Kolumne zum Donnerstag: Lieber Plus statt Links-Rechts
In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Urs Hauser, Direktor von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, mit dem Links-Rechts-Graben in der Wohnbaupolitik.
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Schreibmaschine, Schmuckbild.
Es klingt paradox: Die Schweizerinnen und Schweizer wünschen
sich mehr Genossenschaftswohnungen. Das hat eine repräsentative
Bevölkerungsbefragung jüngst bestätigt: Zwei Drittel finden, es brauche in der
Schweiz mehr Genossenschaftswohnungen. Ebenso viele sind der Meinung, die öffentliche
Hand solle Wohnbaugenossenschaften fördern. Dennoch hat das Volk im Februar die
Initiative «Für mehr bezahlbare Wohnungen», die genau dies verlangte,
abgelehnt.
Was ist passiert? Das Forschungsunternehmen Sotomo hat das
Abstimmungsverhalten nun im Detail analysiert. Und dabei hat sich gezeigt: Neun
von zehn Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind der Ansicht, dass die Wohnkosten
in der Schweiz zu hoch sind. Zwei Drittel finden, dass Wohnen ein Grundrecht
ist und nicht gänzlich der freien Marktlogik überlassen werden wollte. Und die
Mehrheit befürwortet Fördermassnahmen für mehr gemeinnützigen und
preisgünstigen Wohnraum. Trotz dem Nein an der Urne ist der Grossteil der
Bevölkerung also offenbar mit den generellen Anliegen der Initiative
einverstanden.
Es mag sein, dass manchen die Initiative inhaltlich zu weit
ging. Wie jemand abgestimmt hat, hing aber interessanterweise vor allem mit der
politischen Orientierung zusammen. Personen, die sich dem linken politischen
Spektrum zuordnen, haben häufiger ein Ja in die Urne gelegt. Auch die
persönliche Betroffenheit spielt eine Rolle: Wer eine hohe Miete zahlt oder
sich wegen der Höhe der Wohnkosten in anderen Bereichen finanziell einschränken
muss, befürwortete die Vorlage eher.
Von diesem Links-Rechts-Schema sollten wir uns lösen. Denn
ob es in der Schweiz mehr gemeinnützigen Wohnraum braucht, hat nichts mit
Parteipolitik zu tun. Wenn ein Teil des Wohnraums preisgünstiger ist, weil er
der Spekulation entzogen ist, nützt das der ganzen Gesellschaft. Weil Genossenschaftssiedlungen
nachhaltig sind. Weil sie auf gesellschaftliche Trends reagieren und neue
Wohnformen ermöglichen. Weil sie soziale Dienstleistungen und Infrastrukturen
für ganze Quartiere bieten. Und wir sollten die Diskussion von der
individuellen Perspektive lösen und aus einer gesamtgesellschaftlichen Sicht
führen. Genossenschaftswohnungen sind nicht nur für Einkommensschwache da,
sondern für alle offen.
Die beiden Umfragen sind ein klares Signal: Die Bevölkerung wünscht sich mehr gemeinnützigen Wohnraum. Das muss die Politik ernst nehmen. Dafür braucht es entsprechende Rahmenbedingungen und Fördermassnahmen. Etwa den Zugang zu geeigneten Arealen oder Starthilfen für junge Genossenschaften. Es braucht aber auch ein anderes Bild in den Köpfen. Solange der gemeinnützige Wohnungsbau in der öffentlichen Diskussion als linkes Thema und als Wohnraum für die Ärmsten abgehandelt wird, werden entsprechende Anliegen gebremst. Lassen Sie uns sachlicher über das Thema diskutieren! So dass es künftig nicht um links oder rechts, sondern um Mehrwerte geht.