Kolumne zum Donnerstag: Fairness, please
In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Rebecca Omoregie, Kommunikationsverantwortliche und Vizedirektorin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, mit dem Wohnmodell der gemeinnützigen Bauträger.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Fairness ist en vogue. Von Fairplay bis Fair Trade: Wir wollen nicht nur gute Produkte und Dienstleistungen, sondern wissen, dass es auch im Hintergrund gerecht zugeht. Und wie ist es beim Wohnen? Ist der Wohnungsmarkt fair? Wenn wir Jugendliche fragen, wäre die Antwort eher nein.
In unseren Unterrichtsmodulen für Berufsschulen setzen sich die Lernenden unter anderem mit Wohnkosten auseinander und studieren verschiedene Wohnungsinserate. Ob der riesigen Mietzinsunterschiede sind sie jeweils fast empört. Dass man für eine Wohnung nicht so viel Miete bezahlt, wie sie kostet, sondern so viel, wie an diesem Standort dafür verlangt werden kann, finden sie nicht gerecht.
Schliesslich regelt sich die Marktwirtschaft nun einmal nach Angebot und Nachfrage, das ist auch in anderen Konsumbereichen so, könnte man einwenden. Fair enough. Doch Wohnen ist kein Luxusgut, sondern ein Grundrecht – und ein Gut, das zu konsumieren jeder Mensch gezwungen ist. Also wäre es doch nichts als recht, wenn aus dem Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf nicht übermässig Kapital geschlagen würde.
Dieses faire Modell betreiben gemeinnützige Bauträger schon seit über 100 Jahren. Sie verzichten auf spekulative Gewinne und vermieten ihre Wohnungen zur Kostenmiete. Der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz hat deshalb sein 100-Jahr-Jubiläum unter dieses Motto gestellt: "100 Jahre für faires Wohnen".
Was nicht fair ist: Dass den gemeinnützigen Bauträgern mangelnde Fairness vorgeworfen wird. Sie würden Klientelpolitik betreiben und ihre begehrten Wohnungen nur wenigen Privilegierten zukommen lassen. Oder, noch schlimmer, sie würden ihre Wohnungen mit Staatsgeldern verbilligen und dann Reiche darin wohnen lassen.
Das sind Vorurteile, die nicht stimmen. Gemeinnützige Bauträger arbeiten freiwillig nicht profitorientiert. Sie sind keine staatlich unterstützen Sozialwohnungsanbieter und können selbst bestimmen, wie sie ihre Wohnungen vermieten. Und sie bieten Mehrwerte – etwa soziale Dienstleistungen, nachhaltige und durchmischte Quartiere oder attraktive Grünräume –, von denen nicht nur ihre Bewohnerinnen und Bewohner profitieren.
Was stimmt: Die günstigen und attraktiven Genossenschaftswohnungen sind begehrt. Und manch einer ist frustriert, weil er vergebens sucht. Aber daran sind die Wohnbaugenossenschaften nur bedingt schuld. Es gibt einfach zu wenige solche Wohnungen. Der Marktanteil der gemeinnützigen Bauträger beträgt nur knapp fünf Prozent.
Gerne würde die Branche wachsen, sodass noch viel mehr Menschen in den Genuss dieses Wohnmodells kommen können. Doch dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, etwa Zugang zu geeigneten Arealen. Massnahmen, wie sie zum Beispiel die Volksinitiative "Mehr bezahlbare Wohnungen" fordert. Sie verlangt, dass künftig jede zehnte neu gebaute Wohnung gemeinnützig sein soll. Das wäre doch fair, oder?