Ausstellung „Textiler Garten“: Wo die Wolle und andere Fasern blühen
Ein besonderer Garten gedeiht noch bis Ende Monat
im Museum für Gestaltung in Zürich: Zum Teil raumgreifende Textilkunstwerke und
-installationen laden in der grossen Ausstellungshalle mit der Schau „Textiler
Garten“ zum Staunen ein. Sie versammelt Schätze aus zwei weltweit bedeutenden
Sammlungen der Fiber Art, der Fondation Toms Pauli und des Museums für
Gestaltung Zürich.
Quelle: Regula Bearth, ZHdK
Es blüht und gedeiht in allen Fasern und Farben: die Ausstellung "Textiler Garten" im Museum für Gestaltung in Zürich läuft noch bis 30. Oktober.
Bewegt man sich zwischen den bunten, manchmal beinahe gigantisch anmutenden Stücken aus Seilen, Garnen, Fäden und Fasern hindurch, wähnt man sich zum Teil tatsächlich in einer Art Garten oder Dschungel mit Lianen und mit von Moosen und Gräsern überwucherten Flächen. In manchen Ecken verwandelt die Ausstellung die Halle in stille beinahe intime Orten, weil Textilien die Geräusche schlucken.
Mehrheitlich stammen die gewobenen und geknüpften Werke von Frauen; sie haben ab 1960 mit ihren Kreationen die Textilkunst radikal erweitert. Ihre Tapisserien verliessen die Wände und brachen mit der jahrhundertealten Tradition des Bildteppichs. Sie bewegten gewissermassen in den Raum hinein und wurden dreidimensional. Zudem suchten die Künstlerinnen mit ihren Werken einen kreativen Dialog zwischen Material und Technik, indem sie sich mit textilen Traditionen auseinandersetzten und diese auf ihre persönliche Weise neu interpretierten.
Die Fiber-Art-Bewegung hat sich in verschiedenen Erdteilen unabhängig voneinander entwickelt. Eine der ersten Präsentationen fand 1961 in Staten Island Museum in New York statt, mit einer Einzelausstellung von Lenore Tawney. Sie hat ihre Inspiration, wie weitere Künstlerinnen, in präkolumbianischen Web- und Wirktechniken gefunden. Gerade Mal drei Jahre später fand schliesslich die erste Ausstellung über Nordamerikanische Fiber Art in Europs statt, im Museum für Gestaltung in Zürich.
Sisal und Hanf statt feine Garne
Anders verlief die Entwicklung der Fiber Art in osteuropäischen Ländern: Hier wurden Kunsthandwerk und Kunst häufig an denselben Akademien unterrichtet, was dazu führte, dass sich die beiden Bereiche zu überschneiden begannen. Weil aber die historischen Tapisseriemanufakturen im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind, mussten die Künstlerinnen ihre Entwürfe selber auszuführen, gleichzeitig mangelte es an feinen Garnen. So griffen Künstlerinnen wie Magdalena Abakanovicz oder Jagoda Buić auf Schiffstaue aus Sisal oder Hanf zurück, die sie aufdrehten und mit natürlichen Pigmenten färbten.
Derweil war die Materialwahl von Schweizer Künstlerinnen wie Elsi Giauque, Pierrette Bloch oder Françoise Grossen individuell geprägt, sie verwendeten etwa Maisblätter und Pferdehaar aber auch Sisal. Sie wurden damit frühzeitig Teil der neuen Kunstform. Derweil setzt Lissy Funk zwar auf die Technik der Stickerei und betritt damit gleichzeitig konsequent auf gestalterisches Neuland. (mai)
Textiler Garten bis 30 Oktober 2022
Museum für Gestaltung, Ausstellungsstrasse, 8031 Zürich
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr
Weitere Infos: https.//www.museum-gestaltung.ch
Centre international de la Tapisserie Ancienne et Moderne
1961 gründeten Alice und Pierre Pauli mit Jean Lurçat in Lausanne das «Centre international de la Tapisserie Ancienne et Moderne» (CITAM). Dessen Ziel war es, die Vitalität und Kreativität der zeit-genössischen Tapisserie zu dokumentieren und sichtbar zu machen. Ab 1962 organisierte das Musée des Arts Décoratifs in Lausanne die «Biennales internationales de la Tapisserie», die auf Basis eines Wettbewerbs den Anspruch hatten, den «Seismografen» der zeitgenössischen Textilkunst zu verkörpern. Viele der in der Ausstellung Textiler Garten gezeigten Arbeiten wurden ursprünglich für eine der Lausanner Biennalen konzipiert. (mgt)