Buchtipp: Gefährliche Schönheit Caracas
Wegen der hohen Mordrate gilt sie als eine der gefährlichsten Städte der Welt: Caracas. Dass die Hauptstadt Venezuelas noch ein völlig anderes Gesicht hat, davon erzählen Ivan Gonzàlez Visos und José Rosas Veras in ihrem Architekturführer zur Metropole. Sie machen neugierig auf eine ausserhalb der Architekturszene wenig beachtete Welt.
Im 16. Jahrhundert vom spanischen Eroberer Diego de Losada gegründet, wurde Caracas im Laufe der Jahrhunderte wiederholt von Erdbeben heimgesucht. Dies ist eine der Ursachen, deretwegen kaum bauliche Zeugnisse aus den Anfängen vorhanden sind. Ein weiterer Grund dürfte der Ölboom ab den 30er-Jahren gewesen sein. Die Bevölkerung explodierte und die Stadt wuchs rasant. Während der folgenden Jahrzehnte entwickelte sich in Caracas eine eigenständige, stark von der Moderne inspirierte Architektur.
In den 50er-Jahren habe sich das sich Öffnen gegenüber dem Neuen physisch in der Architektur manifestiert, was die Stadt auch später geprägt habe, schreibt Gonzàlez Viso im Vorwort. Doch mittlerweile verblasst dieses Erbe zusehends. Dies zeigt etwa die Arbeitersiedlung Lomas de Urdameta (Bild) im Stadtteil Catia. Gebaut wurde sie von der Banco Obero unter der Leitung von Carlos Raúl Villanueva: Die Siedlung besteht aus zwölf langgezogenen Bauten, in denen rund 2000 Wohnungen untergebracht sind. Die Bezüge zu Corbusiers Wohnmaschinenkonzept sind unverkennbar. Allerdings fehlt es an öffentlichen Einrichtungen. Vergangenes Jahr ist der Megakomplex jedoch mit einer Sportanlage (vorne im Bild) aus der Feder von Alejandro Haiek ergänzt worden, die entfernt an ein Raumschiff erinnert.
Villanueva hat nicht nur in Catia seine Spuren hinterlassen; Er war massgeblich an der Modernisierung von Caracas beteiligt. Seinem Hauptwerk, dem Universitätsviertel «Ciudad Universitaria de Caracas», widmen die Autoren ein eigenes Kapitel. Es wirkt wie eine grüne Oase der Ruhe im Getöse der Stadt und hat 2002 Unesco-Welterbe-Status erhalten. (mai)
Caracas. Architectural Guide, Ivan Gonzàlez Viso und José Rosas Vera, Englisch, Dom publishers, ISBN 9783869225791, 272 Seiten, broschiert, 52 Franken 90