08:30 MEINUNG

Kolumne zum Donnerstag: Von hohen Zielen und dem Glücksspiel

Geschrieben von: Maurice Lindgren
Teaserbild-Quelle: libertyslens, Flickr, CC

In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Maurice Lindgren, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Entwicklung Schweiz, mit den Mitsprachemöglichkeiten bei Bauprojekten.

Schreibmaschine Kolumne Symbolbild

Quelle: libertyslens, Flickr, CC

Schreibmaschine, Schmuckbild.

Der Schweiz geht es gut. Verbessern kann sich aber nur, wer sich konstant hinterfragt. Um verschiedene Ziele erreichen zu können und gleichzeitig eine prosperierende (Bau-)Zukunft vor uns, haben lohnt es sich, Dinge zu benennen, die wir ändern müssen.

Beispiel 1: Jeder will mitreden. Die Kultur des Mitredens verlangt nach Partizipationsverfahren für direkte Anwohner, um möglichst Einsprachen vorzubeugen. Diese Verfahren signalisieren aber Einflussmöglichkeit und erhöhen damit die Erwartungen an die Mitsprache. Worauf mit noch ausgiebigerer Partizipation reagiert werden muss, um überhaupt noch umsetzungsfähige Projekte zu erhalten. Ich erkenne dies insbesondere in der Stadtpolitik und stelle mir die Frage, ob man von Partizipation überhaupt satt werden kann oder ob das ein Teufelskreis ist?

Beispiel 2: Auch auf der Ebene der Organisationen und Interessenvertreter ist die momentan praktizierte Form der Partizipation problembehaftet. Sie ist aufwendig und zeitraubend, trotzdem ist danach ein reibungsloser Ablauf des Bauprojekts nicht gewährleistet. Da die Verbindlichkeit nicht gegeben ist, können – und das passiert leider oft – trotz den gewählten Kompromissen Rekurse geführt werden, bis das Projekt ganz zu scheitern droht. Dies ist wenig zielführend, die Erarbeitung gemeinsamer Lösung ist so nicht vielversprechend und schwierig.

Beispiel 3: Die vielen verschiedenen Ansprüche unserer Gesellschaft insbesondere im Bau machen sich im Planungsprozess sowie im Baubewilligungsverfahren bemerkbar. Regulatorische Vorgaben – schlussendlich nichts anderes als gegenwärtige gesellschaftliche Ansprüche manifestiert in Gesetzen, Verordnungen und Labels – ersticken den Gestaltungsspielraum und die zukünftige Innovationsfähigkeit.

Beispiel 4: Die Produktivität der Baubranche ist – relativ zur restlichen Wirtschaftsentwicklung gesehen – sogar rückläufig, und dies bereits lange. Ein schlechtes Zeichen auch für die Gesamtwirtschaft des Landes.

Wo führt das alles hin? Ich weiss es nicht. Aber es hinterlässt ein ungutes Gefühl. Energetische Vorgaben, Ortsbild- und Denkmalschutz, Schattenwurfregeln, Brandschutz, Behindertengesetz, Lärmschutzvorgaben, Raumplanung, Naturschutz, Artenschutz, Einbezug des öffentlichen Raums und viele weitere Regeln existieren heute. Mögen diese Regeln im Einzelfall vielleicht sinnvoll sein, um Sicherheit und Klarheit zu schaffen, sind sie es zusammengenommen aufgrund widersprüchlicher Ziele und Ansprüche nicht mehr und verursachen sogar das Gegenteil: Unsicherheit, was geht und was nicht geht, sind die Folgen.

Auf der Strecke bleiben dabei das gemeinsame Finden von guten Lösungen und insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit. Besonders ärgerlich ist dies bei Projekten der öffentlichen Hand, finanziert mit unseren Steuergeldern. Aber auch bei privat finanzierten Vorhaben leiden die Umsetzungschancen: Die Realisation von Bauvorhaben dauert zu lange und verkommt manchmal zum Lottospiel.

Geschrieben von

Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Entwicklung Schweiz.

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