Kolumne zum Donnerstag: Ostern, das Fest der Hoffnung
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Matthias Forster, Geschäftsführer von Infra Suisse.
Die alte Tradition, an Ostern nach versteckten Eiern oder Süssigkeiten zu suchen, erfreut sich anhaltender Beliebtheit. Vielleicht machen auch Sie sich mit Ihrer Familie an Ostern auf die Pirsch nach Schokoladenhasen und Zuckereiern. Je nach Gepflogenheiten der Familie gehören die Köstlichkeiten demjenigen, der sie gefunden hat, oder sie werden redlich unter allen Suchenden verteilt.
Teilen ist aus dem moralischen Standpunkt zweifelsohne die bessere Variante. Wie heisst es doch so schön: Geteiltes Leid ist halbes Leid, und geteilte Freude doppelte Freude. So ist dem Familienfrieden wohl gedient, wenn die erfolgreichen Osternester-Sucher ihre Freude und die erfolglosen ihren Frust teilen.
Eine etwas seltsame Art von Teilen sieht das neue Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vor, das demnächst im eidgenössischen Parlament beraten wird. Gemäss Artikel 59 steht dem Besteller nämlich unter bestimmten Umständen das Recht zu, beim Unternehmen sämtliche Akten, die ihm bei der Bildung des Angebotspreises gedient haben, einsehen zu können.
Sinn und moralische Legitimität eines solchen Einsichtsrechts in die Preisgestaltung von privaten Unternehmen sind höchst fraglich, und es kommt einer staatlichen Preiskontrolle gleich. Ein derart grober Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ist gar nicht nötig, wenn sich der Besteller die Mühe nimmt, sorgfältig auszuschreiben. Dann sieht er in der Regel sofort, ob für einzelne Positionen überhöhte Preise verlangt werden.
Das dicke Ei folgt aber erst in Absatz 2 von Artikel 59. Kommt die Preisanalyse nämlich zum Befund, dass die Preise zu hoch sind, so kann die Auftraggeberin die Rückerstattung oder eine Preisreduktion für die Zukunft verfügen. Zeigt sich hingegen, dass der Preis zu tief berechnet wurde, ist eine Erhöhung explizit ausgeschlossen. So stellt sich der Bund also das Teilen vor. Infra Suisse begrüsst die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungsrecht. Sie bringt viele Verbesserungen. Der Artikel 59 jedoch macht uns Sorgen. Er zeigt exemplarisch eine verbreitete Haltung gegenüber den Unternehmen: Die Vorteile landen im Nest des öffentlichen Auftraggebers, die Nachteile darf der Unternehmer behalten. Ostern ist das Fest der Hoffnung. Hoffen wir also, dass das Parlament die nötigen Korrekturen am Bundesgesetzt vornimmt.