Kolumne zum Donnerstag: Tragen Sie enge Hosen!
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Matthias Forster, Geschäftsführer von Infra Suisse.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Schön waren die Festtage im Kreise der Liebsten. Wir waren umfassend versorgt mit allerlei Leckereien. Mitgenommen aus den Ferien haben wir die Vorfreude auf die kommende Bausaison und einige von uns auch ein paar zusätzliche Pfunde. Sollten Sie sich über die Feiertage tatsächlich Winterspeck zugelegt haben, so sei Ihnen geraten: Kaufen Sie keinesfalls neue Kleider! Selbst dann nicht, wenn Ihnen die Hosen beängstigend eng geworden sind. Quetschen Sie sich weiterhin hinein! Das verhindert nämlich, dass Ihr Körper noch dicker wird.
Medizinisch ist dieser Ratschlag absoluter Unsinn. Als politische Lösung ist er jedoch durchaus akzeptiert. Wenn Kapazitäten knapp werden, darf das Angebot nicht ausgebaut werden. Dies würde nämlich die Nachfrage nur weiter anheizen, und man stünde früher oder später vor dem nächsten Kapazitätsproblem. Dieser Logik folgt der Ausspruch: «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten.» Er wurde in den 1970er-Jahren geprägt und fand in der Folge nicht nur bei Umweltbewegungen Anklang, sondern hielt auch Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch. Falsch ist der Satz keineswegs. Wer kennt nicht Ortschaften, die heute wieder unter dem Verkehr ächzen, obwohl dort Umfahrungs- und Entlastungsstrassen gebaut wurden?
Und so schön der Ausspruch klingen mag, er entspricht doch nicht der ganzen Wahrheit. Denn er gilt nicht nur für Strassen, sondern gleichermassen für Schienen. Auch wer Schienen sät, wird Verkehr ernten. Wie bei dem Strassennetz hat das Bahnnetz trotz eines massiven Ausbaus seine Kapazitätsgrenze bereits wieder erreicht. Bessere Verbindungen – ob Strassen oder Schienen – sind unbestritten attraktiv. Doch sie sind nur ein Faktor unter vielen, die sich auf die Verkehrszahlen auswirken. Bevölkerungswachstum, Wohlstand, wirtschaftliche Entwicklungen oder Lebensstile sind ebenfalls bedeutend. Unser Mobilitätsverhalten ist komplex.
Infrastrukturbauten allein können die Sorgen einer immer mobiler werdenden Gesellschaft nicht lösen. Doch um Anpassungen und Ausbauten im Strassen- wie Schienennetz kommt man nicht herum. Es braucht die nächsten Ausbauschritte der Bahninfrastruktur, die Weiterentwicklung des Nationalstrassennetzes oder die dritte Generation der Agglomerationsprogramme.
Den Tatsachen in die Augen zu schauen, lohnt sich. Lässt sich Ihr Hosenknopf nicht mehr schliessen, sollten Sie ernsthaft übers Abnehmen nachdenken. Doch gehen Sie um Himmels Willen auf jeden Fall grössere Hosen kaufen! Ihnen und Ihrem Umfeld zuliebe.