Kolumne zum Donnerstag: Die Baubranche im digitalisierten «Klimawandel»
In der Kolumne zum Donnerstag berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Peter Wellauer, Geschäftsführer der Betonsuisse Marketing AG, mit der Digitalisierung und der Kreislaufwirtschaft.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Vor ziemlich genau 40 Jahren, im Sommer 1979, habe ich mich an der ETH für das Studium zum Bauingenieur eingeschrieben – einer Branche, die mich seit meiner Geburt begleitet, mit all ihren Formen, Facetten und Intensitäten. Eine Branche aber auch, die sich gewöhnt ist, schnell zu reagieren und sich den verändernden Umgebungsbedingungen anzupassen.
Mein Start in die reale Bauwelt im Ingenieurbüro war geprägt durch die digitale Steinzeit mit blinkendem Cursor auf schwarzem Bildschirm. Damit Mitarbeiter vernünftig arbeiten konnten, mussten Schallschutzhauben auf den Nadeldruckern im Büro installiert werden. Draussen auf der Baustelle herrschte Goldgräberstimmung. Das Obligatorium des Bundesvorsorgegesetzes schwemmte finanzielle Mittel ohne Ende auf den Markt und beflügelte die Branche.
Umweltschutz, Recycling, graue Energie und Kreislaufwirtschaft waren Begriffe, die damals immer noch weit weg von der Baubranche waren. Ja, in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren wurden die «ausgebeuteten»(bezeichnende Terminologie) Kiesgruben direkt als Abfalldeponien verwendet, und teerhaltiger Asphalt wurde als Strassenbelag eingebaut.
Der Wandel vollzog sich dann aber Ende der 80er- und vor allem in den 90er-Jahren massiv. Die öffentliche Hand stellte sich ganz neu auf. Es wurden Qualitätsmanagementsysteme von den Unternehmungen eingefordert und Umweltabteilungen aufgebaut, allen voran das Bundesamt für Umwelt in Bern.
Mit der wachsenden Sensibilität der institutionellen Bauherren, öffentlich wie privat, hat die Baubranche begonnen, diese neue Herausforderung als Chance zu sehen. So wurde zum Beispiel die Vorschrift, Baumaschinen mit Russpartikelfiltern auszurüsten, bei raschem Vollzug als Wettbewerbsvorteil gegenüber trägeren Mitbewerbern genutzt.
Neben der aktiven Bewirtschaftung von Kiesgruben als Deponien für sauberes Aushubmaterial wurde mehr und mehr auf die Wiederverwendung von Betonabbruch und anderen Rückbaumaterialien gesetzt. In den 90er-Jahren wurden bereits erste Bodenwaschanlagen in Betrieb genommen. Die kantonalen Behörden, von dieser Entwicklung beinahe überrumpelt, begannen dann das damit verbundene Recyclingbetonzeitalter ins Leben zu rufen.
Im neuen Jahrtausend erhob sich ein ganz neuer Wind, die Baustellen entdeckten die Digitalisierung. Beflügelt durch die Fortschritte in der Vermessung, setzten die Unternehmen bei grossen Geländeeingriffen mehr und mehr Totalstationen mit GPS ein, die auf der Basis eines digitalen Geländemodells die erste Art von selbststeuernden Baumaschinen ermöglichten.
Nun sind aber die Digitalisierung und eine nachhaltige Bauwirtschaft schon immer Hand in Hand gegangen. Eine umfassende und effiziente Kreislaufwirtschaft braucht unterstützend eine clevere und innovativ eingesetzte Digitalisierung, und diese findet ihre Vollendung in einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft.
Ende Juni legten prominente Bauprotagonisten in einer Sonntagszeitungsbeilage ihre Meinungen und Visionen offen. Benedikt Koch vom SBV sieht beispielsweise das grösste Potenzial für unsere Umwelt in einer konsequenten Förderung der Kreislaufwirtschaft durch die Digitalisierung.
Antoine Rérolle von Losinger Marazzi beschreibt die Situation im aktuellen Baualltag so: In der Schweiz werden jährlich 40 Millionen Tonnen Beton verbaut. Diese Massen müssen konsequent und effektiv im Sinne des Urban Mining wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden, und genau das ist mit Beton in einer Endlosschlaufe möglich, mit dem Einsatz neuer digitaler Plattformen.
André Wyss von Implenia sieht in seiner Vision 2050 die durchgängig digitalisierte Wertschöpfungskette als den Treiber für die Realisierung von Bauten, die über ihren gesamten Lebenszyklus einen markant tieferen ökologischen Fussabdruck aufweisen werden.
Last, but not least will Nick Traber von Holcim bis 2050 seine Stoffkreisläufe in der Zement-, Kies- und Betonproduktion durch den konsequenten Einsatz von künstlicher Intelligenz und Virtual Reality vollständig schliessen, ganz nach dem Motto: «Wir sind nicht Teil des Problems, sondern ein massgebender Teil der Lösung».
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Sommer, und behalten Sie Ihren Fussabdruck im Auge, vor allem den ökologischen.