13:37 VERSCHIEDENES

Baggerschaufeln aus Kalifornien: Von der Baustelle ins Museum

Teaserbild-Quelle: Gina Folly / Museum Tinguely

Baggerschaufeln als Werkzeug für Aufbau und Zerstörung zeigt das Museum Tinguely in Basel. Und tatsächlich: So, wie sie dort wie Skulpturen präsentiert sind, haben sie eine ganz eigene Wirkung und wirken absolut am richtigen Platz im Museum.

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Quelle: Gina Folly / Museum Tinguely

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Quelle: Gina Folly / Museum Tinguely

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Quelle: Gina Folly / Museum Tinguely

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Quelle: Gina Folly / Museum Tinguely

Im grössten Raum des Museums Tinguely stehen sich die schweren Geräte in zwei Reihen gegenüber, wie ein Spalier von Soldaten.

Ein kahler, lichtdurchfluteter Raum. Darin nichts als Baggerschaufeln. Manche übermannshoch. Andere so klein, dass man sich nur knapp das Knie daran anschlagen könnte. Im grössten Raum des Museums Tinguely in Basel stehen sich zwei Reihen Baggerlöffel wie einSpalier stramm stehender Soldaten gegenüber.

Und ja, es ist verblüffend: Das Ensemble hinterlässt einen gewaltigen Eindruck. Wegen der schieren Grösse mancher Exemplare. Wegen der verblüffenden Vielfalt dieser wenig beachteten Alltagsgegenstände der Baustellen dieser Welt. Und weil sie in dieser durchdachten Anordnung so majestätisch scheinen, dass sie an diesem der Kunst gewidmeten Ort keineswegs fehl am Platze wirken. Das mag auch an ihren ungewohnten,bei uns nicht alltäglichen Formen liegen. Sie stammen von einem Lagerplatz in Kalifornienund wirken daher nicht so vertraut wie die, auf die wir auf Schweizer Baustellen treffen.

Aber das ist es nicht allein. Manche der Schaufeln sind kunstvoll und ganz offensichtlich in Handarbeit verziert. Anders, als man meinen könnte, stammen die Muster nicht von der Hand des Künstlers, Cyprien Gaillard, der sie in diese Ausstellung gebracht hat. Sein Beitrag beschränkte sich darauf, die Schaufeln auszuwählen, sie «wie ein Archäologe freizulegen», wie er sagt, sie vom Schmutz zu befreien und einzuölen, um ihnen ungewohnten Glanz zu verleihen. Rost, und Abnutzungsspuren und alle Patinadurften bleiben.

«Fiji Bar Winged Thrasher», 2013. Die ausgestellten Geräte stammen von einem Lagerplatz in Kalifornien und wirken deshalb weniger vertraut.

Quelle: Cyprien Gaillard

«Fiji Bar Winged Thrasher», 2013. Die ausgestellten Geräte stammen von einem Lagerplatz in Kalifornien und wirken deshalb weniger vertraut.

Aufgeschweisste Muster

Dort, wo bei uns ab Werk hochverschleissfester Stahl an besonders beanspruchten Stellen und zwischen den Zähnen beispielsweise von Hoch- oder Tieflöffel aufgebracht wären, setzt manin den USA auf Handarbeit. Statt zu gezieltenPanzerungen greift man dort zum Schweissdraht. Kuratorin Séverine Fromaigeat erzählt: «Die Baggerschaufeln werden an den Verschleissstellen mit Schweissdraht verstärkt. Dabei entwickeln die Arbeiter einigen Ehrgeiz und gestalten das Ganze gekonnt mit selbst entwickelten Mustern. Sie verlängern so den Nutzungszeitraum der Schaufeln. Das geht so weit, dass sie sich gegenseitig am Stil ihrer Schweissarbeit erkennen können.» Die Kuratorin erklärt die Baggerlöffel zur Metapher für die unersättliche Gier der Menschen. Diese für Grossbaustellen so charakteristischen, schweren Geräte würden im musealen Umfeld zu Fossilien. Sie stellt ganz richtig fest: «Hier sind sie wie Reliquien präsentiert. Aber draussen nutzt man sie als ein Werkzeug, mit dem man dieZukunft baut.»

Erst spät bemerkt man die Stäbe aus Onyx und Kalkspat, die oben an den Schaufeln angebracht sind. Den Gedanken hinter dieser Kombination erklärt Fromaigeat so: «Zwischen den lichtdurchlässigen und äusserst zerbrechlichen Mineralien und dem wuchtigen Gerät, das sie zutage fördert, liegen nicht nur bis zu fünf Tonnen Gewicht,sondern auch einige Millionen Jahre.»

In den USA verstärken die Arbeiter die Baggerschaufeln an den Verschleissstellen mit Schweissdraht.

Quelle: Alexandra von Ascheraden

In den USA verstärken die Arbeiter die Baggerschaufeln an den Verschleissstellen mit Schweissdraht.

Überraschend intensiver Anblick

Gaillard betont in diesem Zusammenhang gern, dass Aufbau und Zerstörung keine widersprüchlichen Konzepte seien, stattdessen seien beide Teil desselben Prozesses und zeitlich eng miteinander verbunden. Um neue Gebäude zu errichten, muss das Verschwinden von Bestehendem in Kauf genommen werden. Sei es eine Landschaft, ein anderes Bauwerk oder Niemandsland. Der Aufbau von Neuem erzwingt die Zerstörung des Vorherigen.

Ein weiterer Teil der Ausstellung zeigt eine grossformatige, wandfüllende Videoaufnahme. Ein Schwarm grün schillernder, exotischer Halsbandsittiche fliegt durch die Innenstadt vonDüsseldorf, an Stapeln von Baucontainern vorbei. Ebenfalls ein überraschend intensiver Anblick,da die Kamera sich genau auf Höhe der Vögelbefindet und ihrem rasanten Flug folgt. Die aus der Gefangenschaft geflohenen Vögel sind inDüsseldorf längst heimisch geworden und haben sich zur Plage entwickelt, die den einheimischen Vögeln Futter und Nistplätze streitig macht. Gaillard will damit ein Bewusstsein für die Stadt und ihre manchmal unerwarteten Bewohner schaffen und für das zerbrechliche Gleichgewicht, das sie ausmacht.

«Ivory-Billed Stubtail», 2013. Die grösste Baggerschaufel in der Ausstellung ist deutlich mehr als mannshoch und fünf Tonnen schwer.

Quelle: Cyprien Gaillard

«Ivory-Billed Stubtail», 2013. Die grösste Baggerschaufel in der Ausstellung ist deutlich mehr als mannshoch und fünf Tonnen schwer.

Tranceartig

Im angrenzenden Raum gibt es noch einen 3D-Film mit vom Wind gepeitschten Wachholderbüschen und einem Baum, über den Scheinwerferlicht gleitet. Auch dieser wirkt eigentümlich intensiv. Fast schon tranceartig und halluzinativ trotz der simplen, alltäglichen Motive. Die allerdings weniger alltäglich sind, als man meint – die aus Ostasien eingeführten Zypressen sind ein fester Bestandteil kalifornischer Städte geworden, verbrauchen aber über Gebühr Wasser in dieser an Wasserknappheit leidenden Gegend. Und der Baum, der einen Innenhof mit seinen ausladenden Zweigen füllt, ist derjenige, den Jesse Owens nach seinem vierfachen Goldmedaillengewinn an den Olympischen Spielen 1936 von den Nazis erhalten hat.

Polaroids kurzerhand abgehängt

Übrigens hätten sich im Raum mit den Baggerschaufeln verblassende Polaroidfotos die Wände entlangziehen sollen, die einen städtischen Hintergrund zeigen. Sie waren auch schon aufgehängt. Dann fiel den Ausstellungsmachern auf, dass sie von der Wirkung der Schaufeln ablenkten. So wurden sie wieder entfernt. Fazit: Es ist nur eine kleineAusstellung in drei Räumen. Wer aber demnächst ohnehin in Basel zu tun hat, sollte sie keinesfalls links liegen lassen. Den Verzicht auf die Mittagspause lohnt sie allemal.

Der Künstler Cyprien Gaillard hat die Schaufeln ausgewählt, sie vom Schmutz befreit und eingeölt, um ihnen ungewohnten Glanz zu verleihen. Rost, und Abnutzungsspuren und alle Patina durften bleiben.

Quelle: Cyprien Gaillard

Der Künstler Cyprien Gaillard hat die Schaufeln ausgewählt, sie vom Schmutz befreit und eingeölt, um ihnen ungewohnten Glanz zu verleihen. Rost, und Abnutzungsspuren und alle Patina durften bleiben.

Cyprien Gaillard

Der Künstler, der 1980 in Paris geboren wurde, lebt und arbeitet in New York und Berlin. Er hat an der Ecole cantonale d'art in Lausanne (Ecal) studiert und sein Studium 2005 abgeschlossen. Gaillard ist Träger des Prix Marcel Duchamp (2010). Sein Schaffen beleuchtet das zwiespältige Verhältnis unserer Gesellschaft zu Zerfallsprozessen und Ruinen. Als Reisender durchstreift er die Welt, sammelt unterwegs Fundstücke und erzählt mit ihrer Hilfe von der unaufhörlichen Veränderung der urbanen Landschaft. Vor allem der Umgang mit dem architektonischem Erbe ist ihm wichtig. Zudem ist ervon Gebäudeabrissen und der modernistischen Architektur der Nachkriegszeit fasziniert. Ihm wird oft ein «archäologischer Blick auf Natur und Architektur» attestiert. (ava)

Cyprien Gaillard. Roots Canal
bis 5. Mai im Museum Tinguely, Basel
www.tinguely.ch

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