Kolumne zum Mittwoch: Augen auf beim Thema Energie
In der Kolumne zum Mittwoch schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Christoph Starck, Direktor Lignum, Holzwirtschaft Schweiz.
Die im Dezember 2016 veröffentlichte Aktualisierung der Liste «Ökobilanzdaten im Baubereich» der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) wartet mit mehreren erfreulichen Neuerungen auf. So sind zum Beispiel Massiv- und Brettschichtholz neu auch aus Schweizer Produktion aufgeführt. Das ergibt bei den Treibhausgasemissionen bis zu 20 Prozent bessere Werte. Vor allem aber bieten die Ökobilanzdaten nun eine transparentere Darstellung für nachhaltige Bauprodukte wie Holz: Auf Initiative der Lignum wird der Primärenergiegehalt neu in erneuerbar und nicht erneuerbar unterteilt.
Die Aussagekraft der «Ökobilanzdaten im Baubereich» hinsichtlich Primärenergie von nachhaltigen Bauprodukten verbessert sich damit erheblich. Im «Primärenergiegehalt erneuerbar» ist allerdings weiterhin der im Material gespeicherte Brennwert von organischen Baustoffen enthalten. Die Tatsache, dass das Holz am Ende seiner Lebensdauer verbrannt werden kann, wird so ad absurdum geführt.
Eine zusätzliche Aufschlüsselung dieses Wertes in stofflich gebundene und energetisch genutzte Energie würde vollständige Transparenz darüber schaffen, wieviel Energie wirklich verbraucht wurde und wieviel Energie am Ende des Lebenszyklus aus dem Material noch zurückgewonnen werden kann. Wer weiss, vielleicht schafft es die nächste Aktualisierung der Liste, solche vollständige Tiefenschärfe herzustellen. Die eingeschlagene Richtung bei den Ökobilanzdaten stimmt auf jeden Fall.
Hinter andere Neuerungen bei wichtigen Orientierungshilfen im Bereich Energie gehört dagegen ein Fragezeichen. Angesichts immer effizienterer Bauten erlangt die graue Energie bei Neubauten eine immer grössere Bedeutung, während der Anteil der Betriebsenergie im Vergleich zur grauen Energie in einer Lebenszyklusbetrachtung zunehmend an Bedeutung verliert. Zeitgerechte Anreize und Lenkungsmassnahmen für das energieeffiziente Bauen sollten deshalb darauf abzielen, die Grauenergie zu senken – etwa durch den Einsatz von Holz anstelle anderer, sehr viel energieintensiverer Materialien.
In dieser Hinsicht käme Minergie als Schweizer Aushängeschild für energieeffizientes Bauen ein besonders hoher Stellenwert zu. Das Label mit seinen verschiedenen heutigen Abstufungen hat seit seiner Begründung 1998 enorme Kraft als Wegweiser zu höherer Energieeffizienz im Gebäudebereich entfaltet – nach einer einfach nachvollziehbaren, aussagekräftigen und deshalb grossmehrheitlich sehr gut akzeptierten Systematik.
Die bei Minergie ab diesem Jahr neu eingeführten Regelungen geben nun jedoch im Hinblick auf das Thema Grauenergie zu denken. Kann es wirklich der Weisheit letzter Schluss sein, nur noch beim Standard Minergie-Eco die graue Energie zu berücksichtigen und sich bei Minergie, Minergie-P und Minergie-A neu noch mehr um die Betriebsenergie zu kümmern? Die Umweltbelastung durch Baustoffe darf unter den oben geschilderten Prämissen nicht zur Nebensache werden, wenn das Label glaubwürdig bleiben will. Es steht zu hoffen, dass hier möglichst bald wieder Gegensteuer gegeben wird.