Kolumne zum Donnerstag: Visuell überzeugend
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Matthias Forster, Geschäftsführer von Infra Suisse.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Das Plakat hat mich regelrecht angesprungen. Zum ersten Mal gesehen habe ich es, als ich kürzlich dem Perron entlang ging, um einen strategisch günstigen Platz fürs Einsteigen zu erwischen. Auf dem Plakat ist ein Mann zu sehen, der völlig frei und entspannt durch die Luft direkt in einen Zug fliegt. Ein visuell überzeugendes Plakat, das mich, der wenige Minuten später in einem proppenvollen Abteil sitzen wird, auch emotional angesprochen hat. Auf dem Plakat jedoch zu lesen: «Ride trains, move mountains. Get abilionized!» Wie bitte?
Ich, durchschnittlich sprachbegabt, hatte keinen blassen Schimmer, was dies bedeuten soll. Ist da von berittenen Zügen und dem Versetzen von Bergen die Rede? Und was, um Himmels willen, soll «abilionized» heissen? Zeit zum Überlegen blieb nicht. Mein Zug fuhr in den Bahnhof. Und ich stieg mit der Gewissheit ein, einfach nicht gut genug Englisch zu verstehen.
Wenn es um digitales Bauen und BIM geht, tönt es häufig auch sehr interessant: Von Abwicklungsplänen und Data Drop Projekt Informationen ist da die Rede, von BIM Libraries mit Raummodulen, Information Delivery Manuals, Little BIM, Open BIM oder BIM-Koordinationsplänen. Alles möglicherweise äusserst wichtige Begriffe in der Bauwirtschaft von morgen. Doch wie viele in unserer Branche verstehen diese tatsächlich?
Die Schweizer Baubranche will bereit sein für die nächste industrielle Revolution. Digitalisierung ist in aller Munde. Doch kaum jemand weiss, was genau zu tun ist. Die etwas forschen Bauherren, Planer oder Bauunternehmer mischen vorne mit. Sie wollen nicht nur zuerst von den neuen Möglichkeiten profitieren, sondern die Entwicklung auch mitgestalten. Andere versuchen vorerst zu verstehen, was da genau passiert. Mit blindem Aktivismus haben sie nichts am Hut. Und wieder andere kümmern sich keinen Deut darum. Trends kommen und gehen.
Welche dieser Strategien die beste ist, lässt sich wie gewöhnlich nicht von vornherein sagen. Infra Suisse als Branchenorganisation der Infrastrukturbauer will dazu beitragen, dass ihre Mitglieder auf dem Laufenden sind. Sie sollen verstehen, was heute bereits möglich und was noch Zukunftsmusik ist. Das tun wir zum Bespiel an der nächsten Journée Infra in Lausanne. Zudem wollen wir dafür sorgen, dass sich anerkannte und praktikable Standards durchsetzen. Dann kann digitales Bauen eine Chance für alle werden.
Das Plakat, das mir auf dem Perron aufgefallen ist, stammt übrigens von Abilio, einer neuen Mobilitätsplattform der Schweizerischen Südostbahn und Siemens. Abilio bietet eine App an, die das einfache Kombinieren von ÖV, Velo, Auto, Taxi, Carsharing oder Fusswegen verspricht. Sie ist schön, die App, und vielleicht künftig unentbehrlich. Doch momentan scheint sie nicht viel mehr als jede Fahrplan-App zu können. Warten wir ab.