Kolumne zum Donnerstag: Temporäre und dauerhafte Bodennutzung
In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Martin Weder, Direktor des Fachverbands der Schweizerischen Kies- und Betonindustrie (FSKB), mit der Bodennutzungsdauer.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Ein VW Polo kostet neu rund 30 000 Franken. Nach neun Jahren kann man den gleichen VW Polo für etwa 3000 Franken kaufen. Der VW Polo für 3000 Franken fährt vielleicht noch ein bis drei Jahre. Dem neuen VW Polo verbleiben noch rund zehn bis zwölf Jahre. In der Mittelschule übten wir, diese Relationen im Zusammenhang mit der Nutzungsdauer des Autos mit dem Dreisatz zu berechnen. Inzwischen wurden diese rechnerischen Zusammenhänge mit der Eurotax-Bewertung in der Praxis millionenfach verifiziert.
Bei der Planung der Bodennutzung wird im Gegensatz zur Autonutzung die Nutzungsdauer ausgeklammert. Kiesabbaustellen besitzen eine Bodennutzungsdauer von 30 bis 50 Jahren, denn nach Abschluss des Kiesabbaus mutieren die Böden wieder dauerhaft zu dem, was sie vorher waren, zum Beispiel Landwirtschafts-, Wald- oder Naturböden. Die Bodennutzungsdauer von Bauten hingegen ist als solche dauerhaft, denn die entsprechenden Neueinzonungen besitzen Planungshorizonte ohne Zeiteinschränkung – sie wirken «ewig».
Wenn eine Baute zurückgebaut wird, entsteht im Gegensatz zur Kiesabbaustelle keine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, sondern die Baute und die Strasse werden durch einen Ersatzneubau oder eine Ersatzstrasse ersetzt. Die Bodennutzungsdauer ist somit dauerhaft. Nichtsdestotrotz findet aber die Bodennutzungsdauer in den raumplanerischen Verfahren erstaunlicherweise wenig bis gar keine Berücksichtigung. Dabei könnte diese mit dem Dreisatz einfach erfolgen.
Das Ignorieren der Bodennutzungsdauer könnte damit zusammenhängen, dass auch die verhältnismässig kurzen Zeithorizonte bezüglich Kiesgruben für unser Empfinden relativ lange sind. Beim Autokauf mit Zeithorizonten von nur ein bis zwei respektive zehn bis zwölf Jahren erleben wir die Auswirkungen unseres Entscheids persönlich. Bei der Bodennutzung erleben in der Regel nicht nur wir persönlich die Auswirkungen des behördlichen Entscheids, sondern auch die kommenden Generationen, indem sie von der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands profitieren können oder durch die Dauerhaftigkeit des Eingriffs ewig beeinträchtigt werden. Die Nachhaltigkeit setzt aber genau bei diesem viel zu kurzen Planungshorizonten an.
Wir fordern deswegen die Planungsbehörden auf, bei allen Umzonungen und Neueinzonungen von Böden die Bodennutzungsdauer (zum Beispiel nur 50 Jahre statt dauerhafte Bodennutzung) angemessen zu berücksichtigen. Es ist beispielsweise ein grosser Unterschied, ob eine Baute oder eine Abbaustelle in einer schönen Landschaft geplant wird, denn bei der Abbaustelle profitieren wir nach bereits 50 Jahren wieder von der schönen Landschaft. Bei der Baute ist die Beeinträchtigung der Landschaft aber dauerhaft. Die mit der Abbaustelle zusammenhängenden diesbezüglichen Immissionen betragen somit im Vergleich zur Baute weniger als rund 10 Prozent.
Um die Raumplanung wirksam an der Lebensqualität und dem Wohl der Gesellschaft auszurichten, ist es deswegen von grosser Bedeutung, der Bodennutzungsdauer diejenige Bedeutung beizumessen, die ihr effektiv auch zukommt und diese im Beispiel angetönte Differenz von mindestens etwa 90 Prozent im Grundsatz immer zu berücksichtigen.