Kolumne von Eva Herzog: «Gemeinnützige Wohnbauträger machen es vor»
In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Eva Herzog, Präsidentin der Wohnbaugenossenschaften Schweiz, beschäftigt sich mit dem Thema Wohnungsnot und dem Beitrag, den Wohnbaugenossenschaft dazu leisten.
Quelle: zvg
Eva Herzog ist Präsidentin der Wohnbaugenossenschaften Schweiz, dem Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger.
Wer derzeit eine Wohnung suchen muss, hat es schwer. Mittlerweile haben auch Mittelstandshaushalte Mühe, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Prognosen sagen voraus, dass in der Schweiz in drei Jahren 50’000 Wohnungen fehlen. Von links bis rechts wird nach Massnahmen gegen die Wohnungsnot gerufen.
Von Rechtsaussen wird ausschliesslich die Zuwanderung für den fehlenden Wohnraum verantwortlich gemacht. Die bürgerlichen Parteien sehen die einzige Lösung in der Deregulierung der Bauvorschriften. Solchen Aussagen ist eine differenzierte Analyse entgegenzuhalten: Zuwanderung ist aufgrund des Fachkräftemangels sicherlich ein Faktor, ebenso die strengen Vorgaben in Sachen Lärmschutz – gerade bei Verdichtungsprojekten in Innenstädten. Mindestens so stark ins Gewicht fallen aber auch die Zunahme an Kleinhaushalten und der stark gestiegene Flächenverbrauch pro Person. In den 1960er-Jahren lebten beispielsweise in Bern deutlich mehr Menschen als heute – in viel weniger Wohnungen.
Einfach mehr bauen kann also nicht die Lösung sein. Der vorhandene Platz ist auch besser zu nutzen. Wohnbaugenossenschaften machen vor, wie das gehen kann: Sie wenden Belegungsvorschriften an und ermöglichen Wohnungswechsel, wenn sich der Haushalt verkleinert. Einfach mehr bauen hilft auch deshalb nicht, weil es nicht ausschliesslich mehr Wohnungen braucht, sondern vor allem mehr preisgünstige Wohnungen. Auch hier bieten gemeinnützige Wohnbauträger die Lösung an: Da sie nicht gewinnorientiert arbeiten und zu Selbstkosten vermieten, sind ihre Wohnungen im Schnitt 20 Prozent, in grossen Städten sogar bis zu 60 Prozent günstiger als vergleichbarer Wohnraum. Und weil sie der Spekulation entzogen sind, bleiben sie auch langfristig günstig.
Mehr gemeinnütziger Wohnungsbau ist also ein probates Mittel gegen die Wohnungsnot. Das sieht auch die Bevölkerung so. In verschiedenen Regionen hat sich die Stimmbevölkerung im Juni für mehr gemeinnützigen Wohnraum ausgesprochen. Auch die Städte sehen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum gemäss einer kürzlich veröffentlichten Umfrage als drängendes Problem. Und auch der Bundesrat erkennt den Handlungsbedarf. Er hat die Immobilienbranche sowie Kantone, Städte und Gemeinden zu einem Runden Tisch zur Wohnungsknappheit eingeladen und lässt nun einen Massnahmenplan erarbeiten.
Wir sind gespannt, mit welchen Massnahmen der Bund der Wohnungsknappheit begegnen will. Wir hätten durchaus Ideen! Es braucht gemeinnützigen Wohnraum. An den gemeinnützigen Wohnbauträgern liegt es nicht: Sie würden gerne mehr Wohnungen anbieten, brauchen aber Zugang zu bezahlbaren Grundstücken und Immobilien. Wir verlangen deshalb, dass der Bund sowie bundesnahe Betriebe wie die SBB ungebrauchte Areale für gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Und es braucht ein Vorkaufsrecht, damit Gemeinden Land und Immobilien erwerben und an gemeinnützige Wohnbauträger abgeben können. Das wollen übrigens auch die Städte: Gemäss der erwähnten Umfrage würden 80 Prozent ein Vorkaufsrecht befürworten.