15:28 MEINUNG

Kolumne zum Donnerstag: Handwerk hat goldenen Boden

Geschrieben von: Daniel Löhr
Teaserbild-Quelle: libertyslens, Flickr, CC

In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Daniel Löhr, Vizepräsident von Swiss Engineering STV und Partner Engineering Management Selection E.M.S. AG.


Dank der Digitalisierung kann man alles wie von Zauberhand via App steuern. Die Jalousien gehen automatisch rauf und runter, das Licht schaltet von selber ein und aus etc. Sogar wenn man nicht zu Hause ist, kann man via Fernbedienung alles von extern steuern. Eine Supersache, und in Zukunft werden Roboter einen Grossteil meiner Arbeit im Büro und zu Hause übernehmen. Ein Leben, wie ich es mir als Kind immer erträumt habe. Wie-so schreibe ich eigentlich meine Artikel immer noch selber – dafür sollte es doch schon längst eine App geben?

Zurück zur Realität: Seit ich mein Haus komplett digitalisiert habe, brauche ich dauernd einen Mechatroniker, den Jalousienmotor-Programmierer und den Rasenroboter-Techniker. Alles Berufe, von denen die meisten Menschen gar nicht wissen, dass es diese gibt. Der Nachteil der ganzen Sache ist, dass die Reparatur und der Service für diese Wunderwerke schon nach kurzer Zeit bald mehr kosten als die Anschaffung eines neuen Geräts. Big Business! Haben Sie übrigens auch schon gemerkt, dass die Geräte immer dann aussteigen, wenn Sie diese am dringendsten brauchen? Und je digitaler das Gerät ist, desto öfter und regelmässiger brauchen Sie einen Spezialisten. Ich denke, IoT (Internet of Things) ist dazu da, damit sich die Hersteller ihren Umsatz selber generieren können – durch erhöhten Servicezyklus und regelmässigen Ausfall des Geräts. Big Business!

Nun zurück zum Thema: Handwerk hat goldenen Boden. Ich bin nun mit meinen bald 55 Jahren wieder einmal oder umso mehr zum Punkt gekommen, dass einem die Welt offen steht und man eine sichere Zukunft hat, wenn man eine Handwerkslehre verknüpft mit einer Weiterbildung im Bereich Elektronik / Informatik macht. Die Digitalisierung schreitet voran, die Produkte werden immer komplexer und die Bedienung bei einer Störung macht die Benutzer abhängig von Spezialisten.

Des Weiteren bin ich auch zum Schluss gekommen, dass eine Ausbildung alleine schon lange nicht mehr reicht. Man muss innerhalb und ausserhalb einer Industrie mehrere Stationen durchlaufen, um definitiv zu verstehen, wo die Erfolgsfaktoren des Gesamten liegen. Ich empfehle jedem jungen Akademiker, dass er sich nach dem Studium nicht zu schade sein soll, «akademisches Handwerk» von der Pike auf zu lernen und mit der Praxis zu ergänzen beziehungsweise zu festigen. Reine Intelligenz reicht nicht mehr aus – es braucht Anwendungspraxis. Das würde für einen Architekten, Bau- oder Gebäudetechnik-Ingenieur bedeuten, dass er für mindestens ein bis zwei Jahre auf einer Baustelle bei allen Arbeitsgattungen vom Rohbau bis zur Inbetriebnahme mit anpackt, damit er wirklich versteht, was Bauen bedeutet und wie die Gewerke ineinanderwirken. Vor allem versteht man dann auch, was es in der Ausführung für Konsequenzen haben wird, wenn man mit «Simsala-BIM» einen Plan ändert. Nur mit einer soliden Praxis und Kenntnissen der Produktion kann man in den Projekten beurteilen, wo die Potenziale für Optimierungen liegen.

Handwerk hat goldenen Boden: Ich bin auch davon überzeugt, dass es für jeden arbeitslosen Akademiker oder für jede Führungsperson ohne Stelle karrierefördernd ist, wenn sie während der Arbeits- suche auf einer Baustelle zupacken. Das wäre dann bezahlte Weiterbildung und eine wertvolle Form eines Sabbaticals.

Ich freue mich auf unsere nächste persönliche Begegnung, um von Ihren persönlichen Erfahrungen mit dem Thema zu hören. Sie dürfen mir dazu auch schreiben an dloehr@ems.ch oder daniel.loehr@swissengineering.ch.

Geschrieben von

Daniel Löhr ist Präsident der Fachgruppe Karriere und Kommunikation Swiss Engineering / Mitinhaber der e-selection AG in Brugg.

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