08:34 SWISSBAU

Fassade aus anodisiertem Aluminium als Sonnenschutz

Geschrieben von: Claudia Bertoldi (cb)
Teaserbild-Quelle: Philipp Zinniker

Die Fassade des neuen Hauptsitzes von Scott Sports in Givisiez FR besteht aus anodisiertem Aluminium. Dies verleiht dem Gebäude einen speziellen Charakter und die mikroperforierten Fassadenelemente regulieren zudem je nach Sonnenstand die Beschattung des Hauses.

Aluminium-Fassade Scott Sports Centerin Givisiez

Quelle: Philipp Zinniker

Die Fassade des neuen Scott Sports Centerin Givisiez setzt sich aus Aluminiumelementen zusammen. Die dreieckigen, mikroperforierten Sonnenschutzelemente verleihen dem Gebäude ein kontinuierlich wechselndes Aussehen.

Leicht und dennoch stabil, zugfest, schwindungsarm und korrosionsbeständig und gut zu formen. Das Leichtmetall Aluminium ist nach Sauerstoff und Silicium das dritthäufigste Element und damit auch das häufigste Metall der Erdkruste.

In der Werkstofftechnik werden mit Aluminium alle Werkstoffe auf Basis des Elements verstanden. Neben Reinaluminium zählen dazu vor allem Legierungen, die eine hohe Festigkeit besitzen, im Vergleich mit Stahl aber eine wesentlich geringere Dichte haben und somit auch viel leichter sind. Zum Schutz vor äusseren Einflüssen wird Aluminium beschichtet.

Entdeckt wurde Aluminium im frühen 19.Jahrhundert, die industrielle Massenproduktion begann Anfang des 20. Jahrhunderts. Damit erfolgte auch der Einsatz im Bauwesen. Vor allem im Fassaden- und Fensterbau findet Aluminium Anwendung. Das Metall muss zuvor aber einer besonderen Oberflächenbehandlung unterzogen werden.

Die Behandlung der Fassadenelemente des Scott-Firmensitzes wurde von BWB Oberflächentechnik ausgeführt. Das Unternehmen hat grosse Erfahrung in der funktionellen und dekorativen Oberflächenbehandlung von Aluminium. Myrtha Bosshard, Leiterin Verkauf Architektur und Mitglied der Geschäftsleitung der BWB-Gruppe, berichtete während einer Veranstaltung in der Baumuster-Centrale Zürich über das Eloxal-Verfahren und die Möglichkeiten der Behandlung von Fassadenelementen aus Aluminium.

Die BWB wurde 1989 in Stans-Oberdorf gegründet. Mit der 1991 hinzugekommenen BWB-Altenrhein AG am Bodensee wurde der Bereiche Architektur aufgebaut. Inzwischen werden an zwei Schweizer Standorten, in Altenrhein und in Büren an der Aare, Profile und Bleche für Fassaden und Metallbauten beschichtet.

Im niederländischen Neer befindet sich die grösste firmeneigene Eloxal-Anlage Europas. In ihr können Teile wie Schiffsmasten, Maschinenbauplatten, Verbindungsbrücken und riesige Profile mit einer Länge von bis zu 22 Metern und einem Gewicht von bis zu drei Tonnen getaucht werden.

Wir haben bei der Entwicklung auch Querdenker mit ins Team genommen, um die beste Lösung zu finden.

Tima Kamberi, Architektin, Itten + Brechbühl AG, Leiterin Entwurf Entwicklung und Mitglied der Standortleitung Bern

Tima Kamberi, Architektin, Itten + Brechbühl AG, Leiterin Entwurf Entwicklung und Mitglied der Standortleitung Bern

Eloxieren in der Architektur

Anodisierte Oberflächen schützen Aluminium über einen sehr langen Zeitraum gegen Witterungseinflüsse. Die auf diese Weise behandelten Fassaden sind wetterbeständig und sie zeichnen sich durch eine hohe Farbechtheit aus.

«Die Bauteile sollen nicht nur eine nachhaltige, sondern gleichzeitige eine ästhetische Rolle erfüllen», betont Myrtha Bosshard. Die farbanodisierten Oberflächen verleihen den Gebäuden Eleganz und einen hohen Wiedererkennungseffekt. Ein relativ geringer Reinigungs- und Wartungsaufwand sowie die lange Beständigkeit der schimmernden Farbtöne seinen weitere Pluspunkte dieser Fassade.

Zudem sei das Material auch im eingefärbten Zustand zu 100 Prozent recycelbar, da Metallsalze in die Poren eingelagert werden, die ebenfalls recycelt werden können. «Anwendung finden die anodisierten Aluminiumteile unter anderem auch bei Türen und Fenstern, selbst bei Designstücken wie Paketanlagen sowie im Fahrzeug- und Messebau. Ein langsam wachsender Markt ist aber auch der Kunstbereich, wo Kunstwerke komplett aus eloxiertem Aluminium gefertigt werden», erklärt die Fachfrau.

Im Gegensatz zu anderen Oberflächenbehandlungen wie der Pulverbeschichtungen kann bei der Anodisation allerdings nicht die komplette Farbpalette der RAL-Farbtöne angeboten werden. Die nach einem eigenen Farbsystem eingefärbte anodisierte Oberfläche bewahrt allerdings ihren metallischen Charakter. Die Farbe wird dabei fest mit dem Grundmaterial verbunden, sie ist daher sehr lichtbeständig.

Eloxieren gleich Anodisieren

Anodisieren oder Eloxieren bezeichnet denselben Vorgang. Eloxal steht als Abkürzung für elektrolytische Oxidation von Aluminium. Ziel ist es, eine gleichmässige, widerstandsfähige und korrosionsbeständige Aluminiumoxid-Schicht zu erzeugen. Die Dicke der Schicht kann beeinflusst werden, je stärker die Schicht ist, umso höher ist die Qualität.

Die rund 1200 dreieckigen Fassadenelemente des Scott-Firmensitzes wurden in der Eloxalanlage der BWB-Bürox AG bearbeitet. Jedes Teil wiegt gut 30 Kilogramm und ist bis zu drei Meter lang. Die Montage und Demontage der Werkstücke an die Tragstruktur müssen von Hand vorgenommen werden, da die Geometrien der Teile variieren.

Die Werkstücke werden dabei an den Balken angebracht, wobei sich die Befestigung als besondere Herausforderung erwies. Da die Elemente beidseitig sichtbar sind, die Kontaktpunkte aber weder eloxiert und noch eingefärbt sind, mussten sie an den schmalen Seiten angebracht werden.

Die Vorbereitung des Rohaluminiums beeinflusst das Endergebnis. Die Werkstücke werden zunächst entfettet und in Natronlauge gebeizt. Dabei werden vorhandene Kratzer entfernt. Nach einem Spülvorgang wird die anhaftende alkalische Badlösung beim Dekapieren entfernt. Es ist das Vorbereitungsbad für das Eloxieren, das nun beginnen kann. Dafür werden die Werkstücke an einen Gleichstromkreis angeschlossen.

Die Bauteile verbleiben etwa eine Stunde in einem Elektrolytbad wie Schwefel- oder Salzsäure. Hierbei wird aus dem wasserhaltigen Elektrolyten an der Aluminiumoberfläche Sauerstoff erzeugt. Dabei bildet sich je nach Dauer in idealer Weise eine rund 20 Mikrometer dicke, poröse und nahezu gleichmässige Aluminiumoxidschicht, die optional eingefärbt werden kann. Dabei lagern sich Farbsalze in die Poren ein.

Dieser Behandlungsschritt kann ausgelassen werden, wenn keine Einfärbung gewünscht wird. Dann werden nach einem erneuten Spülgang beim Verdichten die Poren mit heissem Wasser verschlossen und das Werkstück getrocknet. Die mit vielen kleinen Löchern versehenen Sonnenschutzflügel des Scott-Firmensitzes mussten vor dem Verpacken in aufwendiger Handarbeit trockengeblasen werden. Das Anodisieren sorgt für ein ebenmässiges Endergebnis. Anodisierte Aluminiumteile werden zuerst beschichtet und danach montiert.

Man unterscheidet unter elektrolytisch gefärbten Aluminiumoberflächen, bei denen Metallsalze in Kombination mit Strom eingelagert werden, und dem Tauchverfahren. BWB bietet bei der Einfärbung der Anodierschicht eine exklusive Kombination von elektrolytischen und adsorptiven Einfärbung, das Permaverfahren, an.

Das Drei-Stufen-Verfahren ermöglicht komplexere Farbtöne und sorgt für besondere Farbnuancen. BWB-Bronze besticht durch natürliche und erdige Farbtonabstufungen, Permalux bietet warme Grautöne. Bei Permacolor handelt es sich hingegen um Blau- und Grüntöne in mattbunten Farbschattierungen. Durch Schleifen und Bürsten beziehungsweise Polieren kann der Oberfläche zusätzlich ein besonderer Effekt von mattglänzend bis hin zu glänzend sowie verschiedene Strukturierungen verliehen werden.

Firmengeschichte inspiriert

Die Ausgangslage zur Erstellung des neuen Hauptsitzes von Scott Sports war bereits gegeben: Der Standort befindet sich neben dem bereits bestehenden Gebäude des Unternehmens. Auf dem leicht abfallenden Gelände im industriell geprägten Gebiet sollte ein besonderer Akzent gesetzt werden, der dem gesamten Ort gleichsam einen architektonischen Höhepunkt verleiht. Gleichzeitig sollte das Gebäude auch die Geschichte des Unternehmens wiederspiegeln. Deshalb entschieden sich die Planer der Architekten Itten + Brechbühl AG für den Einsatz von Aluminium, die alles andere als Standard ist.

«Bereits in der Bauprojektphase, 18 Monate vor der Fassademontage, wurde ein Mock-up erstellt, um zu testen, ob der Einsatz der Aluminiumelemente unter den gegebenen Wind- und Eigenlasten funktioniert, vor allem um die Sicherheit gewährleisten zu können», berichtet Architektin Tima Kamberi, die das Grossprojekt in Givisiez betreute.

Der neue Hauptsitz spiegelt die Firmengeschichte wieder: Ein Skistock aus Aluminium setzte 1958 den Anfang. Der amerikanische Ingenieur und Skirennfahrer Ed Scott löste damit die bis dahin üblichen Modelle aus Bambus und Stahl ab. Die Innenfassade besteht aus horizontal angeordneten Holzleisten, auch dies ein Bezug zum Skisport.

Sonnenschutzelemente aus mikroperforiertem Aluminium bestimmen die äussere Erscheinung des Gebäudes. «Beim Dreieckmotiv wurden wir durch die Berge inspiriert. Es ist der Ort, wo meistens der Outdoor-Sport stattfindet», erklärt Kamberi. Die Form habe nicht allein ästhetische Bedeutung, sondern gleichzeitig sollte auf diese Weise das Eigengewicht der Elemente etwas reduziert werden. Deshalb wurden verschiedene Konzeptstudien mit dem Ziel erarbeitet, der Konstruktion eine besondere Wirkung zu verleihen, die einen Wiedererkennungseffekt erzeugt.

Um ein grosses Atrium formieren sich im Erdgeschoss Cafeteria, Restaurant, Showroom und Auditorium sowie die grossen offenen Büros und Entwicklungswerkstätten in den Obergeschossen. Rund 600 Personen arbeiten hier.

Die Verankerungspunkte der dreieckigen Elemente wurden zu besonderen Knacknuss: Sie dienen zunächst beim Eloxieren und später zur Befestigung in der Fassade.

Quelle: BWB Oberflächentechnik

Die Verankerungspunkte der dreieckigen Elemente wurden zu besonderen Knacknuss: Sie dienen zunächst beim Eloxieren und später zur Befestigung in der Fassade.

Extrem viele Einzelteile

«Die Architektur selbst und die Farbgebung des Innenausbaus wurden bewusst zurückhaltend konzipiert. Die Produkte von Scott sind von sich aus sehr farbig, so dass keine weiteren Akzente gesetzt werden müssen», so Kamberi. Die Schlichtheit zieht sich durch Ausstellungsräume bis hinein in die Büroetagen.

Im krassen Gegensatz dazu erscheint die eloxierte Aluminiumfassade die durch ihre geometrische Komplexität und grosse Zahl von Einzelelementen – es sind rund 1200 Stück mit unterschiedlichen Abmessungen – einen hohen planerischen Aufwand erforderte. Sie ist am oberen Gebäudekranz befestigt, in den Geschossdecken rückverankert und hängt vor einer Pfosten-Riegel-Glaskonstruktion. Die Fassade schwingt sich elegant über das erhöhte, vollverglasten Erdgeschoss.

Je nach Sonnenstand oder Windbedingungen öffnen und schliessen sich die automatisch gesteuerten Dreieckselemente. Wenn eine festgelegte Windstärke erreicht wird, schliesst sich die Fassade zu einem kompakten, blickdichten Kubus mit abgerundeten Ecken. Die vielen kleinen Perforierungen gewährleisten dennoch ausreichenden Lichteinfall, gleichzeitig Ausblick von innen. Bei Schlechtwetter stehen die Flügel für die optimale Lichtdurchflutung immer offen. Die Flügel können in jede gewünschte Position eingestellt werden, sodass in den dahinterliegenden Räumen eine angenehme Stimmung entsteht.

Die Entwicklung der Fassade inklusive Mechanik und Steuerung umfasste einen Zeitraum von fast einem Jahr. Vor allem wichtige Details wie die Befestigung und das Drehmoment der 30 Kilogramm schweren und 1,2 Meter auskrackenden Elemente, sowie ihre Steuerung, der Witterungsschutz und die Instandhaltung waren grosse Herausforderungen. «Es gab viele Varianten, wir haben bei der Entwicklung auch Querdenker mit ins Team genommen, um die beste Lösung zu finden. Es war in keinerlei Hinsicht eine Reise in einer Wohlfühloase. Deshalb sind wir sehr stolz auf das Ergebnis», schliesst Projektleiterin Kamberi.

Swissbau-Dossier (Schwerpunkt: Gebäudehülle)

Die Swissbau vom 14. bis 18. Januar 2020 steht unter dem Motto «Trial and Error – Mut für Neues?». Im Vorfeld zur führenden Fachmesse der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft thematisieren wir in einer Beitragsreihe deren Schwerpunkte.Alle bisher erschienen Beiträge gibt es unter: baublatt.ch/swissbau2020

Geschrieben von

Ehemalige Redaktorin Baublatt

Claudia Bertoldi war von April 2015 bis April 2022 als Redaktorin beim Baublatt tätig. Ihre Spezialgebiete waren Architektur- und Technikthemen.

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