Buchtipp: Unsichtbare Architektur in der Schweiz
Kaum von der Öffentlichkeit beachtet, verfügt die Schweiz über ein besonderes Kulturerbe: Hunderte von militärischen Festungsbauten, die sich teils raffiniert getarnt über das ganze Land verteilen. Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte hat dem Thema "Festungen in der Schweiz" einen reich illustrierten Band gewidmet. Er erschien im Rahmen ihrer zweisprachigen Reihe "Pages Blanches".
Quelle: Michael Peuckert
Festungswerk Fieudo am Gotthard, 2131 Meter über Meer.
Die militärischen Festungsbauten, die mit ihren Geländehindernissen letztlich Teil der Landschaft sind, spielten wegen der Lage der Schweiz als Passstaat im verkehrstechnisch günstigen Mittelteil des Alpenbogens eine wichtige strategische Rolle. Die meisten der im 19. und 20.Jahrhundert erbauten Festungen werden seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr militärisch genutzt. Mit dem Band "Festungen der Schweiz" präsentieren die Autoren Thomas Bitterli, Juri Jaquemet und Maurice Lovisa in 14 Kapiteln eine Auswahl der wichtigsten Bauten vor. Dabei gehen sie auf Fakten zur Geschichte ein, stellen aber Architektur und aktuellen Nutzungen vor. Ergänzt werden die ausführlichen Informationen von rund 150 Fotografien von Michael Peuckert: Sie zeigen die besondere Ästhetik der Bauten und geben faszinierende Einblicke in eine verborgene Welt.
Wie es in den 1880ern begann
Mit der Etablierung der Gotthardbahn zeigte sich auch die hervorragende strategische Bedeutung der Eisenbahnen. Dies war ein Grund für die damalige Landesregierung, sich auf eine Neufassung der Landesverteidigung zu konzentrieren. Die dafür ins Leben gerufene Festungskommission konzentrierte sich in erster Linie auf den Festungsbau im und auf dem Gotthardmassivs und in der Folge auch um die Verstärkung des Raumes um St.Maurice zur Beherrschung der Achsen Simplonpass und Grosser Sankt Bernhard.
In der Zeit des ersten Weltkrieges ging es vor allem um die Neutralitätssicherung an den Grenzen. Es entstanden neben den bereits erwähnten grossen Anlagen vor allem Feldbefestigungen und halbpermanente Bauten vor allem in der Drei-Seen-Region (Fortifikation Murten), im Raum Olten (Fortifikation Hauenstein) und in der Magadino-Ebene (Monte Ceneri). Zudem wurden am Umbrail-Pass und in der Ajoie (Jura), wo fremde Fronten direkt an die Schweizer Grenze stiessen, wurden umfangreiche Feldbefestigungen installiert.
In den turbulenten auch pazifistischen Jahren nach dem ersten Weltkrieg kam der Festungsbau völlig zum Erliegen. Die Festungskommission wurde aufgelöst und erst 1935 nach der Machtergreifung Hitlers wieder reaktiviert. Ab 1937 bis 1940 erfolgte der Bau einer Bunkerkette mit Hunderten von Anlagen entlang der nördlichen und östlichen Landesgrenzen. Diese Linie wurde an der Westgrenze und über die wichtigsten Alpenpässe in südlicher Richtung fortgesetzt.
In der gleichen Zeit erfolgte eine neue Phase schweizerischen Festungsbaus mit der sogenannten Armeestellung auf einer Linie von südlich von Basel über Hauenstein, Bözberg, Limmat, Zürichsee, Linth und Walensee bis Sargans.
Das Reduit
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs begann die Zeit des Reduit-Baus und des faktischen Rückzugs eines Gros der Armee auf einen alpinen Festungsraum der Widerstand bis zum Letzten erlauben sollte. Neben Infanteriewerken wurden jetzt grosse Felswerke und Artillerie-Werke erstellt wo immer es im Gelände möglich war. Nach dem Krieg wurde das Reduit fertiggestellt und in mit der Verschärfung des kalten Kireges ein neues Festungsbauprogramm lanciert. Die Einsatzgebiete der Grenzbrigaden wurden massiv verstärkt mit neuen Werktypen wie Kugelbunkern und Atomschutzunterständen. Und in den Bergen wurden Logistikanlagen und Flugzeugkavernen tief in den Fels gesprengt.
In den 70er Jahren griff man wieder auf den Monoblock aus armiertem Beton zurück. Das System Bison, bestückt mit 155-Millimeter-Kanonen und das System Centi als Panzerabwehr-Monoblock mit 105-Millimeter-Kanonen. Erst mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall der Sowjet-Union kam das Festungsbauprogramm zum Erliegen. (mai/pd)
Festungen der Schweiz
Thomas Bitterli, Juri Jaquemet und Maurice Lovisa
149 Abbildungen, 196 Seiten, gebunden
Verlag: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK
ISBN: 978-3-03797-307-3
Preis: 90 Franken
www.gsk.ch