet, beschrieben, sowie nach Herkunft und Sorte klassifiziert sind. Und das alles in den fünf Sprachen Niederländisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Latein. Das Buch befasst sich indes nicht nur mit Marmorarten, sondern auch mit anderen «polierten Steinen», was der Begriff «Marmor» im Niederländischen bedeutet. Allerdings nur solchen aus Steinbrüchen, wie es im Vorwort heisst: «Unser vorhaben aber erstreckt sich nicht auf jene steine dieser art, die sich allenfalls anschleifen lassen, sondern nur auf diejenigen, welche theils aus ordentlichen brüchen ausgefördert, theils zu mancherley endzweck verarbeitete werden.»
Quelle: Taschen Verlag
Detailverliebt und farbenprächtig: Hier einige Beispiele von «Württembergische Marmor».
Steine von «schuppicht» bis «wolligt»
Die Beschreibungen der einzelnen Steine sind dabei ebenso detailversessen wie die Abbildungen, auf welche Vater und Sohn Sepp grösste Akribie verwendet haben. So findet sich etwa ein «weisser, schuppichter, gleichsam als von saolztheilen schimmernder marmor aus dem stadtbruche bei Wonsiedel.» Oder ein «bunter, mausfarb, hellgrau und gelb abgesetzt gefleckter marmor, mit breiten weissen und zarten schwarzen adern, von Weidesgrün.» Und schliesslich ein «mit wolligten und hirschfarbenen, strohgelben, weisslichen und braunen, zum teil wie in einem ast zusammen laufenden Banden durchzogener marmor.»
Die Mehrzahl der beschriebenen Gesteine stammt aus Deutschland, doch sind auch Materialien ais der Schweiz, Österreich, Frankreich, Italien und den Niederlanden selbst beschrieben. Die Schweizer Marmorsorten stammen von «wengin, eisenstiess, oberhasly, belberg, roche vd, wrendolin, grindelwald, baden im aargau».
Handbuch zu 865 Holzarten
Nach dem Marmorbuch folgte im übrigen eine noch umfangreichere Arbeit: 1780 begann der Verlag mit der Herausgabe eines Handbuchs über Holzarten. «Houtkunde» enthält auf 106 Blättern Abbildungen von 865 niederländischen und ausländischen Holzarten aus verschiedenen Sammlungen.
Die Sammlung enthält sowohl Beschreibungen als auch Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Hölzer. Beispielsweise wird das «berkentijnse hout», das Birkenholz, von Möbeltischlern verwendet, das Holz des Ahorns dagegen war in Deutschland und England für die Herstellung von Spielzeug, Tabakdosen und anderem beliebt. «Resonantie hout», Resonanzholz schliesslich, stammt von Schweizer Bergkiefern und kann für die Resonanzböden von Cembalos verwendet werden.
Quelle: Taschen Verlag
Schweizer Steine: eine Seite aus der «Dendritentafeln von baden im aargau in helvetien».
Marmor
Ob als Fassadenelement, Fliese, Bodenbelag, Treppenstufe, Waschbecken, Tischplatte oder klassisch als Skulptur: Der harte und optisch vielseitige Naturstein Marmor war und ist ein begehrtes Material. Und das schon lange: So findet sich auf der griechischen Kykladen-Insel Paros ein Steinbruch, der aus dem siebten Jahrhundert vor Christus datiert. Der Marmor von Paros ist sehr weiss und feinkörnig, weshalb er in der Bildhauerei häufig Verwendung fand.
Bei uns findet sich das Material heute vor allem im Innenausbau: Fassadenplatten aus Marmor verformen sich unter Temperatureinfluss, weshalb er hierfür nördlich der Alpen kaum mehr verbaut wird. Marmorpulver ist im übrigen in Zahnpasta, Papier oder Farben als Weisspigment zu finden. (bk)
Quelle: Bildhauerzentrum Peccia / zvg
Marmor aus den Alpen: der Steinbruch des Bildhauerzentrums in Peccia im Maggiatal.
Infos zum Buch
Quelle: Taschen Verlag
Jan Christiaan Sepp, The Book of Marble, Marmor
Jan Christiaan Sepp: The Book of Marble
Nummerierte Erstauflage, 312 Seiten, zirka 131 Franken
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
ISBN 978-3-8365-9434-9
Durchbruch mit Restposten
Der Verleger Benedikt Taschen wagte 1984 den Einstieg ins Geschäft mi Kunstbüchern. Er kaufte in den USA einen Restposten von Magritte-Bildbänden, zum Stückpreis von einem Dollar, und verkaufte sie dann in Deutschland für damals 9 D-Mark und 95 Pfennig. Innert zwei Monaten waren alle 40000 aufgekauften Exmeplare weg, und Taschen hatte eine Lücke im Kunstbuchmarkt entdeckt: preiswerte, mehrsprachige Bildbände, in möglichst hoher Auflage.
Dreissig Jahre später ist der Taschen-Verlag mit jährlich rund 20 Millionen verkauften Büchern der Weltmarktführer im Segment Bildbände. Neben preisgünstigen Bildbänden hat der Verlag auch aufwendigere und teurere Werke im Programm. So zum Beispiel eine zweibändige Fotosammlung über Arnold Schwarzenegger, vom Schauspieler selber signiert und in limitierter Auflage, die 1500 Euro kostet. (bk)