Archäologie: Tierkreise im Tempel von Esna freigelegt und restauriert
Im Tempel von Esna, in der gleichnamigen rund 60 Kilometer südlich von Luxor gelegenen Stadt, hat ein ägyptisch-deutsches Forschungsteam eine Serie prächtiger Deckenbilder freigelegt, darunter seltene Himmelsdarstellungen. Mittlerweile wurden sie komplett restauriert und haben ihre Farbigkeit zurück erhalten.
Quelle: Roland Unger, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Der Tempel von Esna.
Die reliefartig gestalteten Bilder zeigen unter anderem einen
vollständigen Tierkreis, auf weiteren sind die Planeten Jupiter, Saturn und
Mars sowie Sterne oder Sternbilder zu sehen, die in der Antike der Zeitmessung
dienten. „Darstellungen des Tierkreises sind in ägyptischen Tempeln sehr selten“,
erklärt Christian Leitz von der Universität Tübingen, der das Projekt zusammen
mit Hisham El-Leithy vom ägyptischen Ministerium für Tourismus und Antiken
leitet. Laut Daniel von Recklinghausen, ebenfalls von der Universität Tübingen,
erklärt, gibt es ausser in Esna nur noch im Tempel von Dendera zwei komplett erhaltene Tierkreisedarstellungen.
Fachleute vermuten, dass das System der Tierkreiszeichen und die damit verbundenen Sternbilder von den Griechen nach Ägypten importiert worden sind. In der Folge erfreuten sich Tierkreise grosser Beliebtheit, und zwar als Dekoration für private Gräber oder Sarkophage. Zudem finden sie sich in astrologischen Texten, etwa in Horoskopen, die man auf beschrifteten Tonscherben gefunden hat. Wie Leitz ausführt, ist der Tierkreis selbst Teil der babylonischen Astronomie und tauchte in Ägypten erst in ptolemäischer Zeit auf, das heisst zwischen 332 vor und 30 nach Christus.
Tierkreiszeichen und Mischwesen bevölkern den Tempel
Quelle: Ahmed Amin, Ministerium für Tourismus und Antiken
Eine Darstellung des Tierkreiszeichens des Schützen, nach der Restaurierung.
Quelle: Ahmed Amin, Ministerium für Tourismus und Antiken
Die Darstellung vor der Restaurierung, als sie noch unter einer Schmuckschicht verborgen war.
Neben dem Tierkreis und den Sternbildern gelangten bei der
Restaurierung auch Darstellungen von Schlangen, Krokodilen und Mischwesen ans Licht:
zum Beispiel eine Schlange mit einem Widderkopf oder ein Vogel mit einem
Krokodilkopf, dem Schwanz einer Schlange und vier Flügeln. Ausserdem ist das Team
bei der Restaurierung auf Beschriftungen gestossen, die laut Medienmitteilung
in der Wissenschaft bislang unbekannt gewesen sind.
Dass die Darstellungen im Tempel von Esna wieder in beinahe alter Pracht erstrahlen können, verdanken sie einer Schmutz- und Russschicht, unter der sie beinahe 2000 Jahre verborgen gewesen waren, denn die Schicht hatte sie gewissermassen konserviert. Allerdings seien die Deckenbilder und Aufschriften durch die starke Verschmutzung jahrhundertelang auch kaum zu erkennen gewesen, heisst es in der Medienmitteilung der Universität Tübingen. (mai/mgt)
Quelle: Ahmed Emam, Ministerium für Tourismus und Antiken
Die Dekane, nach dem die Schicht aus Russ entfernt worden ist; Dekane sind Sternbilder, die der Messung der zwölf Nachtstunden dienten.
Quelle: Ahmed Emam, Ministerium für Tourismus und Antiken
Darstellung der Dekane vor der Restaurierung.
Quelle: Ahmed Amin, Ministerium für Tourismus und Antiken
Darstellung geflügelter Schlangen und eines Mischwesens aus Vogel, Krokodil und Schlange.
Quelle: Ahmed Emam, Ministerium für Tourismus und Antiken
Darstellung geflügelter Schlangen und eines Mischwesens aus Vogel, Krokodil und Schlange vor der Restaurierung.
Tempel von Esna
Von dem Tempel in Esna, der zu einem grossen Teil in der ptolemäischen Epoche
enstanden ist, ist nur noch die Vorhalle – respektive der so genannte
Pronaos – erhalten geblieben, allerdings vollständig. Mit 37 Metern
Länge, 20 Metern Breite und 15 Metern Höhe ist der Sandsteinbau
spätestens unter dem römischen Kaiser Claudius, zwischen 41und 54 n.
Chr., vor das eigentliche Tempelgebäude gesetzt worden. Dieser Anbau
dürfte laut Fachleuten den bestehenden Tempel in den Schatten gestellt
haben.
Vermutlich hat die Lage mitten im Stadtzentrum dazu beigetragen, dass die Vorhalle erhalten geblieben ist und nicht wie andere Gebäude während der Industrialisierung Ägyptens für die Gewinnung von Baumaterial als Steinbruch zweckentfremdet worden ist. – Bereits zu Zeiten Napoleons erregte der Pronaos in Fachkreisen viel Aufmerksamkeit, weil man in ihm ein Idealbeispiel altägyptischer Tempelarchitektur erkannte. (mgt/mai)
Weitere Informationen und Bilder auf der Website der Universität Tübingen.
Weiterer Artikel zum Projekt des Tempels von Esna: Prächtiges Deckengemälde im Tempel von Esna entdeckt vom 17. Mai 2022