Ausstellungstipp: Willy Guhl, Schweizer Designpionier
Er hat Ikonen des Designs entworfen, wie zum Beispiel einen Strandstuhl aus Eternit: Willy Guhl. Das Museum Gestaltung in Zürich widmet seinem Schaffen eine Sonderausstellung.
Quelle: Fachklasse für Fotografie © ZHdK
Blumenkistchen, 1954, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Willy Guhl (1915-2004) hat so weltbekannte Sitzmöbel wie Europas erste Sitzschale aus Kunststoff entworfen, aber auch einen Strandstuhl aus Eternit. Während Jahrzehnten praktizierte und vermittelte der Designer einen am Menschen und seinen Bedürfnissen orientierten Gestaltungsansatz. Ein Anliegen war ihm dabei nützliches, materialgerechtes, langlebiges und für alle zugängliches Design – seien es Blumenkistchen, eine Badewanne, Hocker, Kerzenständer oder ein Landwirtschaftsfahrzeug. Guhls beispielhafte Entwürfe prägen die Produktkultur bis heute.
Sonderstellung in der Schweizer Designgeschichte
Dass die Schau im Kunstgewerbemuseum in Zürich stattfindet, passt. Schliesslich war Guhl auch Lehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich (heute Zürcher Hochschule der Künste) gewesen. Er hat unter anderem deshalb in der Schweizer Designgeschichte auch eine Sonderstellung: Er trug sein eigenes Schaffen direkt in die Lehre, während Themen der Lehre wiederum seine Entwürfe prägten. So avancierte die Fachklasse „Innenausbau“, die Guhl an der Zürcher Kunstgewerbeschule in den 1930er-Jahren besucht hatte, unter seiner Leitung zur Fachklasse „Innenarchitektur und Produktgestaltung“ erweitert. Entworfen wurde bei Guhl nicht mehr ausschliesslich am Zeichenbrett, sondern auch in der Werkstatt, wo seine Studenten Modelle bauten und damit ihre Vorstellungen überprüften.
Das direkte Ausprobieren im Material, Entwerfen im Machen ist eine eigene Denkart, die im Ausstellungs-Projekt als „Denken mit den Händen“ bezeichnet werde, wie es in der Mitteilung zur Ausstellung heisst. Als verkörpertes Wissen, das auf der Wahrnehmung aller Sinne beruhe, lasse es sich nicht verschriftlichen, sondern könne in Zeichnungen, Modellen oder Fotografien entdeckt werden.
Quelle: Erben von Willy Guhl
Willy Guhl im Unterricht, Fachklasse für Innenausbau, 1951
Als sich die Schweiz ab 1940 am Wiederaufbau im weitgehend vom Krieg zerstörten Europa beteiligte und Material knapp war, entwarf Guhl entwarf Paketmöbel. Damit entwickelten sich sein Designansatz und seine Lehre weiter, von «der guten Form» in den 1950er- und dem Nonkonformismus in den 1970er-Jahren bis hin zur boomenden Designindustrie in den 1980er-Jahren. Zwar blieb Guhl seinen Werten treu, war aber stets offen gegenüber neuen Technologien und sich wandelnden Herausforderungen.
Dem Denken mit den Händen zusehen
Die Ausstellung basiert auf Erkenntnissen aus einem vom Schweizerischen Nationalfonds geförder-ten Forschungsprojekt. Es geht um Entwurfsprozesse, Möbel und Produktdesign, zudem sind Fotos aus Willy Guhls Nachlass zu sehen. Neben einem Filmporträt von 1985 werden Interviews mit ehemaligen Schülern wie Hansruedi Vontobel, Klaus und Rosmarie Vogt, Robert Haussmann, Carmen Greutmann, Alois Rasser, Pit Wyss, Silvio Schmed oder Stefan Zwicky gezeigt.
Das Publikum kann in der Ausstellung Guhls Designdenken auch physisch erleben. Eigens gefertigte, unter anderem von Designstudierenden der École cantonale d'art de Lausanne ECAL ent-worfene Exponate machen es möglich, sich in Guhls ergonomischen Sitzschalen zu setzen. Oder aber selbst kreativ zu werden und beim Flechten, Knüpfen, Knoten oder Spielen den eigenen Händen beim Denken zuzusehen. (mgt/mai)
Die Ausstellung Willy Guhl - Denken mit den Händen läuft bis 26. März 2023 im Museum für Gestaltung an der Ausstellungsstrasse in Zürich
Öffnungszeiten:
Dienstag und Mittwoch 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 20 Uhr, Freitag
bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Montag geschlossen / Feiertage: 24., 25. und
26. Dezember sowie 1. und 2. Januar geschlossen; 31. Dezember, 10 bis
17 Uhr
Weitere Informationen: www.museum-gestaltung.ch
Quelle: U. Romito und I. Šuta, Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Strandstuhl, 1954, Eternit AG, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: ZHdK © Eternit AG
Eternit AG, Werbeprospekt, Sitz für Strand und Garten von Willy Guhl, 1956, Designsammlung Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: U. Romito und I. Šuta, Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Sitzschalenmodell, um 1949, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: U. Romito und I. Šuta, Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Sitzschale, 1951, Scobalit AG, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: U. Romito und I. Šuta, Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Lehnstuhl, 1948, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: U. Romito und I. Šuta, Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Peddigrohrstuhl, 1948, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Bill W. Guhl © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl zeigt seinen Bankstuhl, um 1960, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Emil Guhl
Willy Guhl liegt auf der Sitzstudie in Lehm, 1947, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Erben von Willy
Willy Guhls Kreislaufwanne im Vergleich zu herkömmlichen Badewannen, 1956, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich, Illustration: Willy Bärtschi
Quelle: U. Romito und I. Šuta, Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK © Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Gartenstuhl,1948, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Stuhlentwurf für die Dietiker AG, um 1963, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Entwurfszeichnung, Storage Units, 1948, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Erben von Willy Guhl
Willy Guhl, Entwurfszeichnung, Aebi Terratrac TT33, um 1978, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich
Quelle: Foto: Bernhard Moosbrugger / Fotostiftung Schweiz
Willy Guhl, Element der Storage Units, 1948, Designsammlung, Museum für Gestaltung Zürich