Altlastensanierung: Ehemalige Papierfabrik am Zürichsee muss zahlen
Eine ehemalige Papierfabrik am Zürichsee muss die Beseitigung von Papierschlammablagerungen im See bezahlen. Dies hat das Zürcher Baurekursgericht entschieden. Die Fabrik wehrte sich gegen Kosten von 8,55 Millionen Franken und pochte unter anderem auf Verjährung.
Das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich (Awel) stufte im Sommer 2017 eine Papierschlammablagerung im Zürichsee als toxische und sanierungsbedürftige Altlast ein. Es verpflichtete daher die Verursacherin, eine ehemalige Papierfabrik, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 8,55 Millionen Franken für die zukünftig anfallenden Kosten der Sanierung zu erbringen. Gemäss Awel zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Papierschlammablagerung mittlerweile eine Fläche von rund 25'000 Quadratmetern und ein Volumen von zirka 12'500 Kubikmeter umfasst. Zudem wird das Gefährdungspotenzial für den Zürichsee als wichtiger Lebens- und Erholungsraum respektive als Trinkwasserspeicher "als hoch eingeschätzt".
Papierfabrik: Ansprüche sind verjährt
Der ehemalige Papierhersteller, der sich inzwischen in Liquidation befindet, bestreitet die Notwendigkeit der Sanierung nicht – er will sie aber nicht bezahlen. Deshalb gelangte er ans Zürcher Baurekursgericht. Für das Unternehmen ist der Sanierungs- und Kostentragungsanspruch des Gemeinwesens über 50 Jahre, nachdem mit der Einleitung des Papierschlamms in den See gestoppt wurde, verjährt. Die Papierschlammablagerung stelle keine unmittelbar drohende, konkrete Gefahr für Leib und Leben der Bevölkerung und somit keinen polizeiwidrigen Zustand dar, der eine Ausnahme von der Verjährbarkeit des staatlichen Anspruchs auf Beseitigung rechtfertige.
Dem widerspricht das Baurekursgericht, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil hervorgeht. Es handle sich bei der Papierschlammablagerung um einen polizeiwidrigen Zustand, der bis heute andauere. Die Verunreinigung des Zürichsees – eines für die Stadt Zürich und Umgebung zentralen Trinkwasserreservoirs – betrifft laut Gericht die öffentliche Gesundheit und damit den Schutzbereich der Polizeigüter. Für das Gericht ist daher klar: Solange dieser polizeiwidrige Zustand andauert, ist die Verjährung des staatlichen Anspruchs auf Sanierung ausgeschlossen.
Gericht: Kosten sind noch nicht bekannt
Dasselbe gilt für die Kostentragungspflicht der ehemaligen Papierfabrik: Auch dieser staatliche Anspruch des Gemeinwesens ist noch nicht verjährt. Solange die Sanierungsmassnahmen nicht abgeschlossen und die daraus entstehenden Kosten nicht bekannt seien, könne eine Ersatzforderung nicht verjähren. Denn mit der jetzt angefochtenen Verfügung wurde erst ein pauschaler Kostenverteiler festgesetzt. Dieser bildet unter anderem die Grundlage für die anteilsmässige Leistung der Sicherheit. Die definitiven Kosten werden erst nach Abschluss der altlastenrechtlichen Massnahmen in einer separaten Verfügung geregelt – und erst dann beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen. Das Gericht hat den Rekurs, der noch nicht rechtskräftig ist, daher abgewiesen.
Behörden erlaubten Einleitung in den See
Die 1940 gegründete Papierfabrik, die 2006 ihre Produktion ins Ausland verlagerte, hat ab 1947 jahrelang den aus der Produktion anfallenden Papierschlamm in den Zürichsee eingeleitet – mit Erlaubnis der Behörden. Als sich 1960 herausstellte, dass die Abwasserleitungen auf dem Seegrund vor dem Fabrikareal zu einer grossen Ablagerung auf dem Grund des Zürichsees führte, intervenierten die Behörden: Die Firma musste ihre Fabrik an die kommunale Abwasserreinigungsanlage anschliessen, was 1963 auch geschah. Zudem wurde damals festgehalten, dass die Fabrik für jeden Schaden haftet, der durch die Abwasserleitung in den See entstehen sollte. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde die Ablagerung als weitgehend unproblematisch angesehen.
Die landseitige Beseitigung der Verschmutzung wurde schon vor einiger Zeit durchgeführt: Bevor das ehemalige Fabrikareal im Jahr 2010 verkauft wurde, wurde es auf Kosten des Papierherstellers total dekontaminiert. Heute steht auf dem Ufergrundstück eine Wohnüberbauung. (sda)