Studie: Weiss man, für welche Werte man steht, ist die Jobsuche erfolgreicher
Die Chancen bei der Stellensuche lassen sich mit einer einfachen Übung steigern, wie eine Studie mit Beteiligung der ETH zeigt: Wer 15 Minuten über seine eignen Werte schreibt, wird eher fündig und erhält mehr Stellenangebote. Sowohl über 50-Jährige als auch Langzeitarbeitslose profitierten von der Reflexionsübung, heisst es in der Medienmitteilung. – An der Studie haben 532 Arbeitssuchende, die am Zürcher Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet waren, teilgenommen und 334 Personen, die online rekrutiert wurden.
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Der Studie zufolge profitieren vor allem auch Stellensuchende über 50, wenn sie über ihre Werte nachdenken und sie auflisten.
Wer seinen Job verliert, leidet oft nicht nur unter einer finanziellen sondern auch unter einer psychischen Belastung. Man ist gestresst, haben Angst ihren Status zu verlieren und fangen an, an sich selbst zu zweifeln. Solches wiederum erschwert die Jobsuche. Denn: Wer seinen Wert in Frage stellt, traut sich weniger zu und bewirbt sich in der Regel seltener und schlechter. An diesem Punkt setzt eine neue Studie an, an der Fachleute von der ETH Zürich beteiligt gewesen sind. Sie zeigt, dass bereits eine 15-minütige Reflexionsübung, die den Glauben an sich selbst stärkt, die Chancen auf einen neuen Job verbessert.
«Menschen, die sich vergewissern wer sie sind und wofür sie einstehen, fällt es leichter, sich gegenüber potenziellen Arbeitgebern überzeugend zu vermarkten», erklärt Gudela Grote die Ergebnisse der Studie. «Dies erhöht ihre Chancen bei der Stellensuche.» Grote ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich und hat die Studie gemeinsam mit ihrem ehemaligen Doktoranden Julian Pfrombeck, der inzwischen Assistenzprofessor an der Chinese University of Hong Kong ist, initiiert.
Für ihre Studie führten sie zwei Experimente mit insgesamt 866 arbeitslosen Personen durch. Ein Drittel davon war älter als 50 Jahre. 532 Personen waren beim Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) der Stadt Zürich als arbeitslos gemeldet. 45,9 Prozent davon hatten ein Hochschulstudium abgeschlossen. Bei den restlichen 334 Versuchsteilnehmenden, die online rekrutiert wurden, handelte es sich um Arbeitssuchende, die in den USA oder Europa lebten. In dieser Gruppe konnten 37,4 Prozent einen universitären Abschluss vorwesen.
Für die Experimente wurden die Teilnehmenden jeweils nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Das Forschungsteam legte beiden Gruppen eine Liste von 13 Werten vor: Darunter befanden sich Werte wie Gesundheit, Sport und Fitness, Natur, Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen oder Freude am Lernen. «Wir haben bewusst sehr allgemeine Werte gewählt, da wir die Stellensuchenden nicht daran erinnern wollten, dass ihnen womöglich gewisse Fähigkeiten fehlen», erklärt Grote.
Anschliessend erhielten die Teilnehmer der einen Gruppe 10 bis 15 Minuten Zeit, um in einem Text zu begründen, warum zwei bis drei dieser Werte für sie persönlich wichtig sind und wie sich diese in ihrem Leben gezeigt haben. Derweil schrieb die andere respektive die Kontrollgruppe in derselben Zeit einen kurzen Text über zwei bis drei dieser Werte. Der Fokus lag dabei jedoch auf jenen Werten, die sie als am wenigsten wichtig erachteten. Sie sollten aber begründen, warum diese Werte für andere Menschen wichtig sein könnten.
Alle profitieren, auch wer älter als 50 ist
Dabei zeigte sich: Wer 15 Minuten über sich selbst und seine Werte nachdenkt, hat bessere Chancen einen Job zu finden, braucht dafür weniger lang und erhält mehr Stellenagebote. Besonders erstaunt habe die Forschenden, dass sowohl Menschen über 50 als auch Langzeitarbeitslose gleichermassen wie jüngere Arbeitssuchende von der Reflexionsübung profitierten, heisst es in der Medienmitteilung. Dies, weil diese beiden Gruppen oft grössere Schwierigkeiten haben, eine neue Stelle zu finden.
Im Online-Experiment verdoppelten sich die Erfolgschancen nach vier Wochen einen Job zu finden: 13,7 Prozent der Personen, die die Reflexionsübung machten, waren erfolgreich. In der Kontrollgruppe waren es gerade Mal 6,2 Prozent. Bei den Arbeitssuchenden des Zürcher RAV verdreifachen sich die Erfolgschancen sogar: Knapp elf Prozent der Arbeitssuchenden, die in einem kurzen Text skizzieren, wofür sie stehen, fanden nach vier Wochen wieder einen Job. In der Kontrollgruppe waren es 3,4 Prozent.
Allerdings liess der Effekt nach acht Wochen nach und war statistisch nicht mehr signifikant. «Das könnte damit zusammenhängen, dass die Selbstreflexionsübung einen Motivationsschub auslöste, dessen Wirkung nach einiger Zeit nachliess», erklärt Erstautor Julian Pfrombeck. Die Forschenden konnten zudem ausschliessen, dass die Versuchsteilnehmenden im Vergleich zur Kontrollgruppe eher Jobs annahmen, die schlechter bezahlt waren und weniger gut zu ihren Bedürfnissen passten.
Mehr Jobangebote und weniger lang stempeln
Arbeitssuchende aus Zürich, die die Übung machten, waren im Schnitt 2,56 Tage weniger lang beim RAV registriert als Personen der Kontrollgruppe. «Diese Differenz mag gering erscheinen, doch ausgehend von einem durchschnittlichen Taggeld in Zürich könnte man durch Selbstbestätigung rund 500 Schweizer Franken pro Person einsparen», meint Pfrombeck. Ausserdem geht aus der Studie auch hervor, dass die Versuchsteilnehmenden nach der Reflexionsübung binnen vier Wochen mehr Stellenangebote erhielten: Sowohl in der Online-Studie als auch bei den Arbeitssuchenden des Zürcher RAV erhielt etwa jede fünfte Person, die die Übung durchführte, ein zusätzliches Jobangebot. Auch hierbei nahm der Effekt nach acht Wochen ab.
«Indem man Arbeitssuchende dazu anregt, über wichtige persönliche Werte nachzudenken, stärkt man ihr Selbstvertrauen», kommentirt Grote die Ergebnisse. «Sie sehen sich dann eher als wertvolle Menschen, die einen Beitrag bei der Arbeit und in der Gesellschaft leisten können.» Grote und ihre Kollegen gehen davon aus, dass die Reflexion über die eignen Werte Menschen auf Stellensuche hilft, den von Rückschlägen gepflasterten Bewerbungsprozess besser zu bewältigen. Sie sind dann eher in der Lage ihre eigenen Stärken und Werte zu erkennen und diese auch potenziellen Arbeitgebern zu vermitteln. (mgt/mai)