Schwierige Suche nach Frauen fürs Top-Management?
Unternehmen bemühen sich zunehmend, Vakanzen im Verwaltungsrat divers zu besetzen. Dabei klagen sie, dass nach wie vor kompetente Frauen zu wenig sichtbar seien, weshalb sie sich in der Regel auf wenige, bekannte Namen fokussieren. Dies ist das Resultat einer Forschungsarbeit der Ostschweizer Fachhochschule.
Das Team Sibylle Olbert-Bock, Professorin an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) und Leiterin des Kompetenzzentrums für Leadership & Human Resources am Institut für Organisation und Leadership der OST, zeigt mit der Arbeit auf, wie Frauen Netzwerken besser nutzen und wie Unternehmen Diversität in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung gezielt fördern können.
Zwei Drittel der für die Studie befragten mittelgrossen Unternehmen (67 Prozent) ziehen es in Erwägung, den Frauenanteil in ihrem Verwaltungsrat zu erhöhen, 39 Prozent bejahen dies sogar vollständig. «Unternehmen bemühen sich zunehmend, Vakanzen im Verwaltungsrat divers zu besetzen», schreibt das Team Olbert-Bock, im neuen Fachbuch «Diversity in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung mittelgrosser Unternehmen. Status Quo und Empfehlungen für Rekrutierung, Netzwerken und nachhaltige Förderung».
Zähle man die «unentschlossenen
Absichtserklärungen» hinzu, so sprächen sich sogar 83 Prozent dafür aus,
vermehrt Frauen für den Verwaltungsrat zu rekrutieren. «Dieser Wert
sollte allerdings kritisch hinterfragt werden, denn eine
Absichtserklärung allein führt nicht automatisch zu einer diverseren
Zusammensetzung des Verwaltungsrates und läuft Gefahr, ein
Lippenbekenntnis zu bleiben», warnt die OST-Professorin. Auch könne man
nicht davon ausgehen, dass mehr Frauen im Verwaltungsrat automatisch zu
mehr Frauen in der Geschäftsleitung führen.
Olbert-Block hat
zusammen mit Kerstin Helfmann, Rosella Toscano-Ruffilli, Bernhard
Oberholzer und Nicole Bischof in den letzten vier Jahren untersucht,
wie mittelgrosse Unternehmen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
besetzen. Im eben erschienenen Fachbuch «Diversity in Verwaltungsrat und
Geschäftsleitung von mittelgrossen Unternehmen» zeigt das Team den
Status Quo auf und gibt Empfehlungen für die Rekrutierung und
nachhaltige Förderung von Frauen im Top-Management. Die Forschungsarbeit
und die Buchpublikation wurden vom Eidgenössischen Büro für die
Gleichstellung von Mann und Frau unterstützt.
Männer profitieren von «Old Boys Clubs»
«Die Verwaltungsräte wurden über Jahrzehnte von Männern dominiert, die Nachfolgerekrutierungen werden nach wie vor deutlich aus dem eigenen Netzwerk betrieben. Dies hat zur Folge, dass die Gremien wenig divers aufgestellt waren, da man vorwiegend Mitglieder dazugewann, mit denen man auf derselben Wellenlänge war. Über die sogenannten ‹Old Boys Clubs› wurden Mandate besetzt, und liess es an Transparenz betreffend der Rekrutierungspraxis missen», schreibt das Autor:innenteam. «Die Frauen der heutigen Generation kommen in den meisten Fällen über eine Businesskarriere, sind erfolgreich und performance-orientiert und bringen das nötige Selbstvertrauen für eine Verwaltungsrats- oder Geschäftsleitungstätigkeit mit». Trotzdem stellt das Team der OST fest, dass Frauen ihre Netzwerke in vielen Fällen bedeutend schlechter einsetzen als Männer.
«Mit gezieltem Coaching lassen sich individuelle Netzwerkstrategien erarbeiten, um diese aktiv und bewusst zu optimieren. Ein weiterer Faktor ist, dass sie ihre Netzwerke dann tatsächlich ‹bespielen› und sich in ihnen bewegen». Gleichzeitig sind auch die Unternehmen gefordert, die Besetzungsstrategien für Verwaltungsratsmandate und Geschäftsleitungsfunktionen weiterzuentwickeln, heisst es im Fachbuch weiter. (mgt/mai)
Sibylle
Olbert-Bock, Kerstin Helfmann, Rosella Toscano-Rufflli, Bernhard
Oberholzer, Nicole Bischof: «Diversity in Verwaltungsrat und
Geschäftsleitung mittelgrosser Unternehmen. Status Quo und Empfehlungen
für Rekrutierung, Netzwerken und nachhaltige Förderung», Verlag Springer
Gabler, Wiesbaden, 2023. ISBN 978-3-658-42399-5