Kolumne zum Donnerstag: Die Interessenabwägung und das Paradies
In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Martin Weder, Direktor des Fachverbands der Schweizerischen Kies- und Betonindustrie (FSKB), mit den Hindernissen bei der Kiesversorgungsplanung.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Meine Kindergärtnerin erzählte wunderschöne Geschichten vom Paradies. Es gab Bäche, in denen Honig floss. Es regnete Goldstücke, und der Mittagstisch deckte sich jeweils von sich aus mit dem Lieblingsmenü.
Die Kiesgruben und Steinbrüche decken rund 240 Quadratkilometer oder etwa 0,6 Prozent unserer Landesoberfläche ab. Jeder Einwohner braucht im Jahr durchschnittlich eine Lastwagenladung voll Kies für Wohnen, Arbeiten und Vergnügen. Verschiedene monumentale Bauten aus der Römerzeit wie beispielsweise das Pantheon belegen die rekordverdächtige Lebensdauer des Kiesfolgeproduktes Beton.
Das Entstehen von Abfällen wird so dank Kies und Beton von vornherein verhindert, was bezüglich Ökologie die beste Lösung darstellt. Beton und Kies lassen sich zudem mehrfach rezyklieren und Kiesgruben bieten Lebensräume für viele seltenen Fauna- sowie Floraarten.
Es könnte der Eindruck entstehen, dass das Zuteilen von nur 240 Quadratkilometer Landesoberfläche für Kiesgruben und Steinbrüchen eine Selbstverständlichkeit darstellt, insbesondere da Kiesgruben nach Abbauende rekultiviert werden und die ursprüngliche Landschaft wieder entsteht.
Leider ist das in der Wirklichkeit nicht so. Die Raumplanung stösst beim Erstellen einer nachhaltigen und sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft ausrichtenden Kiesversorgungsplanung vor allem aufgrund sektorieller pauschaler Schutzbestimmungen auf viel Sand im Getriebe.
Schutzflächen im Zusammenhang mit dem Fruchtfolge-, Natur-, Grundwasser-, Landschafts-, Archäologie- und dem Waldschutz, Moorlandschaften, Auengebiete, ausserordentliche Vogelreservate, Pärke von nationaler Bedeutung wollen in der Raumplanung ebenfalls berücksichtigt werden.
Das Raumplanungsgesetz verlangt, dass die Planung gleichzeitig einen haushälterischen Umgang mit Boden gewährleistet, eine geordnete Siedlungsentwicklung ermöglicht, die natürlichen Ressourcen schützt und die Landesversorgung –beispielsweise mit Kies – sicherstellt. Zielkonflikte sind da meistens vorprogrammiert. Es geht deswegen darum, sich mit gesamthaften, differenzierten und nachvollziehbaren Abwägungen an die ideale Lösung heranzutasten.
Dabei ist es wichtig, dass das Gesamtwohl der Bevölkerung über die Einzelinteressen der erwähnten sektoriellen Planungen gestellt wird. Resistenz ist auch gegenüber lokalen Interessensgruppen erforderlich, die dank ihrer guten Organisation dazu tendieren, auch bei ausgewogen geplanten Abbauprojekten für lokale Anliegen überproportional zu opponieren.
Die gesamthafte Interessenabwägung trägt ergiebig dazu bei, Lösungen zugunsten des Wohls der Bevölkerung zu entwickeln. Mit ihr kann im Extremfall beispielsweise auch der Abbau von Kies in Schutzzonen von nationaler Bedeutung begründet werden, falls minimale Distanzen zu den Baustellen und somit minimale Umweltemissionen, geologisch ideale Voraussetzungen oder/und weitere Vorteile resultieren.
Nach über 50 Jahren zusätzlicher Lebenserfahrung stelle ich fest, dass die gesamthafte Interessenabwägung vielleicht den ersten Schritt darstellt, um in das von meiner Kindergärtnerin so wunderschön beschriebene Paradies zu gelangen.