Kolumne zum Donnerstag: Qualität leidet unter Tiefpreis-Mentalität
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Andreas Furgler, Geschäftsführer des Schweizerischen Plattenverbands (SPV).
Im letzten Jahr wurden gegen 741 ausländische Firmen Sperren wegen Lohndumpings verhängt. Das zeigt der neuste Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Die Sperren sind das Ergebnis von Kontrollen, welche eng mit der Personenfreizügigkeit verknüpft sind. Die Zahlen zeigen auf, dass die Lohndumping-Quote besonders bei ausländischen Firmen in der Schweiz hoch ist. Ohne hiesige Lohn- und Arbeitsbedingungen zu respektieren, verrichten ausländische Unternehmer und Arbeiter ihre Arbeit oftmals unter dem Mindestlohn und ohne korrekte Anstellungsverhältnisse.
Allerdings sind nicht nur ausländische, sondern auch Schweizer Unternehmen an den Verstössen beteiligt. Bei jeder vierten Kontrolle in der Schweiz wird ein Verstoss gegen den Gesamtarbeitsvertrag festgestellt. Neben Lohndumping wird auch Schwarzarbeit an den Pranger gestellt. Unternehmen, die gegen die Arbeitsbedingungen verstossen, müssen gemäss dem Seco seit 1. April 2017 mit einer Busse von bis zu 30 000 Franken oder einer Sperre von maximal fünf Jahren rechnen.
Nun wäre es zu einfach, die ganze Schuld des Lohndumpings den ausländischen Unternehmen und der Personenfreizügigkeit in die Schuhe zu schieben. Vielmehr widerspricht unser eigenes wirtschaftliches Verlangen nach dem tiefsten Preis unseren Qualitätsansprüchen. Die Schnäppchenjagd funktioniert nicht, wenn wir gleichzeitig perfekte, hochwertige Arbeitsausführungen erwarten. Der Preis wird durch den extremen Wettbewerb in der Baubranche kontinuierlich gedrückt. Ein gutes Beispiel findet sich bei den obligatorischen Ausschreibungen des Bundes. Die öffentlichen Ausschreibungen haben zur Folge, dass die Arbeiten an den billigsten Anbieter vergeben werden müssen – und nicht an das beste Preis-Leistungs-Paket.
Viele Unternehmen leisten sich deswegen einen ruinösen Preiswettbewerb. Es gleicht gar einem Pokerspiel. Kostendächer werden versprochen, bei welchen unklar ist, ob der Qualitätsstandard innerhalb der gesetzten Frist zum offerierten Preis ein- gehalten werden kann. Ziel dabei ist einzig, die Auftragsbücher zu füllen und das Unternehmen zu erhalten. Günstige Arbeitskräfte anzustellen und tiefere Löhne als den Mindestlohn zu zahlen, ist dabei für einige Unternehmen die einzige Strategie, um in der Branche zu überleben. Zur Bekämpfung von Dumping-Löhnen muss ein Umdenken in dieser Wettbewerbsmentalität stattfinden – und zwar rasch. Denn wir opfern aufgrund der gelebten Tiefstpreis- und Schnäppchenmentalität die für unsere Wirtschaft überlebenswichtige Berufsbildungsqualität und sägen damit den Ast ab, auf welchem wir sitzen.
Es braucht daher starke flankierende Massnahmen, es braucht Kontrollen, es braucht harte Sanktionen, es braucht die Solidarhaftung für Auftragnehmer, die sich auf dem Buckel der Subunternehmer bereichern. Abzocker sind an den Pranger zu stellen. Bauherren, Architekten, Planer, Unternehmer – alle stehen in der Verantwortung. Als liberaler Mensch bin ich grundsätzlich gegen zu starke Einmischung in den Markt oder in die Freiheit des Einzelnen. Aber die Freiheit hört dort auf, wo sie andere in ihrer Freiheit und in ihrem Wirken benachteiligt.
Ich wünsche mir für die Zukunft der Branche, dass qualitativ hochstehende Arbeit wieder den alten, richtigen Stellenwert bekommt und dass Schweizerinnen und Schweizer bereit sind, für diese Qualität zu bezahlen. Weiter sollen gut ausgebildete Berufsleute faire Löhne erhalten und ihren Berufsstolz in sich tragen. Nur so können wir wieder mehr junge Leute motivieren, in der Plattenbranche tätig zu sein.