Attisholz-Areal bei Riedholz SO: Die grösste Industriebrache der Schweiz entdecken
In den nächsten Jahren soll die grösste Industriebrache der Schweiz zum urbanen Quartier werden. Noch sind die Bagger auf dem Attisholz-Areal nicht aufgefahren. Es lädt mit zahllosen Graffiti zum Verweilen ein – und zu einem Ausflug in ein Stück Schweizer Industriegeschichte.
Quelle: Silva Maier
Industriedenkmal an der Aare: die ehemalige Zellulosefabrik auf dem Attisholz-Areal.
Die Sonne brennt auf die bunt besprayten Betonmauern. Hier schlängeln sich die Tentakel eines Oktopus’ über den rauen Grund, dort fügen sich Buchstaben zu einem wilden Muster zusammen und da saust ein kleines Ufo über Tags. Dazwischen wuchern Gräser und Wiesenblumen. Und im wenige Zentimeter gefüllten Wasserbecken schimmert es algengrün. Ist dies eine Ruine oder doch ein Park? So klar ist es auf den ersten Blick nicht. Bei dem Ort handelt es sich um die Überreste der Kläranlage, die einst zur Zellulosefabrik der 1881 gegründeten Cellulose Attisholz AG gehörte, der einzigen ihrer Art in der Schweiz.
Das im Süden der Gemeinde Riedholz SO und an der Aare gelegene Fabrikareal dürfte einer der eindrücklichsten Zeugen schweizerischer Industriegeschichte sein. Zunächst wurde hier vor allem Rohstoff für Papier respektive Zellstoff hergestellt, ab 1914 startete man mit der Produktion von Ethanol. Ein knappes Jahrhundert später endete die Geschichte der Fabrik: Nachdem sie die Ems Chemie 2000 erworben und 2002 an Borregaard weiterverkauft hatte – ein Tochterunternehmen des norwegischen Mischkonzerns Orkla – wurde der Betrieb 2008 eingestellt.
Seit 2016 befindet sich die grösste Industriebrache der Schweiz im Besitz der Halter AG: Sie soll im Lauf der kommenden 25 Jahre zum «urbanen Dorfteil von Riedholz» mit gemischter Nutzung weiter entwickelt werden. Seit letztem Jahr ist die dafür notwendige Nutzungsplanung rechtskräftig. Und vergangenen März ist der Studienauftrag für das Gebäude der Kocherei entschieden worden, hier kochte man einst das Holz für die Gewinnung von Zellulose aus. Vorgesehen ist laut Medienmitteilung der Halter AG «ein hochwertiges Projekt», das Wohn-, Dienstleistungs- und Gewerbeflächen sowie Gastronomiebereichte umfasst. Sieger wurde der Beitrag der Burckhardt Architekten aus Basel, die Realisierung ist von 2024 bis 2026 vorgesehen.
Von der Kläranlage zum Säureturm
Quelle: Silva Maier
Die ehemalige Kläranlage ist zu einem Garten aus Beton, Wasser und Pflanzen geworden.
Aber noch kann beinahe der gesamte Ort erkundet werden. Wer sich in der Kläranlage fertig umgesehen hat, quert die Eisenbahnbrücke, die 1889 eigens für die Fabrik gebaut worden ist. Am gegenüberliegenden Aareufer liegt der grössere Teil des Areals: gigantische Hallen, ein Säureturm, ein Tunnel und weitere teils rätselhafte, verwitterte Strukturen. Auch hier dienen die Mauern als Malgrund für Wandbilder und Graffiti. So zufällig sie erscheinen, so wenig ist wohl dem Zufall überlassen. Dahinter steckt der Verein Beneath the Surface (BTS), er besteht aus Künstlerinnen und Künstlern sowie Interessierten, die auf dem Areal in Absprache mit der Eigentümerin Kunstwerk schaffen, wie auf der Website des Areals zu erfahren ist.
Ist man auf eigene Faust auf dem Areal unterwegs, bleibt einem das Innere der stillgelegten Produktionsstätten verschlossen. Ein paar davon können im Rahmen einer Führung (https://attisholz-areal.ch/arealnutzung/arealfuehrungen) betreten werden. Immerhin lässt sich mancherorts durch die Fenster spähen und den einen und andern Blick auf surreal anmutende Räume werfen. Zudem werden die Hallen zum Teil für verschiedene Veranstaltungen genutzt. Draussen wurde ausserdem eine Open-Air-Bühne installiert und ein Kinderspielplatz angelegt. Daneben sind Bars und Restaurants in der ehemaligen Fabrik eingezogen, sie machen vor allem bei schönem Wetter Lust zum Verweilen.
Weitere Informationen zu Anfahrt, Veranstaltungen und Geschichte: https://attisholz-areal.ch